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Karl Völzke * 1901
Nernstweg 14 (Altona, Ottensen)
HIER WOHNTE
KARL VÖLZKE
JG. 1901
VERHAFTET 11.1.1940
KZ FUHLSBÜTTEL
GEFÄNGNIS GLASMOOR
1941 KZ WEWELSBURG
ERMORDET 9.12.1941
Karl Friedrich Johann Völzke, geb. 9.12.1901, ermordet 9.12.1941 im KZ Wewelsburg
Nernstweg 14, Ottensen
Am 5. Januar 1940 wurde Karl Völzke von dem Vermieter und Kellner Wilhelm Becker aus der Jakobstraße 8 Haus 4 in der Altonaer Altstadt bei der Gestapo Hamburg wegen des Verdachts auf "widernatürliche Unzucht" denunziert. Becker und seine Ehefrau hatten in der Nacht ihren Untermieter Kurt Wenderoth gemeinsam mit Karl Völzke auf der zu ihrer Wohnung gehörenden und im Treppenhaus befindlichen Toilette bemerkt und aus dieser "verdächtige Geräusche" gehört. Außerdem wurde der Polizei berichtet, dass der junge Untermieter "polierte Fingernägel" gehabt habe, was als weiteres Indiz für homosexuelles Verhalten gehalten wurde. Auf Grund dieser Denunziation wurde Karl Völzke am 9. Januar 1940 von der Gestapo ins Stadthaus an der Stadthausbrücke bestellt und sein Fall dem zuständigen 24. Kriminalkommissariat der dort ebenfalls ansässigen Kriminalpolizei übergeben.
Karl Völzke war erst am 6. Dezember 1939 nach Hamburg gekommen und hatte hier eine Beschäftigung als Arbeiter bei einer Hoch- und Tiefbaufirma gefunden, die ihn auf einer Arbeitsstelle auf dem Flugplatz Pinneberg einsetzte. Er stammte aus Berlin, wo er am 9. Dezember 1901 als Sohn des Straßenbahners Albert Völzke und dessen Ehefrau Auguste, geborene Oldenburg, zur Welt gekommen war. Er war evangelisch getauft worden und hatte keine Geschwister. Zum Zeitpunkt seiner Festnahme war Karl Völzkes Vater bereits verstorben: seine achtzigjährige Mutter, die er finanziell unterstützte, lebte in der Berliner Ackerstraße.
Karl Völzke hatte in Berlin die Volksschule besucht und bereits 1916 beendet, um während des Ersten Weltkriegs in Stettin eine Gärtnerlehre zu beginnen. Diese Ausbildung brach er ab, ließ sich 1918 zum Artisten ausbilden und trat bis 1932 in verschiedenen Zirkus- und Schaustellerunternehmen auf, darunter im "Circus Barnum" und im "Zirkus Sarrasani".
Während dieser Zeit hielt er sich u. a. in Pommern auf, wo er auch mit dem Gesetz in Konflikt geriet, was ihm kleinere Haftstrafen wegen Bettelns (1923 Köslin), Hehlerei und Diebstahls sowie Bettelns (1923 und 1926 Kolberg) und 1927 erstmals wegen eines Sittlichkeitsdelikts eine neunmonatige Gefängnisstrafe in Stargard einbrachte.
Ab 1933 war er bis zu seiner Verhaftung in ca. 35 verschiedenen Hoch- und Tiefbaufirmen in Berlin, Schwerin, Hamburg und Bremerhaven beschäftigt. 1933 stand er erneut vor Gericht; erstmals wurde er wegen eines "Sittlichkeitsverbrechens" auf homosexueller Grundlage zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. In Berlin soll sich Karl Völzke auch als Strichjunge betätigt haben.
Nachdem er am 9. Januar 1940 in einem ersten Verhör durch die Kriminalpolizei im Hamburger Stadthaus homosexuelle Handlungen abgestritten hatte, wurde er in Polizeihaft genommen und vom 11. bis 17. Januar 1940 im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (bekannt als "Kola-Fu") festgehalten. Parallel wurde auch Völzkes Partner, der 1922 in Wandsbek geborene Laufjunge Kurt Wenderoth, verhört, der die sexuelle Handlungen sofort zugab und auf vorherigen Genuss von Alkohol zurückführte. Daraufhin legte auch Karl Völzke ein Geständnis ab und wurde am 17. Januar 1940 als Untersuchungshäftling in das Gefängnis am Holstenglacis überstellt. Nun beschäftigte sich auch die Jugendgerichtshilfe mit diesem Fall. Bei dem mitbeteiligten Jugendlichen Wenderoth wurde eine Postkarte von Karl Völzke beschlagnahmt, auf der er ihn zu einem Treffen einlud, um ihm ein Weihnachtsgeschenk zu überreichen. Die beiden kannten sich aufgrund eines kurzfristigen, gemeinsamen Untermietverhältnisses.
Der ermittelnde Kripobeamte Rehfeldt beurteilte Völzkes gleichgeschlechtliche Handlungen als einen eher einmaligen Vorgang ohne Rückfallgefahr. Der Gutachter Medizinalrat Reuß hielt den Angeklagten zwar abschätzig für "unmännlich" und für "unterwürfig", bewertete jedoch positiv, dass "immerhin … bei allem zu bemerken [ist], daß V. sich an Kinder beiderlei Geschlechts herangemacht" habe. Seiner Ansicht nach seien für Völzke keine zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen, also nach Ende der Strafhaft keine nachfolgende "Sicherungsverwahrung" erforderlich. Und folgerichtig verurteilte das Hamburger Landgericht, vertreten durch Landgerichtsdirektor Lührsen, am 19. April 1940 den Angeklagten Karl Völzke nur nach dem "einfachen § 175 StGB zu 12 Monaten Gefängnis, weil eine Verführung gemäß § 175a, Abs. 3 StGB des aus problematischen Verhältnissen stammenden Mittäters Wenderoth nicht vorgelegen habe".
