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Bereits verlegte Stolpersteine



Alfred Hammer * 1936

Grindelallee 153 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Lodz

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 153:
Gittel Adolf, Barthold Goldschmidt, Reisel Hammer, Joseph (Josef) Hammer, Martha Münden, Dr. Max Münden

Reisel Hammer, geb. Apter, geb. 3.5.1912 in Wisnicz (Polen), deportiert am 25.10.1941 nach Lodz
Alfred Hammer, geb. am 21.10.1936 in Hamburg, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz
Josef Hammer, geb. 16.12.1907 in Krakau (Polen), deportiert am 25.10.1941 aus dem KZ Sachsenhausen nach Lodz, von da aus ins KZ Groß Rosen (1942), dann wahrscheinlich im Vernichtungslager Auschwitz, ermordet [für ihn wurde bisher noch kein Stolperstein verlegt].

Josef Hammer wurde als dritter Sohn von Moses und Lotte Hammer in Krakau geboren, er hatte drei Brüder und eine Schwester. Wahrscheinlich kam Familie Hammer 1913 nach Hamburg, seit dieser Zeit war Josefs Vater Moses als Textilwaren- Großhändler in Hamburg ansässig. Moses konnte 1938 nach Santiago de Chile emigrieren. Josefs jüngerer Bruder Samuel, sowie seine jüngere Schwester Regina gingen 1932 bzw. 1934 ebenfalls aus Deutschland fort. Bruder Hermann Tzvi (geb. 26.6.1906, ermordet, wo und wann unbekannt) wurde in Hamburg seit 1925 besteuert, spätestens zu dieser Zeit dürfte auch Josef in Hamburg gelebt haben.

Josef heiratete (wohl am 15.1.1930) die ebenfalls in Polen geborene Rosa Apter, die auch Rosel oder Reisel genannt wurde. Sie war am 3.5.1912 in Wisnicz geboren und hatte einen Bruder und zwei Schwestern, von denen eine, Chana, später in Berlin lebte. Chana Berger und zwei ihrer drei Töchter wurden zu unbekanntem Zeitpunkt ermordet. Die anderen Mitglieder der Familie Apter, die in Polen verblieben waren, konnten überleben.

Josef und Reisel wohnten in der Bartelsstrasse 5 in St. Pauli. Am 21.10.1936 wurde ihr Sohn Alfred geboren. Josef führte an seiner Wohnadresse ein Abzahlungsgeschäft und handelte wie sein Vater mit Textilwaren. Möglicherweise arbeitete er mit seinem älteren Bruder Wolf zusammen, der eine "Textilwaren Großhandlung" in der Bieberstrasse 2 betrieb. Diesem (geb. 9.11.1904), gelang im Juli 1939 mit seiner Frau Siema und den zwei kleinen Söhnen Bernhard und Friedel die Flucht nach Großbritannien.

1935 war Josef wohl in im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert, 1936 musste er von der Wohlfahrt unterstützt werden. Reisel war Hausfrau, arbeitete wohl aber auch als Buchhalterin, wahrscheinlich in der Firma ihres Mannes.

Am 28. Oktober 1938 wurden Josef, Reisel und Alfred wie ca. 1000 andere Hamburger Juden polnischer Herkunft, sogenannte "Ostjuden", verhaftet und mit der Eisenbahn nach Polen gebracht. Auslöser für diese Transporte nach Polen, die insgesamt 17.000 in Deutschland lebende Juden polnischer Herkunft betrafen, war die Drohung der polnischen Regierung, die Pässe der Auslandsjuden nicht zu verlängern. Damit wären diese "staatenlos" geworden und die NS- Regierung befürchtete, dass tausende "Ostjuden" somit dauerhaft in Deutschland bleiben könnten. Ohne Vorwarnung wurden deshalb am 28.10.1938 in der so genannten "Polenaktion" auch Josef, Reisel und Alfred von Altona nach Zbaszyn (Bentschen) in Polen gebracht. Monatelang vegetierten die Abschiebehäftlinge im Niemandsland auf dem Grenzstreifen, weil Polen sich weigerte, sie einreisen zu lassen. Einige erhielten die Erlaubnis, befristet nach Deutschland zurückzukehren, um geschäftliche Angelegenheiten abzuwickeln. Dazu zählte nach acht Monaten auch Josef.

