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Porträt Bernhard Levy 1935
Bernhard Levy 1935
© Privatbesitz

Bernhard Levy * 1881

Sierichstraße 84 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
BERNHARD LEVY
JG. 1881
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

further stumbling stones in Sierichstraße 84:
Bertha Levy

Bertha Levy, geb. London, geb. 16.3.1889 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 15.5.1944 nach Auschwitz, ermordet

Bernhard Levy, geb. 5.7.1881 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 15.5.1944 nach Auschwitz, ermordet

Sierichstraße 84

Bertha und Bernhard Levy stammten beide aus einer jüdischen Familie, die in der Hamburger Zigarrenwirtschaft tätig waren, einem im damaligen Hamburg wichtigen Wirtschaftszweig ohne Zunftzwang. Deshalb waren darin im 19. Jahrhundert viele Juden tätig. Berthas Familie kam aus der Arbeiterschaft, Bernhards aus dem Handel.

Bertha Levys Eltern waren der Kaufmann David Marcus London (geb. 14.12.1858) und Hanna, geb. Heilbut (geb. 11.12.1860), beide geboren in Hamburg. Die Heilbuts gehörten zu den alten Hamburger jüdischen Familien, die Londons waren im 19. Jahrhundert zugewandert. Ihre Großväter, Marcus David (M.D.) London und Liepmann Michel Heilbut, waren Zigarrenarbeiter. Sie lebten in der Schlachterstraße 47 in der Hamburger Neustadt, dem Lazarus Gumpel-Stift für arme jüdische Familien. (Es wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.)

Nathan Marcus London (geb. 9.12.1860), Bertha Levys Onkel, der ältere Bruder ihres Vaters, heiratete ebenfalls die Tochter eines Zigarrenarbeiters. Er brachte es zum "Agenten" - Makler - mit einem zu versteuernden Einkommen, das ihm 1903 die Einbürgerung in den Hamburgischen Staatsverband ermöglichte. Eingeschlossen waren seine Ehefrau Gella, geb. Levy (geb. 11.11.1859), und die Söhne Siegfried (geb. 25.2.1888) und Max Nathan (geb. 26.8.1889). Der jüngste Sohn, Hermann, kam erst am 22.9.1904 zur Welt. Er war noch nicht einmal zwei Jahre alt, als sein Vater Nathan Marcus starb. Witwe Gella überlebte ihren Mann um 20 Jahre.

Bernhard Levy wurde ebenfalls in Hamburg geboren und war das zweite Kind seiner Eltern. Schon der Vater, der Kaufmann Leopold (geb. 6.7.1836), war ein Hamburger Bürger. Seine fünfzehn Jahre jüngere Ehefrau Bella Louise, geb. Ahlfeld (geb. 24.10.1851), stammte aus Bernburg in Sachsen-Anhalt, wo am 4. April 1872 die Hochzeit stattfand. Danach lebten sie in Hamburg-St. Pauli, neuer Pferdemarkt 7. Leopold Levy war Mitinhaber der Firma Leopold Levy & Co. Agentur, Kommission und Zigarrenlager mit dem Börsenplatz Pfeiler 23 und 24.

Zusammen mit seinem sieben Jahre älteren Bruder Alexander (geb. 13.4.1874), dem Stammhalter und späteren Börsenkaufmann, verbrachte Bernhard Levy seine ersten Lebensjahre auf St. Pauli. Nach dem Umzug der Familie zum Grindelberg 72 kam noch eine Tochter hinzu, Margarete (geb. 25.7.1887). Beide Söhne wurden Kaufleute.

Bertha Londons Eltern hatten am 1. Juni 1887 geheiratet. Ihr Vater David Marcus (D.M.) London war zu der Zeit als "Commis", als kaufmännischer Angestellter, tätig. Bis zu seiner Hochzeit wohnte er wie seine Braut Hanna Heilbut bei den Eltern in der Schlachterstraße 47. Beider Väter fungierten als Trauzeugen. Das junge Paar zog in die Schlachterstraße 7, wo am 12.4.1888 als erstes Kind die Tochter Sophie geboren wurde, elf Monate später, am 16.3.1889, folgte als zweite Tochter Bertha. Ihr einziger Sohn, Max, kam am 8.12.1891 zur Welt.