Karl Völzke wurde daraufhin am 4. Mai 1940 in das Männergefängnis Fuhlsbüttel und von dort am 15. Mai in das außerhalb von Hamburg gelegene Gefängnis Glasmoor bei Glashütte verlegt. Seine im Juni und November 1940 gestellten Gnadengesuche wurden abgelehnt. Die Gefängnisleitung hatte die Verurteilungsgründe als schwerwiegend angesehen und die frühzeitigen Gesuche als "ein starkes Stück" empfunden.
Nach Ablauf der regulären Strafhaft wurde Karl Völzke am 8. Januar 1941 aus der Anstalt Glasmoor entlassen, Er meldete sich in Hamburg-Altona in der Schulstraße 14, heute Nernstweg, zur Untermiete in einer Kellerwohnung an. Aus einer überlieferten Hausmeldekarteikarte dieser Straße geht hervor, dass er bereits seit "Freitag 17.1.41" wieder "in Haft" war.
Von Hamburg aus wurde Karl Völzke am 8. März 1941 ins KZ-Außenlager Wewelsburg bei Niederhagen in Westfalen verlegt, als Zugangshäftling der Kategorie B.V. (Berufsverbrecher) erhielt er die Häftlingsnr. 708 (in Häftlingslisten: 36629/36). Wie andere Eingewiesene auch musste er seine bisherige Kleidung abliefern.
Als er nach Wewelsburg überstellt wurde, gehörte dieses 1939 gegründete Außenlager zum KZ Sachsenhausen, im Sommer 1941 erhielt es den Status eines eigenständigen Konzentrationslagers, 1943 wurde es dann dem KZ Buchenwald unterstellt. Zweck des Konzentrationslagers war es, die Wewelsburg zum Mittelpunkt des SS-Ordens auszubauen, die Häftlinge sollten dafür Steinbruch- und Bauarbeiten leisten.
Als Karl Völzke dort eintraf, befanden sich nur 480 Häftlinge im Lager, neben Zeugen Jehovas, politischen Häftlingen, Homosexuellen auch einige Juden. (Insgesamt erlitten bis 1945 ca. 3900 männliche Häftlinge das Lager, von denen es ca. ein Drittel nicht überlebte.)
Entweder war Karl Völzke bereits erkrankt eingeliefert oder aber gleich nach der Ankunft behandlungsbedürftig geworden, jedenfalls wurde er aus nicht vermerkten Gründen schon am 14. März 1941 in den Krankenbau des KZs eingeliefert. Am 22. September 1941 verließ er diesen wieder. An seinem 40. Geburtstag, dem 9. Dezember 1941, starb er – wieder im Krankenbau – angeblich an einem "Herzschlag".
Seine abgelieferte Geldbörse schickte das KZ an seine Mutter nach Berlin.
Der SS-Mann H. Röttger meldete den Tod beim örtlichen Standesamt und erklärte – wie der Standesbeamte auf der Sterbeurkunde notierte – "von dem Todesfall von eigener Wissenschaft unterrichtet".
Zum Zeitpunkt von Karl Völzkes Tod wurden die Leichen verstorbener Wewelsburger Häftlinge noch ins Krematorium Bielefeld-Brackwede transportiert, dort verbrannt und die Urnen in das KZ Sachsenhausen geliefert, obwohl das Lager Wewelsburg diesem nicht mehr unterstellt war. Karl Völzkes Urne trug die Nr. 1300.
Die Sachsenhausener KZ-Verwaltung ließ die Urnen nach Berlin bringen, wo sie auf mehreren Friedhöfen bestattet wurden. Karl Völzkes Asche wurde auf dem kommunalen Friedhof in Güterfelde bei Berlin am 21. Mai 1942 in einem Sammelgrab (Abteilung J) beigesetzt. Eine namentliche Kennzeichnung erfolgte dort bis heute nicht. Lediglich ein zentraler Gedenkstein erinnert ohne Namensnennungen unter dem Motto "Den Toten zu Ehren den Lebenden zur Pflicht" mit der Inschrift: "Hier ruhen 383 Polen und 720 deutsche Ermordete im KZ Sachsenhausen 1942".
Da sich Karl Völzkes letzter Wohnsitz in Hamburg-Altona in der Schulstraße 14 (heute Nernstweg, Ottensen) befand, erinnert dort ein Stolperstein an ihn.
© Ulf Bollmann/Beate Meyer
Quellen: StaH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen 59972 Karl Völzke; https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/input_felder/seite1_ westf_bild.php?urlID=332; Dank an das Kreismuseum Wewelsburg für div. Dokumente, übersandt am 6.11.2023; Erik Beck, "Der Weg der Toten". Zum Umgang der SS mit den toten Häftlingen des Konzentrationslagers in Wewelsburg, in: Kirsten John-Stucke (Hg.) Wewelsburg und das KZ Niederhagen Gelände, Nachnutzung und Gedenke (Schriftenreihe des Kreismuseums Wewelsburg Band 13, hrsg. im Auftrag des Kreises Paderborn von Kirsten John-Stucke), S.1- 13; Dank für Auskunft und Foto Gedenkstein an Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Abteilung – III C 4-3, Frau R. Gutte, e-mail v. 13.11.2023.