Bis dahin kümmerte sich sein Bruder Wolf als "Abwesenheitspfleger" um seine Belange. Dieser musste deshalb am 20. März 1939 der Devisenstelle Hamburg eine Auflistung seiner Ausgaben für seinen Bruder zusenden. Der Reichsbankhauptstelle war nämlich aufgefallen, dass Wolf Hammer im November 1938 "Bekleidungsstücke im Gewicht von rund 100 kg nach Polen versandt" hatte. Deshalb stellte die Reichsbankhauptstelle der Devisenstelle "ergebenst anheim, Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Genannte auszuwandern beabsichtigt" und regte an, "ihm gegebenenfalls weitere Versendungen in das Ausland zu verbieten". Wolf Hammers Aufstellung über die Ausgaben, die er für seinen Bruder tätigte, beinhalteten Mietzahlungen, Geld für sechs Koffer und für Telefongespräche zwischen Hamburg und Zbaszyn und anderes mehr. Er musste auf Nachfrage noch in einem Schreiben vom 30. März 1939 aufführen, was unter "diversen Waren" im Wert von 133,30 zu verstehen sei: nämlich Hemden, Schuhe und ein Anzug.

Am 28. Juni 1939 kehrte Josef nach Hamburg zurück und musste sich bei der Polizei anmelden. Reisel und Alfred waren in Polen geblieben, und Josef äußerte den Wunsch, die beiden nachholen zu können, um mit ihnen auszuwandern. Er erhielt eine Aufenthaltsgenehmigung für acht Wochen, in denen er die Finanzangelegenheiten seiner Firma regeln sollte. Josef musste zugleich eine "Ausweisungsanordnung" unterschreiben; für sein Vermögen galt Paragraph 59 des Devisengesetzes, der besagte, dass Josef über seine Vermögenswerte nur noch mit Genehmigung der Devisenstelle verfügen durfte. In dem zu unterschreibenden Schriftstück wurde Josef erläutert: "Diese Anordnung erfolgt, weil Sie Jude sind und auszuwandern beabsichtigen. Nach den in letzter Zeit mit Juden gemachten Erfahrungen ist es notwendig, Verfügungen über das Vermögen mit Genehmigung zuzulassen." Josef wurde darauf hingewiesen, dass "Ihre Ehefrau und ihr Sohn Alfred devisenrechtlich Ausländer sind".

Es folgte ein Wettlauf mit der Zeit bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, den die Hammers verloren: Noch am gleichen Tag ging Josef zu der Hamburg- Amerika- Linie und erkundigte sich nach drei Plätzen auf der "MS Caribia", die am 26. August nach Dover fahren sollte. Er sollte ein Viertel der Reisekosten anzahlen, um sich die Plätze sichern zu lassen. Am 29. Juni 1939 musste Josef die Devisenstelle darum bitten, dass sein Bruder Wolf, der "Devisen-Inländer" war, ihm das Geld vorstrecken durfte. Er erhielt die Erlaubnis. Am 10. Juli 1939 schrieb Josef von der Grindelallee 153, in der auch Wolf wohnte, einen Brief an die Devisenstelle, in der er darum bat, Fahrgeld für Reisel und Alfred nach Zbaszyn zu senden. Zudem schickte er eine Aufstellung der Außenstände seiner Firma, die stattliche 10.000 Reichsmark betrug. Am 10. Juli bekam Josef die Genehmigung, Reisel und Alfred ein Reisegeld von 50,- RM zu schicken, damit auch sie endlich nach Hamburg zurückkehren konnten. Spätestens im August waren die beiden wieder in Hamburg und lebten mit Josef in der Grindelallee 153.

