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Olga Joseph * 1887

St. Benedictstraße 29 (Eimsbüttel, Harvestehude)

1941 Minsk
ermordet

further stumbling stones in St. Benedictstraße 29:
Paula Frank, Anna Fürth, Rosa Seidler

Olga Joseph, geboren am 16.4.1887, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk und dort ermordet

St. Benedictstraße 29, Harvestehude

Olga Joseph wurde am 16. April 1887 in Hamburg als jüngstes Kind des jüdischen Ehepaares Joseph Joseph und Flora Joseph, geborene Blumenfeld, geboren. Drei Kinder hatten vor Olga das Licht der Welt erblickt: Otto Joseph, geboren am 20. Dezember 1877, Paul Joseph, geboren am 19. März 1879, und Hannchen Elli Joseph, geboren am 22. September 1883.

Otto Joseph, das älteste Kind der Familie Joseph, diente später als Unteroffizier im ersten Weltkrieg. Er wurde am 7. Januar 1915 in Landshut schwer verwundet und starb an den Kriegsfolgen am 22. Juni 1915 in der Heilanstalt "Waldhaus" in Zehlendorf in Berlin.

Der Bruder Paul Joseph erhielt am 22. Februar 1907 das Hamburgische Bürgerrecht. Einige Tage zuvor hatte er in Hamburg die juristische Staatsprüfung abgelegt. Er wurde am 20. April 1910 zum Doktor der Rechte promoviert, am 17. August 1910 als Anwalt zugelassen und eröffnete 1911 eine Rechtsanwaltskanzlei in der Oberhafenstraße 5 in Hammerbrook.

Olga Joseph oder Olli, wie sie als Nesthäkchen der Familie Joseph gerufen wurde, machte eine Ausbildung als Anwaltssekretärin und war im Büro ihres Bruders tätig. So konnte sie ihren Lebensunterhalt weitgehend selbst bestreiten.

Am 14. Juli 1916 heiratete Paul Joseph die nichtjüdische Betty Louise Margarethe Reese in Hamburg. Sie war am 14. September 1883 in Kopenhagen geboren worden. Ihre Eltern, der Kapitän Max Ernst Detleff Friederich Reese und Johanne Marie Reese, geborene Jensen, lebten in Kopenhagen in Dänemark.

Am 12. Februar 1917 starb Olgas Vater Joseph Joseph im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Beigesetzt wurde er in Hamburg auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel.

1919 bewohnte Flora Joseph mit ihren Töchtern Hannchen Elli und Olga Joseph zusammen eine 5-Zimmer-Wohnung in der Maria-Louisen-Straße 90 in Winterhude im Oberen Erdgeschoss (heute Hochparterre). Für die täglichen Arbeiten beschäftigten sie die nichtjüdische Hausangestellte Christine Petersen. Eingerichtet und finanziert hatte Paul Joseph ihnen die Wohnung. Zur gediegenen und gut bürgerlichen Wohnungseinrichtung gehörte unter anderem ein Flügel, der im Esszimmer stand und zur allabendlichen Unterhaltung genutzt wurde.

Uns ist nur wenig aus dem Leben Olga Josephs bekannt. Wir wissen, dass sie in der Kanzlei ihres Bruders Paul arbeitete und mit ihrer Schwester und Mutter zusammenlebte. Der Bruder und die Mutter, mit deren Leben das von Olga eng verbunden war, hinterließen weit mehr biografische Spuren als Olga.

Am 15. März 1922 starb ihre Schwester Hannchen Elli, die Todesursache kennen wir nicht. Beigesetzt wurde sie auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel.

1921 hatte sich Paul Joseph entschlossen, den nichtjüdischen Rechtsanwalt Max Rudolf Schmerler, geboren am 11. Mai 1886, und den nichtjüdischen Landrichter Wilhelm Heinrich Eibe Hasselbach, geboren am 30. September 1880, in seine Kanzlei in der Oberhafenstraße 5 mit aufzunehmen. Paul Joseph arbeitete als Strafverteidiger und Scheidungsanwalt. Rudolf Schmerler war in der Sparte Südfruchtexporte beratend tätig und Wilhelm Hasselbach arbeitete in dem Bereich der Elbschifffahrt. Die Kanzlei florierte. Mit ihren Erträgen ermöglichte Paul Joseph auch seiner Schwester Olga sowie seiner Mutter einen angemessenen Lebensstandard.

Am 29. Mai 1921 bekamen Paul Joseph und Betty Joseph die Tochter Marianne Maria Joseph.

