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Sophie, geb. Wulf, und Louis Stiefel
Sophie, geb. Wulf, und Louis Stiefel
© Privatbesitz

Louis Stiefel * 1874

Kurzer Kamp 6 Altenheim (Hamburg-Nord, Fuhlsbüttel)

1942 Auschwitz
ermordet

Weitere Stolpersteine in Kurzer Kamp 6 Altenheim:
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Sophie Stiefel, geb. Wulf, geb. am 24.6.1890 in Hamburg, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz und ermordet
Louis Stiefel, geb. am 29.12.1874 in Hamburg, deportiert am 11.7.1942 nach Auschwitz und ermordet

Kurzer Kamp 6

Sophie Wulf kam am 24. Juni 1890 in der Glashüttenstraße 114 auf die Welt, fünfeinhalb Jahre nach ihrer Schwester Hertha (geb. 15.12.1884). Sophies Mutter Mathilde, geb. Risch (geb. 31.10.1858), und ihr Vater Adolph Wulf (geb. 2.4.1851) hatten im November 1882 in ihrer gemeinsamen Geburtsstadt Hamburg geheiratet.Sophie Wulfs Großeltern väterlicherseits waren bereits verstorben, als sie zur Welt kam – Sophie Wulf, geb. Peine (geb. 1812), zu deren Erinnerung sie ihren Namen erhalten hatte, war ein Jahr zuvor, am 28. August 1889, und fünf Jahre vorher Jean Isaac Wulf (geb. 1803), am 19. Dezember 1885 gestorben (ihr Bruder sollte später nach seinem Großvater benannt werden). Beider Gräber befinden sich auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel Ohlsdorf, Grablage A 11, Nr. 115, Jean Wulf und Zy 11, Nr. 322, Sophie Wulf.

Auch den Großvater mütterlicherseits, den "Lotteriecollecteur" Philipp Risch (geb. 1817), konnte Sophie nicht mehr kennenlernen. Im Dezember 1876 war er bereits im Alter von 57 Jahren in St. Pauli, Mathildenstraße Nr. 5, verstorben.
Kurz nach Sophies Geburt meldete ihr Vater Adolph Wulf am 19. Juli 1890 sein Gewerbe als Kaufmann an. Die Familie wohnte am Rödingsmarkt 36, 1. Stock. Sophies Bruder Paul Jean wurde zwei Jahre nach ihr am 16. September 1892 geboren. Die jüngste Schwester Gertrud folgte am 7. März 1895. Das Ehepaar Wulf war Mitglied der Deutsch-Israelitischen Gemeinde. Für Sophie Wulf gehörte ein häufiger Wohnungswechsel zum Familienleben. 1896 befand sich die väterliche "Agentur und Commission" in Eimsbüttel, Rutschbahn 35. Am 21. Januar 1898 wurde Adolph Wulf die Hamburger Staatsbürgerschaft verliehen. Sophie war damals sieben Jahre alt und mit der Familie in die Neustadt, Gerhofstraße 29, 2. Stock, verzogen. Die Großmutter Eva Risch, geb. Heckscher, lebte als Witwe mit in ihrer Familie im Hamburger Neumarkt 44. Dort verstarb sie mit 75 Jahren, am 2. Juni 1900, kurz vor Sophies zehntem Geburtstag. Sie fand ihre letzte Ruhe auf dem Jüdischen Friedhof Ottensen.

Wir wissen nichts über Sophies Schulzeit oder eine eventuelle Ausbildung. Im Alter von 20 Jahren arbeitete Sophie Wulf als Kontoristin und wohnte zusammen mit ihren Eltern in der Rappstraße 20. Ihr Vater erlitt in dieser Zeit, kurz vor seinem 60. Geburtstag, einen Schlaganfall. Er wurde noch acht Tage ärztlich behandelt, dann verstarb er am 22. März 1911 nachmittags in der Wohnung seines Sohnes Paul, Roonstraße 32, 2. Stock. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel Ohlsdorf beigesetzt, Grablage ZY 10, Nr. 255. Sophie wohnte weiterhin mit ihrer Mutter zusammen; drei Jahre später verzogen sie in das Nachbarhaus, Rappstraße 18, 1. Stock. Es ist anzunehmen, dass Sophie Wulf dort bis zu ihrer Heirat mit Louis Stiefel lebte.

Louis Stiefel kam am 29. Dezember 1874 im Neuen Steinweg 26 auf die Welt. Zehn Monate zuvor war sein Bruder Benjamin als Säugling im Alter von neun Monaten verstorben.

Louis Stiefels Vater Koppel Stiefel (geb. 10.5.1846) stammte aus Abterode, Kreis Eschwege, Preußen. Er war der Sohn von Adelheid, geb. Grünheit, und dem "Handelsmann" Meier Stiefel. Koppel Stiefel war Schuhmacher und 1869 nach Hamburg gekommen. Zwei Jahre später hatte er am 4. Januar 1871 die Hamburgerin Elise Cohen (geb. 6.11.1841) geheiratet. Louis Stiefels Großvater mütterlicherseits, Simon Lazarus Cohen, war Bote, "Lotteriecollecteur" und verheiratet mit Angela, geb. Seatiel. Nach dieser Großmutter, deren Abstammung zu den portugiesischen Juden nach Holland führt, war Louis Stiefels älteste Schwester Angela benannt worden, die am 15. