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Charlotte Schickmann/Szykman * 1921

Stresemannstraße 90 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
CHARLOTTE SZYKMAN
JG. 1921
"POLENAKTION" 1938
BENTSCHEN / ZBASZYN
ERMORDET
LODZ / LITZMANNSTADT

further stumbling stones in Stresemannstraße 90:
Aron Schickmann/Szykman, Rita Schickmann/Szykman

Aron Schickmann (Szykman), geb. 13.1.1891 in Bedzin (heute Będzin/Polen), zwangsweise abgeschoben am 28.10.1938 über die deutsch-polnische Grenze bei Zbąszyń (deutsch: Bentschen), eingewiesen in das Getto Litzmannstadt (Lodz), ermordet am 20.10.1942

Chaja Slata Zlata (Charlotte) Schickmann (Szykman), geb. 19.11.1921 in Altona, zwangsweise abgeschoben am 28.10.1938 über die deutsch-polnische Grenze bei Zbąszyń (deutsch: Bentschen), eingewiesen in das Getto Litzmannstadt (Lodz), ermordet

Esther Ruchel Rita Schickmann (Szykman), geb. 17.3.1930 in Altona, zwangsweise abgeschoben am 28.10.1938 über die deutsch-polnische Grenze bei Zbąszyń (deutsch: Bentschen), eingewiesen in das Getto Litzmannstadt (Lodz), ermordet

Stresemannstraße 90 (Altona-Altstadt)

Aron Schickmann, Sohn jüdischer Eltern, kam am 13. Januar 1891 in Bedzin (heute Będzin, Polen) zur Welt. Dort besuchte er die Schule und erhielt eine Ausbildung im Handelsgeschäft seines Vaters, in dem er anschließend auch tätig war.

1911 heiratete er die ebenfalls aus Bedzin stammende Blima Taube Silberberg (Zillerberg), geboren am 20. Juli 1888. Über ihre Kindheit und Jugend ist uns nichts bekannt. Beide Eheleute besaßen die polnische Staatsangehörigkeit.

Bis 1938 war Aron Schickmann immer unter diesem Nachnamen im Altonaer Adressbuch zu finden. Erst in amtlichen Dokumenten ab Mitte 1938 wurde der Familienname Schickmann in "Szykman" "berichtigt". Der polnisch anmutende Name Szykman wurde im Zuge der judenfeindlichen Maßnahmen von staatlicher Seite zugewiesen. Darauf deutet die "Berichtigung" des Familiennamens der wahrscheinlich verwandtschaftlich verbundenen Familie von Efraim Schickmann (Szykman) durch das Amtsgericht Altona hin. Die Heiratsurkunde von Efraim und Rosa Schickmann enthält eine Randnotiz vom 19. Mai 1938, nach der auf Anordnung des Amtsgerichts Altona der Familienname richtig "Szykman" laute. Eine gleichlautende Randnotiz enthalten auch in Geburtsregistereintragungen der in Altona geborenen Kinder von Aron und Blima Taube Schickmann. Dies erklärte der Sohn Aron Schickmanns Sohn Pincus/Pinkus (Paul) im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Kriege.

1912 erkundete Aron Schickmann in Altona Möglichkeiten, eine neue Existenz in der damals noch selbstständigen Stadt zu gründen. Vermutlich lag dies an den allgemein ungünstigen Wirtschaftsverhältnissen und der verbreiteten Judenfeindlichkeit in seiner polnischen Heimat. Aron Schickmann lebte ab Mai 1913 in Altona. Er meldete sich im November 1913 bei der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde an. Seine Ehefrau und der am 24. Dezember 1911 in Sosnowiece (deutsch: Sosnowitz, rund 10 km östlich von Katowice, deutsch Kattowitz) geborene Sohn Pincus/Pinkus (Paul) folgten ihm 1915. Seit dem 5. April 1917 war die Familie in Altona, Langenfelderstraße 10, gemeldet, bis sie im April 1917 eine Wohnung in der Friedenstraße 74 (heute Lippmannstraße) bezog, in der sie zwölf Jahre lebte.

Aron und Blima Schickmann hatten vier Kinder. Neben dem noch in Polen geborenen Pincus/Pinkus (Paul) bekamen sie am 26. Dezember 1917 als zweiten Sohn Hermann Hirsch (David). Ihm folgten am 18. November 1921 Chaja Slata Zlata Kata (Charlotte) und am 17. März 1930 Esther Ruchel Rita. Alle drei kamen in Altona zur Welt.

Das Ehepaar Schickmann gründete einen Wäschegroßhandel mit zunächst zwei Geschäften in Altona, Kleine Gärtnerstraße 90 (ab 1930 Stresemannstraße, ab 1933 General-Litzmann-Straße), und in Hamburg, Talstraße. Im Jahre 1929 legte es beide Geschäfte an dem Altonaer Standort zusammen. Die Familie nahm hier im Mai 1929 auch ihren Wohnsitz. Das gemietete Einzelhaus bestand aus den Kellerräumen, dem Erdgeschoss und zwei darüber liegenden Stockwerken. Die Kellerräume dienten als Lager, im Erdgeschoss befanden sich die Büros und Verkaufsräume. Die beiden oberen Stockwerke wurden als Wohnräume genutzt. In dem Betrieb waren am Anfang drei Angestellte, zuletzt vier Angestellte (Lagerist und Bürokräfte) beschäftigt. Zwölf Vertreter arbeiteten auf Provisionsbasis für die Firma. Ein Chauffeur betreute zwei Kraftwagen.