Als am 30. Januar 1933 Hitler die Macht übernahm, verschlechterte sich die Situation für Paul Joseph wie die aller Juristen jüdischer Herkunft dramatisch. Die christlichen Klienten verließen ihn und die jüdischen Klienten kamen nicht mehr, da er in einer Mischehe lebte und keine Verbindung zum Judentum hatte. Er gehörte ihr auch nicht an. Seine Einnahmen verschlechterten sich rapide, und auch die Drangsalierungen durch die Nationalsozialisten nahmen zu.

Paul Joseph verlegte die Anwaltskanzlei deshalb in seine Erdgeschoßwohnung Isestraße 139 in Harvestehude, die er seit 1923 bewohnte. Die Privatwohnung verfügte über sieben Zimmer mit Souterrain. Ein Zimmer richtete er für seine Arbeit als Rechtsanwalt ein. Zuvor hatte er sich von seinen Partnern getrennt, die beide in der Oberhafenstraße 5 weiter ihrer Tätigkeit nachgingen. (Rudolf Schmerler gehörte der NSDAP an und wurde unter der Mitgliedsnummer 3030586 geführt.) Die bisher bei Paul Joseph beschäftigte nichtjüdische Hausangestellte kündigte Ende des Jahres 1933.

Infolge seiner Umsatzeinbußen musste Paul Joseph auch die Unterstützung für Mutter und Schwester stark einschränken. Dadurch konnten die beiden Frauen die Miete ihrer Wohnung nicht mehr aufbringen und mussten diese aufgeben.

Flora Joseph zog einige Monate später in die Isestraße 141/Harvestehude und bewohnte bei dem jüdischen Rechtsanwalt Berthold Melchior (geboren am 22. Juli 1881, gestorben am 5. Februar 1977) ein Zimmer zur Untermiete. Aber noch im Laufe des Jahres 1933 zog sie wieder aus und wechselte in ein Zimmer in der Wohnung ihres Sohnes. Auch für den Flügel fand sich in der Wohnung Isestraße 139 noch ein Plätzchen. Oft noch besuchte die ehemalige Haushälterin Christine Petersen die Familie Joseph.

Olga Joseph zog 1935 in die Barmbeker Straße 163 in Winterhude in den zweiten Stock. Sie suchte sich eine zusätzliche Arbeitsstelle beim früheren Sozius Hasselbach, da sie mit ihrem Verdienst, den sie bei ihrem Bruder Paul erhielt, ihre täglichen Ausgaben nicht mehr decken konnte.

Ihre Nichte Marianne Maria Joseph besuchte inzwischen die Heilwig-Realschule in der Isestraße 146 in Harvestehude, die sie als "Halbjüdin" 1935 ohne Abschluss vorzeitig verlassen musste. Das Ehepaar Joseph machte sich um ihre Tochter große Sorgen. Sie war von mehreren Personen mit einem Lederriemen verprügelt worden. Die 14jährige Marianne Joseph flüchtete 1935 allein nach Dänemark und zog zu ihren Großeltern nach Kopenhagen. Aber auch dort war sie gefährdet, als Deutschland 1940 Dänemark besetzte. Sie musste ihren Pass abgeben und ihr wurde immer wieder nahegelegt, nach Deutschland zurückzukehren, um dort in einer Waffenfabrik zu arbeiten. Um die dänische Staatsbürgerschaft zu erlangen, heiratete sie 1942 einen Professor Reese, eventuell ein weitläufiger Verwandter ihrer Mutter.

Die nun 85jährige Flora Joseph, die inzwischen pflegebedürftig geworden war, zog bei der nichtjüdischen Krankenschwester Erna Jacobson zur Untermiete in den Woldsenweg 9 nach Eppendorf. Ihr Sohn überließ ihr aus seiner Wohnung einige Möbel.

Paul Joseph litt auch körperlich unter den Beschränkungen durch die Nationalsozialisten. Er bekam Herzprobleme und musste stationär im Israelitischen Krankenhaus in der Eckernförder Straße aufgenommen werden. Zur Rehabilitation kam er nach Berlin in das Sanatorium "Berolinum" in der Viktoriastraße 60 in Berlin-Lankwitz. Er erlitt dort am 22. September 1936 einem Herzanfall, an dem er starb. Seine sterblichen Überreste wurden nach Hamburg überführt und auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.

Finanziell war die Wohnung in der Isestraße 139 nun für die Witwe Betty Joseph nicht mehr tragbar. Sie löste den Hausstand auf und zog in die Straße Heidberg 52 in Langenhorn. Sie besaß ein Cello, das sie in die neue Wohnung mitnahm. 1939 flüchtete sie mit einigen ihrer Möbel nach Kopenhagen. Paul Josephs Vermögen wurde, genauso wie die Witwenversicherung, die er für seine Frau Betty abgeschlossen hatte, von der Oberfinanzdirektion konfisziert. Betty Joseph starb am 18. Juni 1951 in Kopenhagen.

