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Rebecka Cohn * 1881
Bieberstraße 6-12, ehemals Israelitische Töchterschule, heute Unigelände (Eimsbüttel, Rotherbaum)
HIER LEHRTE
REBECKA COHN
JG. 1881
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
further stumbling stones in Bieberstraße 6-12, ehemals Israelitische Töchterschule, heute Unigelände:
Eva Kissinger, Therese Loewenthal, Flora Rosenbaum
Rebecka Cohn, geb. 26.6.1881 in Hamburg, am 11.7.1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet
Husumer Straße 2
Bieberstraße 6
Zwei Stolpersteine erinnern in Hamburg an die jüdische Lehrerin Rebecka/Rebecca Cohn. Der Stein vor der Israelitischen Höheren Mädchenschule in der Bieberstr. 6 nennt ihren Vornamen "Rebecka" so, wie er in ihrer Geburtsurkunde steht, während sie auf dem anderen, vor ihrem letzten frei gewählten Wohnort in der Husumer Str. 2 verlegten Stolperstein "Rebecca" genannt wird.
Ihr Vater Selig Cohn war am 7.9.1847 in Lübeck-Moisling zur Welt gekommen und hatte sich als Geldwechsler und Lotterie-Kollekteur in Hamburg am Hopfenmarkt 28 niedergelassen. Bis zu seinem Tode gehörte ihm die Bankfirma Cohn & Salomon in der Görttwiete 25. (Ein Lotterie-Kollekteur war im 19. Jahrhundert ein staatlich lizensierter selbständiger Geschäftsmann, der Lose vertrieb. Wegen ihrer besonderen Kenntnisse und Erfahrungen im Geld- und Bankwesen wurden solche Lizenzen gern an jüdische Geschäftsleute vergeben, die es dadurch häufig zu beträchtlichem Wohlstand brachten.)
Verheiratet war er mit der am 11.11.1851 in Hamburg geborenen Auguste Salomon. Das Ehepaar bekam in Hamburg drei Kinder: Helene (*18.2.1878 - 19.3.1879), Rebecka (28.6.1881 - Auschwitz) und Albert A(h)ron (*9.8.1882 - 3.3.1941 Camp de Noé, Dept. Haute Garonne).
Nach dem frühen Tod Selig Cohns am 19.5.1891 während eines Kuraufenthalts in Travemünde zog seine Witwe mit den beiden noch unmündigen Kindern 1891 vom Hopfenmarkt 28 in die Grindelallee 84 und am 28.10.1893 zur Rutschbahn 33. Die Vormundschaft über die minderjährigen Kinder wurde laut Aktenzeichen A.I. 3887/34 vom 22.7.1899 der Mutter zugesprochen. In der Rutschbahn 33 lebte sie zusammen mit ihnen, auch als sie schon volljährig waren, bis zu ihrem Tod am 6.2.1912. Danach gaben die Kinder die Wohnung auf und gingen jeweils eigene Wege.
Rebecka Cohn blieb ihr Leben lang unverheiratet. Sie führte ein unspektakuläres Leben und wohnte zunächst in der Isestr. 66 bei Seelig, dann in der Hochallee 124 und schließlich in der Husumer Str. 2 bei Levy. Von 1901 bis 1931 arbeitete sie als Lehrerin an der Israelitischen höheren Mädchenschule (ab 1912 Lyzeum) in der Bieberstr. 6 - 12. Diese von den Töchtern strenggläubiger und begüterter Eltern besuchte Schule genoss einen sehr guten Ruf wegen ihres anspruchsvollen Niveaus. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet sie allerdings zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten und musste 1931 aufgelöst werden.
Wie auch fast alle Schülerinnen wechselte Rebecka Cohn zur Israelitischen Töchterschule in die Carolinenstr. 35. Noch im Oktober 1941 wurde diese letzte jüdische Schule in Hamburg von 343 Kindern besucht. Auch als Rebecka Cohn nicht mehr im Schuldienst stand, unterrichtete sie weiter, bis am 30.6.1942 alle jüdischen Schulen im Deutschen Reich geschlossen wurden.
Ihre rechtzeitig nach Palästina ausgewanderte Kollegin Lotte Popper charakterisierte in ihren Erinnerungen Rebecka Cohn mit folgenden Worten: "Rebecka Cohn, geboren 28.6.81 in Hamburg, nach Auschwitz transportiert am 11.7.42. Sie war den Jahren nach die älteste Lehrerin der Schule, zeichnete sich durch einen unverwüstlichen Humor aus und amüsierte sich selbst über ihren Spitznamen "die kleine Cohn", den sie ihrem ungewöhnlich kleinen Wuchs verdankte."
Wo Rebecka Cohn ihre Ausbildung zur Lehrerin absolviert hatte, war nicht festzustellen. In den Verzeichnissen über die 1. und 2. Lehrerprüfung in Hamburg war sie nicht zu finden.
Der Jüdischen Gemeinde Hamburgs war Rebecka Cohn am 21.6.1923 als selbstständiges Mitglied beigetreten. Dass sie keineswegs wohlhabend war, geht aus einem Vermerk auf ihrer Kultussteuerkarte hervor, demzufolge sie ihren Gemeindebeitrag zeitweise nur in Raten zahlen konnte. Auch in der Wiedergutmachungsakte nach Kriegsende heißt es dazu: "das nicht sehr hohe Einkommen der Erblasserin als Lehrerin (lässt) auf einen verhältnismäßig kleinen Haushalt im gewöhnlichen Durchschnittswert schließen."