Am 27. Juli 1939 wurde der Diplomkaufmann Bernhard Hintz zum "Abwickler" des "Jüdischen Teilzahlungsgeschäftes Josef Hammer" bestellt. Von nun an verfügte er über Josefs Geld, und Josef musste bei ihm um die Auszahlung des Geldes, das er für seinen Lebensunterhalt benötigte, bitten. Am 7. August 1939 beantragte das Finanzamt St. Pauli- Eimsbüttel in einem Schreiben an die Gestapo eine "Unbedenklichkeitsprüfung" Josefs und Reisels, da sie die Absicht hätten, nach Polen zu gehen. Am 18. August bat Josef um Geld für Fahrkarten aus dem Reichsgebiet. Warum die geplante Schiffsreise nach Dover nicht angetreten werden konnte, bleibt unklar, vielleicht wegen der Kriegsgefahr oder aus anderen Gründen. Jedenfalls zog Josef am 24. August die Bitte um Fahrgeld zurück.

Am 19. September 1939 musste statt seiner Reisel um Geld bitten. Sie schrieb unter ihren Brief: "P.S. Mein Mann ist zur Zeit interniert." Polnische Juden, die sich nach dem Überfall auf Polen im September 1939 in Deutschland aufhielten, wurden in Konzentrationslager eingeliefert, wo sie unter besonders harten Haftbedingungen massenhaft starben. Josef wurde zunächst in das KZ Fuhlsbüttel gebracht. Am 1. März 1940 kam Josef vom KZ Fuhlsbüttel in das KZ Sachsenhausen in der Nähe von Berlin. Am 25. Oktober 1941 wurde er von dort nach Lodz deportiert.

Rosa erhielt am 15. November 1939 eine Vorladung der Devisenstelle wegen der bereits erfolgten Emigration seines Bruders Wolfs über dessen Vermögen befragt werden sollte. Der zuständige Beamte hatte in Wolfs Akte, auf Josefs Vorladung, notiert: "Wo ist das Silber?"

Das Verhältnis zwischen Wolf und Josefs Familie muss eng gewesen sein. Von London aus schenkte Wolf seiner Schwägerin Reisel am 14. Dezember 1939 zu Unterstützungszwecken dreißig Reichsmark. Es ist davon auszugehen, dass sie große Mühe hatte, für sich und Alfred zu sorgen.

Reisels Briefe mit der Bitte um Auszahlungen erreichten die Devisenstelle bis zum 4. Oktober 1941.

Auch Reisel und Alfred wurden am 25.10.1941 von Hamburg aus nach Lodz deportiert.

Am 29. Oktober.1941 wurden die Außenstände von Josef Hammer, "Aufenthaltsort unbekannt" vom "Beauftragten für den Vierjahresplan" beschlagnahmt.

Wie lange Reisel und Alfred im Ghetto Lodz überleben konnten, ist unklar. Ob sie vor ihrem Tod Josef noch einmal sehen konnten, ebenso. Josef wurde am 4. Februar 1942 aus Lodz in das KZ Groß Rosen gebracht. Vielleicht musste er dort in einem der Steinbrüche harte Arbeit verrichten. Möglicherweise verstarb er schon hier, möglicherweise auch in Auschwitz.

© Nora Bisanz

Quellen: StaH, 522-1, Jüdische Gemeinden, Film A22: Jüdische Gemeinden- Kultussteuerkarten 1913-1942, StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident Bd.1, FVg 2972 Bd.1, F 883, R 1938/1172 u. Bd.3, R 1939/2071; www.yadvashem.org, Central Database of Shoa Victim's Names, Gedenkblatt 1972 durch Bruder Samuel registriert; Hamburger Adressbuch 1937; Frank Bajohr: Von der Ausgrenzung zum Massenmord. Die Verfolgung der Hamburger Juden 1933-1945. In: Forschungsstelle für Zeitgeschichte (Hg.), Hamburg im "Dritten Reich", Göttingen 2005, S.471-518, hier: S.500; Beate Meyer: Das "Schicksalsjahr 1938" und die Folgen, in: Beate Meyer (Hg.) Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933-1945. Geschichte. Zeugnis. Erinnerung. Hamburg 2007², S.25-32, hier: S.25; Bundesarchiv Berlin. Liste der jüdischen Einwohner des Deutschen Reiches 1933-1945.

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