Die Kinder lernten ihre Großmutter Sophie London, geb. Rosenstein, nie kennen. Sie war 1887 gestorben, Sophie wurde nach ihr benannt (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de). Sie blieb ledig und kinderlos, während Bertha und Max heirateten und Nachkommen hatten.

Ihre Namen wie die Berufe ihrer Väter lassen den Bruch mit der Tradition und die Assimilation der Familien erkennen. Während ihre Großväter als Zigarrenarbeiter ihren Lebensunterhalt verdienten, wurden ihre Söhne und Enkel Kaufleute. Sie verließen die Hamburger Neustadt und zogen in bürgerliche Stadtteile wie Hohenfelde, Winterhude, Harvestehude und Eppendorf. Jüdische Rufnamen wie Johebet Jette von Hannas Mutter oder Liepmann von Hannas Vater finden sich bei den Enkelkindern nicht wieder. In der nächsten Generation gab es die ersten Eheschließungen mit Nichtjuden, später im Nationalsozialismus als "Mischehen" bezeichnet.

David Marcus (D.M.) London zog in die Wrangelstraße 20 in Hoheluft-West, was über seinen Tod im Jahr 1928 hinaus der Familienwohnsitz blieb. Bis zu ihrer Heirat am 7. April 1911 wohnte dort auch Bertha London. Ihr Ehemann Bernhard Levy, damals als Geschäftsleiter tätig, lebte ebenfalls noch bei seinen Eltern in der Werderstraße 30 in Harvestehude. Ihre Trauzeugen waren ihre Väter.

Ein halbes Jahr nach der Heirat seines Sohnes Bernhard am 4. November 1911 starb Leopold Levy im Alter von 75 Jahren. Seine Witwe Louise zog mit der Tochter Margarete zu ihrem Sohn Bernhard, obwohl Alexander, der ältere, wesentlich besser situiert war. Dabei könnte eine Rolle gespielt haben, dass Bernhard mit einer Jüdin verheiratet war, während Alexander eine Christin geheiratet hatte.

Bertha und Bernhard Levy zogen zusammen mit Bernhards Mutter Louise und der Schwester Margarete in den Schrammsweg 4 in Eppendorf. Dort brachte am 21.5.1912 Bertha Levy ihr erstes Kind zur Welt, Gertrud Ilse. Auch sie gehörten der Deutsch-Israelitischen Gemeinde an. Nach den Angaben auf Bernhard Levys Kultussteuerkarte von 1913 betrieb er eine nicht näher bezeichnete Agentur.

Bertha Levys Bruder Max London studierte am Kolonialinstitut in Hamburg (aus dem die Hamburger Universität hervorging), wurde Kaufmann, sammelte Auslandserfahrungen und wechselte nach seiner Rückkehr ins Bankfach. Als Prokurist bei der Deutschen Bank zahlte er 1920 erstmals Gemeindesteuern an die jüdische Gemeinde.

Gertrud ging bereits zur Schule, als Bertha Levy am 19.8.1919 Zwillinge zur Welt brachte, Herbert Leopold und Hans Arnold. Hans Arnold wurde nur fünf Monate alt. Seine Eltern erwarben auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf ein Gittergrab und bezahlten für den Grabstein 1000 Mark.

Seit dem Tod von Bertha Levys Großmutter Johebet Heilbut im August 1903 wurden alle Angehörigen der Familien London, Heilbut und Levy, die der Deutsch-Israelitischen Gemeinde angehörten, auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt. Nathan Marcus London starb im Jahr 1906, sein Vater im April 1907. Neun Jahre nach Johebet Heilbut wurde ihr Ehemann Liepmann Michel neben ihr beigesetzt. Mit ihm starb der letzte Angehörige der Großelterngeneration Bertha Levys.

Unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs heiratete Bernhard Levys Schwester Margarete einen Christen, den Kaufmann Gustav Harpert (geb. 10.10.1892 in Rostock). Er war Mitinhaber der Verbandsmittelfabrik Gebrüder Harpert in der Spaldingstraße 10/12 in St. Georg und wohnte im Steindamm 58. Margarete trat zur evangelisch-lutherischen Kirche über, ihre Tochter Klara war von Geburt an evangelisch.

Zwar waren Bernhard Levys Einkünfte gering, lagen aber über der Steuergrenze, die die Jüdische Gemeinde für ihre Mitglieder festgesetzt hatte. Während der Zeit des Ersten Weltkriegs und danach, auch in der Inflationszeit, zahlte er regelmäßig, wenn auch in der Kriegszeit verzögert, die geforderten Beiträge. Ein Rückstand von 500 RM im Jahr 1922 wurde ihm erlassen. Ab 1924 wuchs sein Einkommen. Dem entsprechend entrichtete er von Jahr zu Jahr steigende Gemeindesteuern bis zu 230 RM im Jahr 1927.

Aufgrund ihrer jüdisch-liberalen Einstellung schickten Bertha und Bernhard Levy ihre Tochter Gertrud 1918 zunächst auf die Emilie-Wüstenfeld-Schule. 1926 wechselte sie auf die Ria Wirth-Privatschule für Mädchen. Dort schloss sie Michaelis 1929, dem 29. September, mit der Mittleren Reife (heute Realschulabschluss) ihre Schulzeit ab.

1925 zog Bernhard Levy mit der Familie ohne seine Mutter Louise nach Winterhude in die Sierichstraße 84. Louise Levy verbrachte die folgenden zehn Jahre in der von "Frl. Heinze" geführten Pension in der Tesdorpfstraße 8 in Rotherbaum.

Max London, Bertha Levys Bruder, wechselte in den Im- und Export. 1927 übernahm er als Mitinhaber der Firma Johann Theodor Clasen, Margarinefabrik und Versandgeschäft, die Position des Geschäftsführers. Mit beinahe 36 Jahren heiratete er am 8. Oktober 1927 in Berlin die 22 Jahre alte Buchhalterin Charlotte Bianca Wolff (geb. 12.1.1905 in Berlin). Sie hatten sich in Travemünde an der Ostsee kennen gelernt. Ihr erstes Kind, Ruth, kam am 9.7.1928 zur Welt. Ihr folgten Edgar (geb. 18.5.1931) und Eva (geb. 23.1.1933). Firmen- und Wohnsitz wurde die Fuhlsbüttlerstraße 227 in Barmbek-Nord in einem Neubau in der Tradition der Reformarchitektur der Vorkriegszeit. Max Londons Einkommen erlaubte der Familie ein gutbürgerliches Leben mit Personal und die Unterstützung seiner Schwester Sophie.

Kurz nach der Geburt von Ruth London, ihrem ersten Enkelkind von Seiten ihres Sohnes Max, starben im Sommer 1928 im Abstand von sechs Wochen David Marcus und Hanna London, seine Eltern und die seiner Schwestern Sophie und Bertha.

Bernhard Levy führte die Hamburger Filiale von Hirsch & Cie. an der Ecke Reesendamm/Jungfernstieg, einem exklusiven belgischen Bekleidungsunternehmen. Infolge der Weltwirtschaftskrise brach der Umsatz ein, Bernhard Levys Angestelltengehalt wurde gekürzt und entweder verspätet oder gar nicht gezahlt. Gertrud Levy absolvierte dort dennoch ihre Lehre, fand anschließend Arbeit und trug mit ihrem Lohn zum Haushaltseinkommen bei.

Am 8. April 1929 wandte sich Bernhard Levy erstmals schriftlich mit einem Gesuch um Steuerermäßigung an die Jüdische Gemeinde. Er unterstrich die Dringlichkeit damit, dass er sonst aus der Gemeinde austreten müsse. Mit seinem Austritt würde er aber seinen Anspruch auf ein Grab auf dem Jüdischen Friedhof verlieren.

