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Bianca Fontheim * 1894
Steinwegpassage 28 (Hamburg-Mitte, Neustadt)
HIER WOHNTE
BIANCA FONTHEIM
JG. 1894
DEPORTIERT 1941
ŁODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET 10.5.1942
further stumbling stones in Steinwegpassage 28:
Henry Koppel, Therese Lewin, William Salomon, Alfred Samenfeld
Bianca Fontheim, geb. am 25.1.1894 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz, weiterdeportiert am 10.5.1942 in das Vernichtungslager Chelmno
Steinwegpassage 28
Bianca Fontheim wurde am 25. Januar 1894 als zweites Kind des jüdischen Ehepaares William Fontheim (geb. 25.6.1853), und Blume/Bertha, geb. Levy (geb. 31.7.1864) in der Hamburger Neustadt in der Wexstraße 24 geboren. Ihre Eltern hatten am 16. Februar 1888 in Altona geheiratet und wohnten in den ersten beiden Ehejahren in der Lindenstraße 7, wo die älteste Tochter Helga am 1. Mai 1889 zur Welt kam. (Die nach den beiden geborene Schwester Wally Johanna (geb. 24.8.1901), starb wenige Monate nach der Geburt am 8. Oktober 1901).
William Fontheim kehrte 1890 mit seiner Familie aus der Lindenstraße an seinen alten Wohnort in die Wexstraße 24 zurück. Bereits vor der Eheschließung, im Jahre 1884 hatte er sich dort im Haushalt seines Vaters Julius Moses Fontheim, (1810-1891) und dessen zweiter Frau Hannchen Hendel, geb. Berenburg (1831-1900), mit einem "Tricots [Trikot] und Theater-Manufakturwarenlager" selbstständig gemacht. Später kamen "Atlassen" [glänzendes Seidengewebe], "Gold- und Silber-Besatz-Artikel" [Bordüren] sowie "sämtliche Theaterstoffe" im Sortiment hinzu. (William Fontheims Mutter Henriette, geb. Ahrend war am 2. September 1854, ein Jahr nach seiner Geburt, verstorben.
1896 verließ Familie Fontheim die Neustadt und zog in die Hamburger Vorstadt St. Pauli, in die Sophienstraße 46, II (heute Detlev-Bremer-Straße). 1899 wohnten sie an der Reeperbahn 91, III (1900 erhielt das Haus die Nr. 64). Und zwei Jahre später im Haus Reeperbahn 13, II. 1918 erfolgte ein weiterer Umzug in die Eimsbüttelerstraße 45 (heute Budapester Straße). Mit den Umzügen änderten sich im Laufe der Jahre auch die Gewerbe Bezeichnungen: "Künstleragentur und Lieferant von Theaterstoffen", "Künstler- und Theateragent", "Internationale Künstler-Agentur für Zirkus, Variété, Cabarét und Ballhäuser" und zuletzt "Artistischer Berater" ließ William Fontheim in den Hamburger Adress- und Telefonbüchern eintragen.
Trotz des Glanzes der Theaterwelt, in der sich ihr Vater geschäftlich bewegte, dürfte Bianca Fontheim’ Kindheit keine unbeschwerte gewesen sein. Sie war mit einer "Hüftverrenkung" ("Coxa valga") und einem "verkrüppelten Fuß" zur Welt gekommen. Sie litt unter schmerzhaften chronischen Hüftgelenkentzündungen und musste orthopädische Schuhe tragen. Im Erwachsenenalter konnte sie weder eine Erwerbstätigkeit, noch schwere Hausarbeit verrichten. Nachdem Tod ihrer Mutter, die am 13. Juli 1930 im Jüdischen Krankenhaus in der Eckernförderstraße 4 (heute Simon-von-Utrecht-Straße) verstarb, gab ihr Vater die Wohnung in der Eimsbüttelerstraße auf und zog mit Bianca über die Kielerstraße 85 I in die Wilhelminenstraße 68 (heute Hein-Hoyer-Straße).
Etwa ab diesem Zeitpunkt erhielt Bianca eine geringe finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln. Am 11. Dezember 1934, verstarb auch ihr Vater im Alter von 81 Jahren. Bianca Fontheim war jetzt auf sich allein gestellt. Es folgten Untermietverhältnisse in der Annenstraße 6, am Karl-Muck-Platz 14, in der Paulinenstraße 15 und wieder in die Wilhelminenstraße Haus-Nr. 65. Nach einem Fürsorgebericht waren die Zimmer mit eigenen Möbeln "ordentlich gehalten". Bianca Fontheim’ letzte Hamburger Adresse war dann wieder in der Hamburger Neustadt in der Steinwegpassage 28, dort wohnte sie bei Therese Lewin (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).
