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Traudel Passburg * 1940

Langenhorner Chaussee 560 (Hamburg-Nord, Langenhorn)


ERMORDET IN DER
"KINDERFACHABTEILUNG"
DER HEIL- UND PFLEGEANSTALT
LANGENHORN

TRAUDEL PASSBURG
GEB. 3.5.1940
ERMORDET 30.4.1942

further stumbling stones in Langenhorner Chaussee 560:
Gerda Behrmann, Uwe Diekwisch, Peter Evers, Elke Gosch, Claus Grimm, Werner Hammerich, Marianne Harms, Hillene Hellmers, Helga Heuer, Waltraud Imbach, Inge Kersebaum, Hella Körper, Dieter Kullak, Helga Liebschner, Theo Lorenzen, Jutta Müller, Ingrid Neuhaus, Edda Purwin, Angela Quast, Erwin Sänger, Hermann Scheel, Gottfried Simon, Monika Ziemer

Traudel Passburg, geb. am 3.5.1940 in Hamburg, getötet am 30.4.1942 in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn"

Asklepios-Klinik Nord-Ochsenzoll, Henny-Schütz-Allee, Gedenkort Haus 25, Einfahrt Langenhorner Chaussee 560

Traudel Passburg kam am 3. Mai 1940 in Hamburg zur Welt. Sie war die Tochter von Anni Louise Auguste, geb. Haulsen, und Robert Alexander Georg Passburg, Zeichner bei den Holsatia-Werken Heinz Meyer, und evangelisch getauft. Es war eine schwere Geburt, ausgehend von einer Steißlage und mit "multiplen Frakturen der Röhrenknochen". In der Universitätsklinik Eppendorf wurde eine "Knochenkrankheit" diagnostiziert. Bereits ihr 1937 geborener Bruder Paul-Joachim war daran erkrankt und im Alter von drei Wochen am 18. Mai 1937 an der "Osteogenesis" (Glasknochenkrankheit) gestorben. Bei beiden schweren Schwangerschaften hatte die Mutter "Hepatrat" bekommen. Traudel blieb zunächst vier Monate in der Universitäts-Kinderklinik Eppendorf und wurde mit abgepumpter Muttermilch ernährt.

Mit sieben Monaten, am 20. Dezember 1940, kam Traudel wieder zur Untersuchung in die Universitäts-Kinderklinik Eppendorf. Neben einem Nasen-Rachen-Infekt wurde eine Fraktur am rechten Oberarm festgestellt und dass die Oberarme und Oberschenkel stark verkrümmt waren. Ansonsten entsprach der Entwicklungsstand einem gleichaltrigen Kind. Am 6. Januar 1941 konnte sie nach Hause in den Eidelstedtedterweg 107 entlassen werden. In der folgenden Zeit behandelte sie Dr. Ricken, seine Praxis befand sich im Heußweg.

Ein Jahr später, am 10. Februar 1942, wurde Traudel mit dem Attest des Hauptgesundheitsamts und der Diagnose "angeb. Lebensschwäche" in die "Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn", Haus M 10, eingewiesen.

In einem Schreiben vom 23. März 1942 an den "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden" in Berlinmachte der zuständige Arzt Dr. Knigge seine Haltung zu der weiteren Behandlung deutlich: "Die Sprache des Kindes ist leidlich entwickelt, im Wesen ist es, wenn es keine Schmerzen hat, heiter und freundlich und zeigt viel Interesse für seine Umgebung. […] Ich habe keine Bedenken, eine Behandlung des mit schwersten Erscheinungen der ‚Osteogenesis imperfecta‘ [Glasknochenkrankheit] behafteten Kindes möglichst bald einzuleiten. gez. Dr. Knigge, Leitender Arzt der Kinderabteilung."

Traudel Passburg wurde in der "Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn" getötet. Sie verstarb am 30. April 1942 um 8:00 Uhr in Haus M 10 Frauenabteilung II. In der Todesbescheinigung gab Dr. Knigge als Todesursache "Osteogenesis congenita imperfecta Bronchopneumonie" an. Knigge tötete mit Luminal-Injektionen, einem Schlafmittel. Fieber und eine Lungenentzündung waren die Folge; die Kinder erlitten einen langsamen und qualvollen Tod. In den meisten Todesbescheinigungen, wie auch bei Traudel, deutet der Zusatz "Bronchopneumonie" auf diese Tötung hin.

Traudel wurde 1 Jahr, 11 Monate, 3 Wochen und 6 Tage alt. Der Ort ihrer Beisetzung ist nicht bekannt.

Im Juli desselben Jahres stellte ihre Mutter bei dem Frauenarzt Dr. med. W. Schütz einen Antrag auf Sterilisation. Ihr Arzt forderte dazu die Krankenakten über die verstorbenen Kinder an. Knigge antwortete dem Frauenarzt, Traudels Mutter am besten gleich an das Gesundheitsamt Graumannsweg zu verweisen.