Die Jüdische Gemeinde hatte nur wenig Einfluss auf die Steuer, die der Kirchensteuer entsprach. Das Finanzamt setzte sie auf der Grundlage des Einkommens des Vorjahres fest. Für Bernhard Levy bedeutete das, dass er höher besteuert wurde, als es seinem laufenden Einkommen entsprach. Für die Jüdische Gemeinde bedeutete jede Ermäßigung eine geringere Einnahme bei wachsender Not. 1933 drohte das Finanzamt mit einer Pfändung. Die Jüdische Gemeinde hatte Bernhard Levys Situation gegenüber dem Finanzamt zu vertreten und konnte ihm nur in engen Grenzen entgegenkommen, weil ihre eigene Finanzlage ständig schwieriger wurde.

Bernhard Levy wurde zum 30. Juni 1933 bei Hirsch & Cie. gekündigt, doch sollte dies erst vollzogen werden, wenn er eine neue Anstellung gefunden habe. Ob ihm aus politischen oder wegen des rückläufigen Geschäfts gekündigt wurde, ließ sich nicht klären. Endgültig verlor er Ende 1938 seine Stellung.

Aufgrund besonderer Ausgaben wurde Bernhard Levy 1935 zahlungsunfähig: Herbert war wochenlang krank, Bertha Levy benötigte für ein chronisches Leiden teure Medikamente, und sein Bruder Alexander, der als Bankkaufmann mit seiner eigener Firma gut verdient hatte, geriet selbst in finanzielle Schwierigkeiten. Bernhard Levy selbst fühlte sich erschöpft und einer Kur bedürftig, doch dafür fehlten ihm die Mittel.

Die Jüdische Gemeinde forderte von ihm nun eine Vermögenserklärung. Darin legte er dar, dass er für seine vierköpfige Familie aufkomme und Schuldgeld und Kranken- und Lebensversicherung zahle. Außerdem unterstütze er zusammen mit seinem Schwager Max London seine Schwägerin Sophie London und zusammen mit seinem Bruder Alexander die Mutter Louise Levy. Während Sophie bei ihnen in der Sierichstraße 84 wohne, lebe die Mutter in einer Pension. Der Bruder Alexander komme vorübergehend allein für die Mutter auf, so dass er sich ihm gegenüber verschuldet habe. Außerdem verwies er auf einen Mietrückstand von eineinhalb Monaten.

Aus dieser Situation konnte nur der Umzug in eine billigere Wohnung herausführen. Bertha und Bernhard Levy verkauften Möbel und schenkten einige der Jüdischen Gemeinde. Sie zogen in die Kellinghusenstraße 12, zurück nach Eppendorf. Eine weitere Entlastung brachte ein Steuererlass durch das Finanzamt.

Louise Levy zog aus der Pension in der Tesdorpfstraße zunächst als Untermieterin in die Klosterallee 29 und innerhalb der folgenden eineinhalb Jahre noch fünfmal um, bis sie im April 1936 in der Sedanstraße 23, dem Altenhaus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde, aufgenommen wurde.

Sophie London wechselte von ihrer Schwester Bertha zu ihrem Bruder Max, der seine langjährige Wohnung in der Fuhlsbüttler Straße 227 aufgegeben und in der Eppendorfer Landstraße 42 wieder eine Daueradresse gefunden hatte.

1936 gab es noch einmal ein hartes Ringen Bernhard Levys mit der Jüdischen Gemeinde um Ermäßigung der Beiträge, ihre Stundung und Ratenzahlung, als die Gemeinde die allgemeine Steuererhöhung von 19 auf 23 % des Einkommens übernehmen und an ihre Mitglieder weitergeben musste. Bernhard Levy sah die Not der Gemeinde und erwähnte nicht mehr einen möglichen Austritt. Im September 1938 endete sein Briefwechsel mit der Deutsch-Israelitischen Gemeinde.

Am 1. Januar 1939 war Bernhard Levy endgültig erwerbslos, doch erhielt er bereits im Februar 1939 eine Anstellung in der Geschäftsleitung des Jüdischen Religionsverbandes, wie sich die Jüdische Gemeinde nun nennen musste, die inzwischen eine Bezirksstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland geworden war. Das Arbeitsverhältnis endete jedoch nach nur fünf Monaten im Juni 1939.