An dieser Adresse erhielt sie ihren "Evakuierungsbefehl" und die Aufforderung, sich am 24. Oktober 1941 im Logenhaus an der Moorweide einzufinden. Sie wurden mit dem ersten großen Transport, der Hamburg am 25. Oktober 1941 vom Hannoverschen Bahnhof am Lohseplatz verließ, ins Getto von Lodz deportiert, das von den Nationalsozialisten in "Litzmannstadt" umbenannt worden war.
Im Getto Lodz erhielt Bianca Fontheim eine Unterkunft in der Königsberger Straße 11-13 / 5, dort wurde sie als "Kartoffelschälerin" registriert. Eine Arbeitsstelle zu haben und damit entsprechende Lebensmittelrationen zu erhalten, war im Getto überlebenswichtig. Am 26. Februar 1942 war sie aber offenbar so gebrechlich, dass sie ins "Greisenheim" in die Kreuzstraße 2a verlegt wurde. Als Beruf wurde jetzt "Hausfrau" notiert, vermutlich hatte sie zuletzt keine "nutzbringende" Arbeit mehr verrichten können.
Im Getto Lodz wurden im Mai 1942 Transporte zur "Aussiedlung" der im Herbst 1941 eingetroffenen deutschen Juden zusammengestellt. Ziel der irreführenden Bezeichnung war der Transport in das 60 Kilometer entfernte Vernichtungslager Chelmno (Kulmhof) und die sofortige Ermordung in den dort bereitstehenden Gaslastwagen.
Auf der "Hauskarteikarte" der Kreuzstraße 2a ist vermerkt, dass Bianca Fontheim am 10. Mai 1942 aus dem Getto "ausgesiedelt" wurde.
Sie wurde 1952 durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg auf Ende des Jahres 1945 für tot erklärt.
Ihre Schwester Helga Fontheim hatte am 28. März 1912 den nichtjüdischen Handlungsgehilfen Hans Wilhelm Friedrich Hormann, (geb. 27.10.1883) geheiratet. Sohn Paul Günther wurde am 21. April 1914 in Großflottbeck geboren. Die Ehe hielt nicht und wurde im August 1919 geschieden. Am 21. Oktober 1919 heiratete sie in zweiter Ehe den ebenfalls nichtjüdischen "Ober-Ingenieur" Robert Paul Schröter (geb. 20.10.1886 in Werderthau/Bitterfeld, gest. 1959 in Wedel). Tochter Inge Augusta wurde am 4. September 1921 in Gerthe (Stadtteil von Bochum) geboren. Nach der Volkszählung im Mai 1939 wohnte Helga Schröter mit ihrer Familie in der Rathmannsdorfer Chaussee 1, in Leopoldshall (heute ein Stadtteil von Staßfurt im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt). Helga Schröter überlebte die nationalsozialistische Verfolgung in einer sogenannten "privilegierten" Mischehe, sie verstarb am 6. April 1946 in Leopoldshall.
© Susanne Rosendahl
Quellen: 1; 4; StaH 332-5 Standesämter 5902 u 107/1888; StaH 332-5 Standesämter 6257 u 1530/1889; StaH 332-5 Standesämter 13561 u 2246/1901; StaH 332-5 Standesämter 966 u 261/1930; StaH 332-5 Standesämter 1024 u 475/1934; StaH 332-5 Standesämter 3197 u 141/1912; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1158 (Fontheim, Bianca); ancestry: Sterberegister Hannchen Hendel Fontheim Urkunden Nr. 63 am 18.1.1900; 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; Auskunft aus dem United States Holocaust Memorial Museum, E-Mail vom 11.5.2018 und 1.4.2025; Hallesche Zeitung Landeszeitung für die Provinz Sachsen für Anhalt und Thüringen, vom 22.12.1926, online Zugriff 21.5.2025; Hamburger Fremden-Blatt, Nr. 48, 57. Jahrgang, Erstes Quartal 1885, online Zugriff 21.5.2025; mappingthelives.org/ Zugriff 21.5.2025; Diverse Telefon- und Adressbücher Hamburg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".