Nach dem Krieg gab Friedrich Knigge am 18. Januar 1946 in der Strafsache gegen ihn und andere wegen Mordes bzw. Sterbehilfe in der "Kinderstation" des Krankenhauses Langenhorn in einer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter beim Landgericht Hamburg zum Fall Traudel Passburg als Rechtfertigung an: "Es wurde durch ein Röntgenverfahren festgestellt, daß bei dem Kinde 40 Knochenbrüche eingetreten waren. Durch diese zahlreichen Knochenbrüche war es zu einer Verkürzung der Arme und Beine gekommen. […] Bei dieser Krankheit entstehen die Knochenbrüche, die die Zahl von über 100 erreichen können, spontan und nicht etwa durch ungeschickte Bewegung. Die Knochenbrüche waren hier bei Bewegungen im Bett entstanden ohne daß das Kind vorher gelaufen hätte. Es war damit zu rechnen, daß weitere Knochenbrüche bei der geringsten Bewegung auftreten würden. Die Lebensdauer eines solchen Kindes ist selbstverständlich sehr begrenzt. Vor allem ist das Dasein mit furchtbaren Qualen behaftet. Es war ja kaum anzunehmen, daß dieses Kind viel älter werden würde wie etwa 2 oder 3 Jahre. Eine Schwester [richtig: ein Bruder, M.L.] war an derselben Krankheit schon im Alter von 3 Wochen verstorben. In diesem Falle konnte man die Erlösung des Kindes von seinem Leiden nur mit Widerstreben noch hinauszögern. Ich beantragte deswegen in dem schon erwähnten Schreiben die Genehmung [Genehmigung] zur Euthanasie-Behandlung. Nachdem dieselbe eingetroffen war, habe ich die ‚Behandlung‘ vorgenommen. Die Mutter äußerte schon bei ihrem ersten Besuch daß etwas getan werden müsse um die furchtbaren Leiden des Kindes abzukürzen. Sie war natürlich mit einer ‚Behandlung‘ einverstanden."

Als Zeugin vor Gericht erklärte Traudels Mutter Anni Passburg am 3. Februar 1948 vor dem Untersuchungsrichter: "Im Herbst 1940, bald nachdem Traudel aus dem Krankenhaus Eppendorf nach Hause geholt wurde, kam ein Amtsarzt vom Gesundheitsamt Graumannsweg in mein Haus, um sich das Kind anzusehen. Er stellte sich vor und sagte, daß er einen Besuch machen wolle. Der Name des Arztes war mir nicht bekannt. Der Arzt war meines Erachtens mindestens 70 Jahre alt und von kleiner Statur [Prof. Sieveking]. Über den Befund an dem Kind äußerte er sich nicht sondern sagte nur: ‚Schade um das Kind.‘ Im Jahre 1941 war zwei oder drei Mal der Amtsarzt Dr. Griewe [richtig: Grieve] vom Gesundheitsamt Besuch machen. Ich fragte Dr. Griewe, was mit dem Kind zu machen sei, da ich doch sah, dass aus dem Leben meines Kindes nichts wurde. Bei einem der Besuche fragte mich Dr. Griewe, ob ich das Kind zu einer Behandlung in eine Anstalt geben würde, wenn man dieserhalb an mich herantreten würde. Ich entgegnete, daß ich ‚ja‘ sagen würde, weil ich täglich sah, daß aus meinem Kind nichts mehr wurde und irgendwas unbedingt geschehen mußte. Ich habe nie gefragt, was mit meinem Kind gemacht wird, da ich das garnicht wissen wollte. Ich fragte Dr. Griewe ob die Behandlung von Erfolg sein würde, da ich mir von der Sache nichts verspräche. Dr. Griewe zuckte die Achseln und meinte, wir wollen das Beste hoffen. Ich sagte darauf: ‚das wünsche ich auch.‘ Im Januar 1942 kam Dr. Griewe erneut zu mir und fragte mich, ob ich jetzt bereit sei, das Kind zur Behandlung in die Anstalt Langenhorn zu geben. Als ich mein Einverständnis erklärte, erwiderte Dr. Griewe, daß ich das Kind am Dienstag nach Langenhorn bringen solle. […] Weder Dr. Griewe noch Dr. Knigge haben mir darüber gesagt, daß sie mit dem Kind eine Behandlung vornehmen wollen, die außerordentlich gefahrvoll ist. […] Ich will abschließend noch einmal sagen, daß ich das Kind nach unseren Erfahrungen für unheilbar gehalten und mir nichts von einer Behandlung versprochen habe. Wenn die Ärzte dennoch eine Behandlung vornehmen wollten, so stimmte ich zu, weil ich mir nicht vorwerfen wollte, die letzte Möglichkeit versucht zu haben, eine Besserung des Leidens des Kindes herbeizuführen. Mir ist aber nicht der Gedanke gekommen und ich habe gegenüber den Ärzten auch in keiner Weise durchblicken lassen, daß ich einverstanden wäre, wenn dem Kinde Sterbehilfe gewährt werden würde."

© Margot Löhr

Quellen: StaH, 213-12 Staatsanwaltschaft, 0013 Bd. 060 Sonderakte Bd. 40, Schirbaum, Gottfried u. a., 013/060, Akte 29462, 0017 Bd. 001, Bayer Dr. Wilhelm, u. a., S. 72, 150 f., 225 f.; StaH, 332-5 Standesämter, Sterbefallsammelakten, 64217 u. 364/1942 Traudel Passburg; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9933 u. 364/1942 Traudel Passburg; StaH, 352-5 Standesämter, Todesbescheinigungen, 1942 Sta 1b Nr. 364 Traudel Passburg; StaH, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn, Abl. 2000/01 Nr. 4 Akte 29462; Standesamt Hamburg 1a, Geburtsregister, Nr. 756/1940 Traudel Passburg.

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