Offenbar als Reaktion auf die Novemberpogrome 1938, bereiteten Gertrud und ihr Bruder Herbert Levy ihre Emigration nach Großbritannien vor. Herbert Levy hatte seine Lehre noch nicht beendet, als er am 26. Mai 1939 einen Antrag auf Auswanderung stellte. Dazu benötigte er neben anderen Bescheinigungen eine für sein Umzugsgut. Er listete die wenigen Stücke sorgfältig auf. Fast alle waren gebraucht oder abgetragen. Dennoch wurde er dafür mit einer "Dego-Abgabe" an die Reichsbank belegt, die er jedoch nicht bezahlen konnte. Sein Vater Bernhard Levy konnte sie nicht übernehmen, da er weder ein Einkommen hatte noch Vermögen besaß, und wandte sich mit der Bitte um Erlass an den Oberfinanzpräsidenten. Er hatte damit Erfolg. Für die Passagekosten kam der Jüdische Hilfsverein auf.

Gertrud Levy verließ ihr Elternhaus und Hamburg am 27. Juni 1939, Herbert Levy am 26. August 1939. Gleichzeitig wurden ihre deutschen Pässe gesperrt. Acht Tage später erklärte Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg, womit die Möglichkeit der Emigration dorthin endete. Die letzte Zeit vor seiner Emigration verbrachte Herbert Levy bei seinem Onkel Max London und seiner Familie in der Eppendorfer Landstraße 42.

Nachdem beide Kinder Bertha und Bernhard Levys nach Großbritannien emigriert waren, zogen sie am 1. November 1939 in das Martin-Brunn-Stift in der Frickestraße 24 in Eppendorf.

Am 25.10.1939 starb Bertha Levys Tante Goldine Burchard im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 68 an Herzinsuffizienz. Sie hatte mit 42 Jahren den 30 Jahre älteren Milchhändler Simeon Burchard geheiratet, der bereits 1926 gestorben war, ohne Kinder zu hinterlassen. Goldine wurde an seiner Seite auf dem Jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt. Aus ihrem Nachlass erhielten Bertha Levy und Sophie London sowie ihre Cousine Vera Heilbut, eine Tochter von Michel Liepmann Heilbut, die bereits in Palästina lebte, je 1200 RM. Dieses Erbe galt als Vermögen und wurde nicht besteuert, und da es weniger als 5000 RM betrug, konnten die Nichten auch frei darüber verfügen. Sie zahlten es auf ihre Konten ein.

Louise Levy blieb auch in der Sedanstraße 23 nur vier Monate. Dann brachte die Jüdische Gemeinde sie in ihrem Alten- und Pflegeheim in der Schäferkampsallee 29 unter. Die Kosten für ihren Unterhalt teilten sich die Söhne Alexander und Bernhard.

Alexander Levy beabsichtigte ebenfalls auszuwandern, doch zog sich die Abwicklung seines Bankhauses und sonstigen Besitzes bis in den Februar 1940 hin. Sein Ziel war Südamerika, seine erste Station Curacao in der Karibik.

Als Max London im Dezember 1939 seine Stellung verlor, beschloss auch er, auszuwandern. Das war kurzfristig nur möglich, weil eine Verwandte in Baltimore für die fünfköpfige Familie bürgte und ein ehemaliger Geschäftspartner die Überfahrt in Dollars bezahlte. Am 18. Mai 1940 fuhr die Familie nach Genua, da es seit Kriegsbeginn keine direkte Schiffsverbindung mehr von Hamburg in die USA gab. Von dort konnten sie mit dem Schiff weiter reisen.

Zurück blieben die Geschwister und Bernhard Levys Mutter Louise und Verwandte aus Neubukow, die Mitte der 1930er Jahre in der Hoffnung auf einen Neuanfang zugezogen waren. Einige konnten sich selbst versorgen, die anderen wurden von der Jüdischen Gemeinde, jetzt Jüdischer Religionsverband, auf ihre Kosten untergebracht.

