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Hillene Hellmers * 1940
Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)
ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN
HILLENE HELLMERS
GEB. 23.9.1940
ERMORDET 1.12.1941
further stumbling stones in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Traudel Passburg, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer
Hillene Hellmers, geb. am 23.9.1940 in Leer, getötet am 1.12.1941 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"
Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560
Hillene Hellmers kam am 23. September 1940 in Leer zur Welt. Sie war das erste Kind von Henni Erna, geb. Schulte, und dem Maschinenschlosser Wilhelm Gerhard Hellmers. Ihre Eltern wohnten in Ockershausen, Kreis Leer. Hillene wurde evangelisch-lutherisch getauft. Ihre Geburt war zwei Monate zu früh und als schwere Steißgeburt verlaufen. Während der Entbindung stand ihre Mutter zweimal unter Narkose. Sie war danach zu schwach, um ihre Tochter zu stillen. Hillene war mit einem offenen Rücken zur Welt gekommen und wurde gleich nach der Geburt daran operiert. Sechs Wochen blieb sie im Krankenhaus. Ihre Beine waren gelähmt.
Mit einem Attest des Staatlichen Gesundheitsamtes wurde Hillene im Alter von einem Jahr am 18. November 1941 in die "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" eingewiesen. Dort lebte sie nur noch zwei Wochen. Sie hatte bis dahin noch keine Infektionskrankheiten durchgemacht. Die Diagnose lautete "Status nach Myelocele" (operiert; Vorwölbung des Rückenmarks durch einen Defekt des knöchernen Wirbelkanals bei einer Verschlussstörung des Neuralrohrs), "Hydrocephalus" (Wasserkopf, eine krankhafte Erweiterung der mit Liquor [Nervenwasser] gefüllten Flüssigkeitsräume des Gehirns [Hirnventrikel]) und "Cysto-Pyelitis" (gleichzeitige oder nachgeordnete, auf- oder absteigende Entzündung der Harnblase und des Nierenbeckens).
Hillene wurde in ihrer Familie geliebt, wie in der späteren Todesanzeige zum Ausdruck kam. Ihre Eltern brachten sie mit viel Hoffnung in die "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn". Eine Woche später wurde sie in der "Kinderfachabteilung" des "Kinderkrankenhauses Rothenburgsort" geröntgt. Wie ein Schreiben von Dr. Wilhelm Bayer, Chefarzt des Kinderkrankenhauses Rothenburgsort, an Dr. Knigge, Staatskrankenanstalt, belegt, hatte Hillene Hellmers am 27. November 1941 in Rothenburgsort bleiben sollen. Dr. Bayer, der in seiner "Kinderfachabteilung" für Tötungen von über 56 Kindern verantwortlich gewesen ist, beschwerte sich in einem Schreiben vom 27. November 1941 in Bezug auf Hillenes Aufenthalt dort bei Dr. Knigge: "[…] die Schwester wollte das Kind nicht hierlassen. War sie nicht entsprechend orientiert? Auch bei dem vorherigen Kind, dessen Hierbleiben zwischen uns verabredet war, hat sich – wie mir berichtet wird – ein beträchtlicher Kampf zwischen der begleitenden Schwester ergeben; die Schwester wollte auf keinen Fall das Kind dalassen." Doch auch dieser Versuch der Krankenschwester rettete Hillene nicht.
Am selben und am nächsten Tag wurde in Knigges Aufzeichnungen Fieber und Erbrechen protokolliert, am 29. und 30. November hohe Temperatur. Am letzten Tag in Hillenes Leben, am 1. Dezember 1941, verzeichnete er: "lag ruhig und schwer atmend, weinte oder stöhnte nicht. Um 20 h starb das Kind, ganz ruhig".
Hillene verstarb vier Tage nach der "Behandlung" am 1. Dezember 1941 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" um 20:00 Uhr in Haus 10.
Ohne Absprache mit den Eltern nahm Knigge eine Sektion vor. Dabei protokollierte er: "Die Sektion ergibt als Todesursache eine eitrige Cysto-Pyelitis und eine Bronchopneumonie des Unterlappens". Die von ihm ausgefertigte Todesbescheinigung lautete hingegen: "Status nach Myocele, Cysto Pyelitis". Es ist anzunehmen, dass er die "Bronchopneumonie" (Lungenentzündung), ein Hinweis auf eine Tötung mit Luminal, dabei bewusst wegließ.
Knigge tötete mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen, oder hier bei Hillene im Sektionsprotokoll, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.
Hillene wurde 1 Jahr, 2 Monate und 8 Tage alt.
Am 8. Dezember 1941 um 1 Uhr nachmittags wurde sie in ihrem Heimatort im Kreise ihrer Familie bestattet. In der Traueranzeige vom 6. Dezember 1941 stand: "Ganz plötzlich und unerwartet nahm der Herr unsere kleine Hillene wieder zu sich. Nur ein Jahr und zwei Monate war sie unser aller Freude. Ruhe sanft, du kleiner Liebling. In stiller Trauer Willi Hellmers und Frau Henni, geb. Schulte, und Angehörige."
Nach dem Krieg äußerte sich Friedrich Knigge zu den erhobenen Beschuldigungen wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn. In einem Schreiben vom 13. Juni 1945 an die Kriminalpolizei über Prof. Rudolf Degkwitz, Leitender Beamter der Hamburger Gesundheitsbehörde, gab er lediglich Sterbehilfe bei zehn bis elf "geisteskranken und mißgestalteten" Kindern zu, die er durch die Anordnung des "Reichsausschusses zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" für gerechtfertigt hielt. Den Namen von Hillene Hellmers verschwieg er.
Zur Stolperstein-Einweihung am 25. Oktober 2017 verlas die Tochter des nachgeborenen Bruders von Hillene folgende Worte: "Ich vertrete heute meinen Papa der heute leider nicht dabei sein kann. Er hätte seine Schwester so gerne kennengelernt und in den Arm genommen. Sie war ein wunderschönes Mädchen mit blonden Locken und einem strahlenden Lächeln. Es ist schön, dass wir uns heute nochmal an Hillene erinnern und schade das meine Großeltern diesen gedenkvollen Tag nicht mehr miterleben können."
Ein Foto in liebevoller Erinnerung an Hillene ist in der Familie bis heute bewahrt.
© Margot Löhr
Quellen: StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64155 u. 692/1941 Hillene Hellmers; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9926 u. 692/1941 Hillene Hellmers; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1941 Sta 1b Nr. 692 Hillene Hellmers; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 Nr. 30 Akte 29179; Standesamt Leer, Geburtsregister, Nr. 313/1940 Hillene Hellmers. Vielen Dank an Karl-Heinz Hellmers!