Weil Olga Joseph als Jüdin bei dem nichtjüdischen Anwalt Hasselbach nicht arbeiten durfte, suchte sie sich eine neue Arbeitsstelle bei dem jüdischen Albert Holländer, geboren am 1. September 1877, der sich jetzt "Konsulent" nennen musste und nur noch für jüdische Klienten arbeiten durfte (Albert Holländer wurde am 11. Juli 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet, Biografie siehe www.stolpersteine-hamburg.de.)

Olgas Mutter Flora Joseph starb am 28. Juni 1939 im Woldsenweg 9. Die Beisetzung erfolgte auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel. Sie vererbte ihr Silberbesteck, ihre Schmuck- und Wertgegenstände Olga Joseph, die als einzige der Familie noch in Hamburg zurückgeblieben war. Sie musste die Erbstücke im Oktober 1939 an die Oberfinanzdirektion abliefern.

Am 5. August 1941 suchte sich Olga Joseph ein Zimmer zur Untermiete bei Rosa Seidler, geboren am 27. September 1889. (Rosa Seidler wurde am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert und ermordet, Biografie siehe www.stolpersteine-hamburg.de.)

Olga Joseph erhielt ihren Deportationsbefehl zum 18. November 1941 und musste sich einen Abend vorher an der Moorweidenstraße am Dammtor einfinden und im Logenhaus an der Moorweidenstraße in Doppelstockbetten übernachten, welche die jüdische Gemeinde zuvor organisiert hatte.

Der Zug - aus Bremen kommend - fuhr um 11.30 Uhr vom Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity) mit rund 1000 Menschen nach Minsk ab. Dort verliert sich die Spur der Deportierten.

Die 54jährige Olga Joseph wurde in Minsk ermordet. Für sie gab es weder einen Totenschein noch eine Todeserklärung.

Zum Schicksal der Tochter Marianne Reese:
Wie oben erwähnt, heiratete sie 1942 unter dem Druck der Verfolgung in Kopenhagen Professor Reese, von dem sie sich ein Jahr später scheiden ließ. Kurze Zeit später ehelichte sie ein weiteres Mal und hieß dann Anderson. Diese Ehe wurde 1957 geschieden. Marianne Anderson versuchte mehr als 10 Jahre lang, Entschädigungsansprüche für sich, ihre eigene Flucht nach Dänemark und den Tod ihres Vaters zu erlangen. Zugesprochen wurden ihr schließlich 500 DM. Sie war schwer depressiv und wurde mehrmals im Krankenhaus in Kopenhagen stationär aufgenommen. Sie hatte die für sie schwer traumatischen Erlebnisse nie verarbeiten können und lebte finanziell immer am Existenzminimum.

© Bärbel Klein

Quellen: 1; 4; 5; 6; 8; StaH, 213-13 Landgericht Hamburg – Wiedergutmachung 12473 und Nr. 12532 (Olga Joseph), 32275 (Marianne Reese); 351-11 Amt f. Wiedergutmachung 44739 (Marianne Reese); 241-2 Justizverwaltung Personalakten A 1814 Rudolf Schmerler; 332-5 Geburtsurkunde 6199 Nr. 3769/1877 Otto Joseph, Geburtsurkunde 6206 Nr. 821/1879 Paul Joseph, Geburtsurkunde 8990 Nr. 3683/1883 Hannchen Elli Joseph, Geburtsurkunde 9021 Nr. 1788/1887 Olga Joseph, Heiratsurkunde 8710 Nr. 131/1916 Paul Joseph/ Betty Louise Margarethe Reese, Sterbeurkunde 9795 Nr. 704/1922 Hannchen Elli Joseph, Sterbeurkunde 9901 Nr. 359/1939 Flora Joseph; Ancestry Sterbeurkundenaus Berlin 185/1915 Otto Joseph und 178/1917 Joseph Joseph und 164/1936 Paul Joseph (Einsicht am 16. Juli 2025); Verlustlisten, 1. Weltkrieg 1914-1919, Listennummer 0308, Band 1914-VI, 7. Januar 1915; Bundesarchiv Berlin Mail von Sabine Gresens vom 16.7.2025, Bach Mitgliederkartei NSDAP R9361-VIII Kartei 19370698 Max Rudolf Schmerler; Alfred Gottwald und Diana Schulle, Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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