Search for Names, Places and Biographies


Already layed Stumbling Stones



Theo Lorenzen * 1939

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

THEO LORENZEN
GEB. 10.5.1939
ERMORDET 24.5.1942

further stumbling stones in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer

Theo Lorenzen, geb. am 10.5.1939 in Hamburg, getötet am 24.5.1942 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Theo Lorenzen kam am 10. Mai 1939 in Hamburg in der Frauenklinik Finkenau zur Welt. Er war das erste Kind von Ella Friederike, geb. Behrens, und dem Techniker Ernst Friedrich Lorenzen. Seine bereits 35-jährige Mutter stillte ihn sechs Wochen lang. Zunächst lebte Theo bei seinen Eltern in der Erichstraße und wurde evangelisch-lutherisch getauft. Den Eltern fiel auf, dass sich ihr Kind nicht richtig entwickelte.

Als Theo ein Jahr alt war, kam er am 28. Mai 1940 mit einer hochfiebrigen Bronchitis und Dyspepsie (Verdauungsstörung) in die Universitäts-Kinderklinik Eppendorf. Er konnte noch nicht sitzen und seinen Kopf nicht selbstständig halten. Dort erfuhren die Eltern, dass es sich bei ihrem Sohn um einen Zustand geistiger Schwäche handele. Von der Bronchitis geheilt, wurde er nach zweieinhalb Wochen am 14. Juni 1940 nach Hause entlassen.

Um Theos Entwicklungszustand zu überprüfen, wandten sich die Eltern an Prof. Dr. Rudolf Degkwitz der Kinderklinik im Universitätskrankenhaus Eppendorf. Bei der Konsultation am 1. August 1941 diagnostizierte dieser bei Theo "Entwicklungsstörung cerebraler [gehirnbedingter] Natur" und meinte, solche Kinder kämen häufig bei großen stattlichen Frauen vor, sein Rat lautete, das Beste sei eine neue Schwangerschaft.

Im nächsten Jahr wurde Theo mit einem Attest von Dr. Käthe Waller am 21. April 1942 in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" mit der Diagnose "Mongolid" (Down-Syndrom) eingeliefert. Dr. Knigge hielt im Aufnahmeprotokoll fest, die Mutter sei inzwischen wieder im sechsten Monat schwanger und könne die Erziehung des – "übrigens durchaus gutmütigen und freundlichen Kindes nicht mehr durchhalten. […] Die Eltern sind mit jeder Behandlung einverstanden."

Einen Monat später protokollierte er:
"29.V.42. Muß wegen Scharlach nach M 5 verlegt werden.
24.V.42. An Scharlach und Otitis media [Mittelohrentzündung] verstorben, Diagnose: Mongolide Idiotie. Dr. Knigge"
Theo Lorenzen verstarb am 24. Mai 1942 um 0:30 im "Hilfskrankenhaus Langenhorn". In der Todesbescheinigung gab Dr. Sönnichsen als Todesursache "Mongoloide Idiotie Scharlach" und "Dekubitus" (Wundliegen) an. Die Bescheinigung für die Betriebskasse von Blohm & Voss lautete: "[…] dass sich das Kind Theo […] nicht als Bewahrungsfall, sondern zur Behandlung auf der Kinderabteilung der Anstalt Langenhorn befand. Durch einen inzwischen eingetretenen Scharlach, an dem das Kind verstarb, ist die in Aussicht genommene Behandlung des Kindes verhindert worden. Leitender Arzt der Kinderabteilung".

Die Angabe "Bronchopneumonie" als Todesursache fehlt hier. Ob die Verlegung wegen "Scharlach" auf die Station M 5 der Verschleierung diente, kann nicht belegt, aber vermutet werden. Theo Lorenzen wurde in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" vermutlich mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel, von Friedrich Knigge getötet.

Theo wurde 3 Jahre und 14 Tage alt.

Fünf Tage später fand seine Einäscherung am 29. Mai 1942 um 8:30 Uhr und die Trauerfeier zwischen 9:35 und 10:30 "mit Leuchter, Pflanzen und Harmonium- bzw. Orgelmusik" im Krematorium Ohlsdorf statt. Am 17. Juni 1942 wurde seine Asche in der Familiengrabstätte auf dem Friedhof Ohlsdorf, die sein Großvater 1929 beim Tod seiner Ehefrau für sie, sich und seine Kinder ausgesucht hatte, beigesetzt, Grablage Bn 60, Nr. 98/III, oben links. Sein Großvater Carl A. J. Lorenzen war ein Jahr vor ihm, am 16. August 1941, verstorben. Die Grabstelle ist nicht mehr erhalten.

Nach dem Krieg äußerte sich Friedrich Knigge zu den erhobenen Beschuldigungen wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn. In einem Schreiben vom 13. Juni 1945 an die Kriminalpolizei über Prof. Rudolf Degkwitz, nun Leitender Beamter der Hamburger Gesundheitsbehörde, gab er lediglich Sterbehilfe bei zehn bis elf "geisteskranken und mißgestalteten" Kindern zu, die er durch die Anordnung des Reichsausschusses für gerechtfertigt hielt. Den Namen von Theo Lorenzen verschwieg er.

In seinem Schreiben vom 5. November 1947 an den Staatsanwalt befand sich auf einer Liste mit 16 Namen auch Theos Nachname; Knigge gab für diese Fälle an, dass er diese Kinder nicht getötet habe, obwohl das Einverständnis der Eltern dazu vorgelegen habe:
"Sehr geehrter Herr Staatsanwalt!
Ich möchte Sie höflichst bitten, sich in den Krankenakten zu überzeugen, daß noch weitere 16 Eltern der ‚Behandlung‘ zustimmten und mir damit den Auftrag zur Euthanasie erteilten:
1. Zapf 2. Ziemer 3. Cordes 4. Lorenzen 5. Boehm 6. Diekwisch 7. Gosch 8. Schulz 9. Knudsen 10. Nonnsen 11. Fokuhl 12. Meyer 13. Meibohm 14. Oje 15. Würflinger 16. Groß.
In allen diesen Fällen wurde der Auftrag z.T. zur offensichtlich schweren Enttäuschung der Eltern nicht ausgeführt. Die große Bereitwilligkeit der Eltern mußte bei mir und bei meinem Referat auf der Gesundheitsbehörde den Eindruck verstärken, nicht nur im wahren Sinne des Kindes sozial, sondern auch legal zu handeln."

© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm, u. a., S. 126 f.; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64217 u. 439/1942 Theo Lorenzen; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9933 u. 439/1942 Theo Lorenzen; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1942 Sta 1b Nr. 439 Theo Lorenzen; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 Nr. 12 Akte 29713; Standesamt Hamburg 6, Geburtsregister, Nr. 1246/1939 Theo Lorenzen; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister Feuerbestattungen, Nr. F 3206, Grabbrief 33553/1929.

print preview  / top of page