Bernhard und Bertha Levy kamen gemeinsam mit ihrer Schwester Sophie London im Siechen- und Pflegeheim in der Schäferkampsallee 29 unter, wo schon Bernhard Levys Mutter Louise lebte. Dort wurde 1941 auch die Witwe Louise Dessau, geb. Burchard, (geb. 19.7.1863 in Neubukow) aufgenommen. Michel Liepmann Heilbut, der Bruder von Bertha Levys Mutter Hanna und Goldine Burchard, war schon früher ins Altenhaus des Jüdischen Religionsverbandes in der Sedanstraße 23 gezogen. Ihm zugesellt wurde der Buchhändler Simon Siegmund Burchard (geb. 21.12.1872 in Neubukow).

Am 30. Juni 1941 starb Louise Levy im Alter von beinahe 90 Jahren, 30 Jahre nach ihrem Ehemann Leopold, in der Schäferkampsallee 29. Wo sich ihr Grab befindet, ist nicht bekannt.

Nach den großen Deportationen, vorgeblich "zum Aufbau im Osten" im Herbst 1941, die vor allem die unter 60 Jahre alten Jüdinnen und Juden betrafen, von denen die meisten noch in ihren vertrauten Mietwohnungen lebten, begannen die Transporte der Älteren in das Altersgetto Theresienstadt im Juli 1942. Unter der Vortäuschung, es handle sich um ein Altenheim, wurden Heimeinkaufsverträge abgeschlossen. Der Jüdische Religionsverband war verpflichtet, die Verträge abzuschließen und das Geld an die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" abzuführen, die es an ein Konto weiterleiten musste, auf das das Reichssicherheitshauptamt Zugriff hatte. Dafür reichte allerdings so kurzfristig die Zeit nicht. Nach Abrechnung aller von den 1942 Deportierten für den Heimeinkauf eingezogenen Gelder überwies der Jüdische Religionsverband 3.988.31,08 RM an die Reichsvereinigung.

Die beiden einzigen Verwandten, die noch ein nennenswertes Vermögen besaßen, das sie für den "Heimeinkauf" in voller Höhe einbrachten, waren Carl und Emma Burchard. Sie erwartete in Theresienstadt jedoch keine andere Behandlung als die mittellosen Deportierten.

Bertha Levy und ihre Schwester Sophie London besaßen auf ihren Konten noch Guthaben, die die 1200 RM aus ihrer Erbschaft von ihrer Tante Goldine Burchard übertrafen. Bertha Levys Vermögen von 2056,42 RM wurde für den Heimeinkauf an die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland entrichtet, während Sophie Londons Guthaben von 1278,75 RM von der Oberfinanzkasse eingezogen wurde.

Zum ersten Großtransport des Jahres 1942 am 15. Juli nach Theresienstadt wurden am Tag zuvor Bertha und Bernhard Levy, Sophie London und Louise Dessau aus der Schäferkampsallee 29, ihre Verwandten Simon Siegmund Burchard und Michel Liepmann Heilbut aus der Sedanstraße 23, Franz und Louise Wolff aus der Bundesstraße 35 und Carl und Emma Burchard aus dem Warburg-Stift in der Bundesstraße 43 mit Lastkraftwagen abgeholt. (Louise Wolff und Emma Burchard waren Schwestern von Simon Siegmund Burchard.) Nur bei Bernhard Levy wurde in der Deportationsliste eine Berufsangabe eingetragen, sie lautete "Lagerist".

Sie wurden zum Sammelort in der Volksschule Schanzenstraße in Eimsbüttel gebracht, wo sie noch von der Jüdischen Gemeinde versorgt wurden. Vom Sammelort brachten Lkws die Männer und Frauen zum Hannoverschen Bahnhof, wo sie mit einem Personenzug der Reichsbahn bis zum Bahnhof Bauschowitz fuhren. Von dort ging es zu Fuß oder per Lkw in das Getto von Theresienstadt.

Mit dem nächsten Transport, am 19. Juli 1942, traf dort auch Max Nathan London ein, Bertha Levys Cousin, der durch eine "privilegierte Mischehe" geschützt schien. Sein Bruder Siegfried, der sich in den Niederlanden in Sicherheit wähnte, wurde von dort am 16. Oktober 1942 direkt nach Auschwitz deportiert.

