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Angela Quast * 1942

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

ANGELA QUAST
GEB. 30.6.1942
ERMORDET 9.5.1943

further stumbling stones in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer

Angela Quast, geb. am 30.6.1942 in Dradenau, getötet am 9.5.1943 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Angela Dorothea Quast kam am 30. Juni 1942 auf der Elbinsel Dradenau bei Hamburg zur Welt. Sie war das erste Kind von Charlotte Ursula, geb. Böttger, und dem Landwirt Gustav Heinrich Quast. Die Eltern bewirtschafteten die vom Stadtstaat Hamburg gepachtete 28 Hektar große Domäne auf der Insel. Die Hausgeburt verlief normal.

Als Angela ein Vierteljahr alt war, wurde der Mutter in der Säuglingsberatung Finkenwerder gesagt, dass das Kind mit Sicherheit nicht werde laufen und sprechen können. Daraufhin suchte sie mit einer Cousine den Arzt Dr. Schmidt in Blankenese auf. Dieser teilte die Einschätzung, verschrieb Beruhigungsmittel gegen das Schreien und überwies ihr Kind zur Beobachtung mit einem Attest und der Diagnose "Mikrocephalie" (kleiner Kopf, vermindertes Gehirnwachstum) in die "Langenhorner Anstalt". Der Vater und die Hebamme brachten Angela am 8. Oktober 1942 dann in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" zu Dr. Knigge. Der Vater war zu jener Zeit Soldat bei der Wehrmacht.

Nach einem Besuch der Mutter und des Großvaters mütterlicherseits sieben Tage später protokollierte Dr. Knigge: "Die Mutter ist mit jeder Behandlung durchaus einverstanden", und in einer Notiz im Nachtrag: "Der Vater kam auch zu Besuch u. erklärte sich einverstanden." In einem Schreiben vom 5. Januar 1943 erstattete Dr. Knigge Bericht an den "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" in Berlin. Neben der detaillierten Aufzählung der körperlichen Befunde gab er darin an: "In psychischer Beziehung ist das Kind sehr erregbar. Es schreit fast den ganzen Tag und muss deswegen isoliert werden, im übrigen verhält es sich nach seiner Alterstufe entsprechend. Die Diagnose lautet auf Grund der Beobachtungen: Mikrocephalitis [Spitzkopfbildung, M.L.] infolge vorzeitiger Verknöcherung der Gehirnnähte. Little’scher Symptomenkomplex [wie bei Kinderlähmung spastische Lähmungen]. Angesichts der unbedingt ungünstigen Prognose halte ich eine Behandlung für notwendig. Von beiden Eltern wird eine solche dringend gewünscht. gez. Dr. Knigge, Leitender Oberarzt."

Am letzten Tag von Angelas Leben protokollierte Dr. Knigge: "9.V.43. War schon längere Zeit erkältet. Bekam eine Bronchopneumonie. Exitus letalis [tödlicher Ausgang]. Diagnose: Mikrocephalie mit Spitzkopfbildung. Littlesyndrom. Sehnervenatrophie [Sehnervenschwund]. Dr. Knigge"

Angela Quast wurde in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" getötet. Sie verstarb am 9. Mai 1943 um 12:30 Uhr in Haus M 10.
In der Todesbescheinigung ist von Dr. Knigge als Todesursache "Mikrocephalie, Idiotie Bronchopneumonie" angegeben.

Knigge tötete mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen, wie auch bei Angela, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.

Angela wurde 10 Monate und 9 Tage alt.

Der Mutter wurde um 13:00 per Telefon der Tod ihres Kindes mitgeteilt. Vier Tage später wurde Angela Quast am 13. Mai 1943 von Beerdigungsunternehmer Schröder in Begleitung der Eltern abgeholt. Dabei soll Knigge gesagt haben, dass Angela an einer Lungenentzündung verstorben sei. Den Aufzeichnungen nach wurde sie um 14:00 Uhr von Haus M 10 zum Friedhof Altenwärder (seit 1946: Altenwerder) gebracht. Ihre Beerdigung fand am selben Tag um 16:00 Uhr statt. Ihre Grabstelle ist nicht mehr erhalten. (Der die evangelisch-lutherische Kirche St. Gertrud in Hamburg-Altenwerder umgebende Friedhof wird seit dem Jahre 2018 nicht mehr genutzt. Durch das Hamburger Hafenerweiterungsgesetz von 1961 wurde ein Großteil von Altenwerder, darunter auch die Kirche mit dem Friedhof, in den 1970er Jahren von der Stadt aufgekauft. Das Gelände wurde aufgespült und der neue Containerterminal Altenwerder rundherum errichtet.)

Ein Jahr nach Angelas Tod brachte Ursula Quast ihre zweite Tochter gesund zur Welt.

Nach dem Krieg gab Friedrich Knigge am 15. Januar 1946 in der Strafsache gegen ihn und andere wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn in einer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht Hamburg zum Fall Angela Quast als Rechtfertigung an: "Beide Eltern waren mit der Vornahme der ‚Behandlung‘ einverstanden."

Dr. Schmidt bestritt bei der Zeugenvernehmung zunächst, dass er die Einweisung nach Langenhorn veranlasst habe. Ihm wurde daraufhin die Bescheinigung mit seiner Unterschrift vorgelegt. Nach Zeugenaussage am 14. Januar 1948 vor Gericht erinnerte sich Angelas Mutter, dass ihr Dr. Schmidt nicht gesagt habe, dass ihr Kind in Langenhorn zu Tode kommen könne und weiter: "Als ich gelegentlich zu Dr. Knigge kam, habe ich ihn gefragt, ob er nicht etwas unternehmen könne, um das Kind zu retten. Dr. Knigge sagte mir daraufhin, daß er dem Kind ein Mittel zur Knochenbildung oder so ähnlichem, geben würde. Er hat nichts davon gesagt, daß die Behandlung etwa zum Tode führen könnte."

Die Krankenschwester Martha Fischer sagte als Zeugin am 22. Januar 1948 vor Gericht aus: "Ich glaube nicht, dass die Eltern [nicht] an den Ernst der Frage von Dr. Knigge, daß er eine Behandlung auf Tod und Leben vornehmen wolle, geglaubt haben. Dies ging bereits daraus hervor, dass die Eltern von Angela diese noch schnell in der Kirche der Anstalt taufen ließen. Daraus ersah ich, daß die Eltern mit dem Kinde abgeschlossen hatten."

© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0013 Bd. 060, Akte 30558, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm, u. a. S. 136, S. 162 f., S. 198; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64247 u. 584/1943 Angela Quast; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9943 u. 584/1943 Angela Quast; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1943 Sta 1b Nr. 584 Angela Quast; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01, 64 UA 4 Akte 30558; Standesamt Finkenwärder, Geburtsregister, Nr. 59/1942 Angela Quast.

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