Bis Oktober 1938, so Blima Taube Schickmann nach dem Krieg, zeigte der Betrieb noch eine gleichbleibend aufsteigende Tendenz. Der monatliche Umsatz betrug circa 25 000 – 30 000 RM bei einer Verdienstspanne von 15-20 %. Das Einkommen betrug somit monatlich zwischen 4 000 und 6 000 RM. Wirtschaftliche Einbrüche, die auch Aron und Blima Schickmann infolge der Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte getroffen haben werden, erwähnte sie nicht.

Aron und Blima Schickmanns wirtschaftlicher Erfolg lässt sich auch daran erkennen, dass ihnen seit etwa 1924 das Grundstück Adolphstraße 79 (später Adolfstraße nach Hitlers Vornamen, heute Bernstorffstraße) mit einem dreigeschossigen Mietshaus mit neun Mietparteien gehörte.

Sohn Pincus/Pinkus (Paul) Schickmann besuchte die Talmud Tora Schule in Hamburg. Nach einer kaufmännischen Lehre im Unternehmen seines Vaters stieg er bis zum Prokuristen und Teilhaber auf.

Über Kindheit und Jugend von Hermann Hirsch (David) Schickmann ist uns über die oben erwähnten persönlichen Daten hinaus nichts bekannt.

Chaja Slata Zlata Kata (Charlotte) Schickmann, die ältere der beiden Töchter, wurde zu Ostern 1928 in die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße eingeschult. Sie besuchte dort den höheren Schulzweig bis zur mittleren Reife im Jahre 1938 und begann anschließend eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin, deren reguläre Beendigung ihr verwehrt wurde.

Ob bzw. wo Esther Ruchel Rita Schickmann die Schule besuchte, wissen wir nicht.

Ab 1933 trug sich die Familie intensiv mit Emigrationsüberlegungen, ohne zu einer abschließenden Entscheidung zu kommen.

Am 28. Oktober 1938 wurden 17 000 Juden polnischer Herkunft im Rahmen der sogenannten Polenaktion aus dem Deutschen Reich nach Polen abgeschoben. Die polnische Regierung hatte zuvor damit gedroht, die Pässe der im Ausland lebenden Polen zu konfiszieren. Dadurch wären diese zu Staatenlosen geworden. Die NS-Regierung befürchtete, dass Tausende von "Ostjuden" dann dauerhaft auf deutschem Gebiet bleiben würden.
Ohne Vorwarnung und ohne Ansehen der Person wurden Männer, Frauen und Kinder von ihren Arbeitsplätzen oder aus ihren Wohnungen im gesamten Deutschen Reich abgeholt, an verschiedenen Orten zusammengetrieben und noch am selben Tag mit der Eisenbahn über die polnische Grenze bei Zbąszyń (Bentschen), Chojnice (Konitz) in Pommern und Bytom in Oberschlesien abgeschoben. Die Kosten der Aktion sollten die betroffenen Jüdinnen und Juden selbst tragen. Wenn dies nicht möglich sei, sollte der Reichshaushalt in Anspruch genommen werden.

Von der Ausweisung waren auch Aron, der nun wie auch die anderen Familienmitglieder den Nachnamen Szykman führen musste, und die beiden Töchter Chaja Slata Zlata Kata (Charlotte) sowie Esther Ruchel Rita betroffen. Sie wurden zunächst von zu Hause in ein Sammellager gebracht und am Abend des 28. Oktober vom Bahnhof Altona nach Zbąszyń transportiert. Blima Taube Szykman entging der Abschiebung, weil sie die Schlüssel zu ihrer Haustür nicht fand, als sie mit ihrer Familie zu Hause abgeholt werden sollte. Ihr wurde der Pass abgenommen, und sie erhielt die Anweisung, zum Sammelplatz nachzukommen, der sie aber nicht folgte. Zitat Blima Szykman: "Nach Durchführung der Polen-Aktion wurden dann ich und mein Sohn Paul in Ruhe gelassen."

Hirsch Hermann David Szykman war bereits im März 1938 aus Deutschland nach England geflohen und im August in die USA weitergereist.

Pincus/Pinkus (Paul) Szykman erfuhr rechtzeitig von der Abschiebeaktion, dass er sich verstecken konnte.

Aron Szykman und seine beiden Töchter waren, so Blima Szykman, in Polen zunächst in einem Auffanglager untergebracht. Ob sie damit die notdürftige Unterbringung in Zbąszyń oder ein Lager in einem anderen Ort in Polen meinte, wissen wir nicht. Die Drei wurden dann in das Getto Litzmannstadt/Lodz eingewiesen, das am 30. April 1940 errichtet worden war.