Über ihr Ergehen nach dem Abtransport vom Hannoverschen Bahnhof am 15. Juli 1942 wissen wir keine Einzelheiten. Sie wurden im Getto von Theresienstadt nach Geschlechtern getrennt untergebracht und nach Möglichkeit zur Arbeit eingeteilt. Gertrud Levy erwähnt in ihrem Wiedergutmachungsverfahren, dass ihr Vater in Theresienstadt als Hilfsarbeiter tätig gewesen sei.

Das Getto war überfüllt, es mangelte an Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung. Infektionskrankheiten grassierten. Die Sterberate war hoch. Bereits am 8. September 1942 starb Louise Dessau, fünf Tage später, am 13. September 1942, Carl Burchard. Zur weiteren "Entlastung" des Gettos wurden Evakuierungstransporte in Vernichtungslager durchgeführt. Michel Liepmann Heilbut (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de) wurde zusammen mit Simon Siegmund Burchard am 21. September 1942 einem Transport in das Vernichtungslager Treblinka eingereiht, wo sie unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurden. Er wurde 72 Jahre alt, niemand von den Verwandten erreichte auch nur das 65. Lebensjahr.

Emma Burchard und Franz Wolff erlebten noch den Jahreswechsel in Theresienstadt. Vier Monate nach ihrem Ehemann Carl starb am 25. Januar 1943 seine Witwe Emma Burchard durch Suizid. Franz Wolff lebte noch bis zum 7. Juni 1943 im Getto.

Bernhard und Bertha Levy mit ihrer Schwester Sophie und Louise Wolff erlebten noch einen zweiten Jahreswechsel in Theresienstadt. Am 15. Mai 1944 wurden sie nach Auschwitz deportiert und dort wahrscheinlich unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.

Epilog:
Gertrud Ilse und Herbert Leopold Levy wurden in England beide als "alien enemies" interniert, Gertrud auf der Ile of Man, Herbert auf der Isle of Wight. Er änderte später seinen Namen in Layton.
Gertrud Ilse kehrte 1955 nach Hamburg zurück, fasste aber nicht wieder Fuß. Sie pendelte zwischen Hamburg und England, wo sie 1958 nach schwerer Krankheit starb.

Alexander Levy kehrte ebenfalls nach Hamburg zurück und versuchte an sein früheres Familien- und Berufsleben anzuknüpfen. Er starb 1961 im Alter von 87 Jahren.

Die Firma Harpert erlosch noch vor Beginn der Weltwirtschaftskrise. 1940 waren Margarete Harpert als Witwe und Klara Harpert an eigener Adresse in Rostock gemeldet. Kontakte mit ihrer Herkunftsfamilie sind nicht erkennbar. Margarete Harpert überlebte ihre beiden Brüder und starb 1972 in Burgsteinfurt in Westfalen.

Eva London Ritt, Max und Charlotte Londons jüngste Tochter, war im Holocaust Memorial in Orlando/Florida aktiv. Sie sandte "Pages of Testimony" nach Yad Vashem für ihre Tanten Sophie London und Bertha Levy und ihren Onkel Bernhard Levy und stellte die Photos der Eheleute zur Verfügung.

© Hildegard Thevs

Quellen: 1; 2; R 1939/3118, R 1940/0021, R 1940/0400, R 1940/0816, FVg 8055; 4; 5 digital; 7; 8; 9; Hamburger Adressbücher; Arolsen Online-Archiv; StaHH 213-13 Restitution, 15440, 18951 und 18952, 24891; 332-5 Standesämter; 351-11 Wiedergutmachung, 2390, 13250; Emilie Wüstenfeld-Gymnasium, Archiv, dank freundlicher Hilfe von Christina Igla; Liskor Erinnern, 2. Jg. Dez. 2017, S. 14-16; Werkstatt der Erinnerung, FZG Hamburg, Nr. 1751 vom 14.2.2012; Eschwege, Sally Joseph, Gumpel, Lazarus in: Das Jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk, Göttingen 2006; http://www.juden-in-mecklenburg.de/Orte/Neubukow.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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