Rebecka Cohn erhielt für den Transport am 11.7.1942 den Deportationsbefehl in der Grindelallee 23. Das Ziel der Deportation wurde geheim gehalten. Erst später wurde offenkundig, dass es nach Auschwitz ging. Der Ortsname war zu dieser Zeit kaum bekannt und hatte noch keine Bedeutung. Aufzeichnungen über diesen Transport existieren nicht, vermutlich wurden die Ankömmlinge sofort im Gas ermordet.
Rebecka Cohn wurde mit Datum vom 9.5.1945 für tot erklärt.
An ihren Bruder Ahron Albert Cohn erinnert ein Stolperstein am Großneumarkt 56 (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).
Ahron Albert Cohn verließ Hamburg 1913 und meldete sich nach Italien ab ("soll in Palermo aufhältlich sein"), kehrte im Oktober 1914 nochmals zurück und lebte kurz in der Rappstr. 15 bei Heinsohn. Danach findet sich in Hamburg von ihm keine Spur mehr.
Am 18. März 1915 wurde er als Rekrut zum Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 59 der Königl. Bayrischen Infanterie nach München eingezogen und bei der Bewachungskompanie 1 B 48 Lechfeld und als Dolmetscher im Kriegsgefangenenlager Puchheim eingesetzt. Während dieser Dienstzeit lernte er wohl seine spätere Ehefrau Bella Paula Wurzinger (*29.4.1900 Ansbach/Bayern) kennen. Ort und Datum der Heirat sind bislang unbekannt.
Das Ehepaar zog nach Palermo, wo am 11.9.1922 ihr einziges Kind Anita zur Welt kam. Nach deren Geburt finden sich fast 18 Jahre lang keine Hinweise auf den Verbleib der Familie. Erst im Sommer 1940 tauchte sie in Nizza wieder auf. Ahron Albert Cohn soll in Palermo wie später in Nizza als Kaufmann, Dolmetscher und Prokurist einer Exportfirma gearbeitet haben. Er wurde auf französischem, seit 1940 deutsch besetzten Gebiet im Juni 1940 verhaftet und in das Lager Gurs überstellt. Offenbar erkrankte er, wurde in die Krankenstation im Lager Noé verlegt und starb dort am 3.3.1941.
Seiner Witwe gelang mit der Tochter Anita und ihrem Schwiegersohn, dem Kaufmann Ludwig/ Louis Rozsa (*14.11.1907 Bratislava) 1942 die Flucht in die Schweiz. Die drei lebten dort von Januar 1943 bis Januar 1945 durchgehend in Ruvigliana am Luganer See im Flüchtlingsheim Monte Brè und arbeiteten im Ort.
Anita und Ludwig/Louis Rozsa wanderten danach zusammen mit Anitas Mutter Bella Paula Cohn als Staatenlose in die USA aus, wo Anita Rozsa 1956 eingebürgert wurde.
© Heidi und Heinz-Otto Haag
Quellen: Staatsarchiv Hamburg, 522-1. 992b, Kultussteuerkarten Rebecka Cohn und Ahron Albert Cohn; 232-1 Nr. 3468, Vormundschaftsakten Rebecka und Ahron Albert Cohn; 213-13_6453 Cohn, Rebecca; 213-13_6454 Rozsa, Anita, geb. Cohn; 522-1_778 Hertz-Joseph-Levy-Stift, Protokollbuch; 361 – 2, Oberschulbehörde, Höheres Schulwesen, Israelitische Mädchenschule (Lyceum), Zweite Lehrerprüfung, Namenslisten; 731/1 1586, Handschriftensammlung – Lotte Popper, Israelitische Höhere Mädchenschule, Hamburg, Bieberstrasse 4; Zeitschrift der GEW Hamburg 10-11/05, Von den Nazis ermordete Hamburger Lehrkräfte; Ursula Randt, Zur Geschichte des jüdischen Schulwesens in Hamburg, in: Ina Lorenz (Hg.), Zerstörte Geschichte, Hamburg, S. 76-106; Deutsches Exilarchiv Frankfurt/M, Nachlass Leon Hirsch; Stadtarchiv Ansbach, Auskunft Herr Bork am 28.04.2025; Stadtarchiv München (Hrsg.), Andreas Heusler Bearbeiter, Biographisches Gedenkbuch der Münchner Juden: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?; Stadtarchiv Alès, Dept. Gard, Frankreich, Auskunft vom 26.11.2024: Handelskammer Hamburg, Registerauszug Albert Cohn; Einbürgerungsurkunde (Alien Registration), US District Court Brooklyn, N.Y. 1956; Gemeindearchiv Aeugst am Albis, Kanton Zürich, Einwohnerkontrolle; Staatsarchiv Genf, Mitteilung vom 16.12.2024; Schweizer Bundesarchiv Bern, Dossier E4264#1985/196#6216*; Ruth Fivaz-Silbermann, Genf, Mitteilung am 18.01.2025; Arolsen Archives: - Ahron Albert Cohn, Dok-ID 5159382 Verstorbene im Lager Noé,
- Bella Paula Cohn, Dok-ID 81726965 Passagierlisten über emigrierte Personen, - Anita Cohn, Dok-ID 78775960 und 78775975 F-18-Listen, - Louis Rozsa, Dok-ID 78775960 und 78776054 F 18-Listen.