Von Aron und seinen Töchtern Chaja Slata Zlata Kata (Charlotte) und Esther Ruchel Rita Szykman gab es nie wieder ein Lebenszeichen. Sie wurden auf das Ende des Jahres 1945 für tot erklärt. Die Erklärung über den Tod von Esther Ruchel Rita Szykman enthält die von Blima Szykman geäußerte Vermutung, dass ihre Tochter in Auschwitz ermordet wurde. Nähere Hinweise konnten jedoch nicht gefunden werden.

Nach Aron Szykmans Zwangsausweisung war das Handelsgeschäft der Familie nicht mehr aufrecht zu erhalten. Sein Sohn Pincus/Pinkus (Paul) liquidierte es. Die Ware wurde zum Teil verkauft, zum Teil bei Bekannten untergebracht. Blima Szykman und ihr Sohn lebten von den Erlösen. Nach einer Behandlung Blima Szykmans im Jüdischen Krankenhaus gelang ihr und ihrem Sohn Ende März 1939 die Flucht nach Belgien.
In Brüssel fanden sie ein Unterkommen bei Blima Szykmans Schwägerin, deren Namen wir nicht kennen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen im Mai 1940 flüchteten sie weiter nach Frankreich. Nach einem beschwerlichen Fußmarsch überquerten sie auf einem kleinen Fischereifahrzeug den Kanal und erreichten England. Hier lebten sie zunächst sieben Wochen in einem Internierungscamp und dann sechs Wochen in einem Privatquartier, bis sie schließlich nach London übersiedeln konnten.

1946 kehrten Blima und Pincus/Pinkus (Paul) Szykman nach Belgien zurück. In diesem Jahr erfuhr Blima Szykman von dem Verlust ihrer Familie, auf welchem Wege ist nicht überliefert.

Blima Szykman übersiedelte in die USA. Sie lebte dort bis zu ihrem Lebensende mit ihrem Sohn Hermann (David) in New York.

Pincus/Pinkus (Paul) Szykman nannte sich nach dem Krieg wieder Schickmann. Er heiratete 1946 in Brüssel die in Berlin geborene Jüdin Hildegard Mehler. Danach war er in Paris als Juwelenhändler tätig. In der Erwartung, das Textilhandelshaus der Familie Schickmann wiederbeleben zu können, ließen sich Pincus/Pinkus (Paul) und Hildegard Schickmann am 4. Dezember 1953 in Hamburg nieder. Das frühere Geschäftsvermögen der Familie war seinerzeit vollständig verloren gegangen, so dass er auf eine Gründungsunterstützung des Staates angewiesen war.

Blima Schickmanns Antrag auf Entschädigung für die Haft ihres Ehemannes wurde mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht erwiesen, dass Aron Szykman in der Zeit vom 28. Oktober 1938 bis Ende Februar 1940 nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und deswegen seiner Freiheit beraubt gewesen sei. Er sei zwar im Zuge einer nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahme am 28. Oktober 1938 aus Deutschland ausgewiesen worden, in der Folgezeit habe er sich jedoch offensichtlich außerhalb des nationalsozialistischen Machtbereichs in Polen in Freiheit befunden, bis er nach Beginn des Polenfeldzuges im Zuge der Ghettoisierung der in Lodz ansässigen Juden in das dortige Ghetto verbracht wurde.

© Ingo Wille

Quellen: Staatsarchiv Hamburg, 522-1, Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg; StaH 213-13 Zivil- und Strafgerichtsbarkeit 6177 Szykman Rosa, 30506 Shickmann Szykman Blima, 10565 Shykmann (Schickmann) Aron Erben, 12572 Szykman Erben; 314-15 Oberfinanzpräsident (Devisenstelle und Vermögensverwertungsstelle) F2151 Szykman; 314-15 Oberfinanzpräsident R1939-2263 Szykman Aron Blima; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 4652 Chaja Szykman, 13423 Szykman Aron Blima, 49639 Szykman Esther, 10567 Szykman (Schickmann) Blima Taube, 37508 Szykman Schickmann (Szykman) Paul Pincus, 44652 Szykman, (Schickmann) Chaja Kata Charlotte; 424-111 Amtsgericht Altona 6070 Todeserklärung Szykman Schickmann Aron, 6150 Szykman Charlotte Todeserklärung Szykman Blima Taube; 522-2 Jüdische Gemeinden 0161_0426 Mitgliedschaft Hochdeutsche Israeliten-Gemeinde Aron Schickmann. Ina Lorenz und Jörg Berkemann, Die Hamburger Juden im NS-Staat 1933 bis 1938/39, Band II, S. 1096-1107, Göttingen 2016; Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933-1945, 2. Aufl., Hamburg 2007, S. 25; Jerzey Tomaszewski, Auftakt zur Vernichtung, Warschau 1998, S. 15 ff.. Jürgen Sielemann, Paul Flamme, Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus – Gedenkbuch, Staatsarchiv Hamburg 1995, S. XVII.
Gedenkbuch des Bundesarchivs, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945
https://de.wikipedia.org/wiki/Będzin#Geschichte (Zugriff am 29.2.2024).

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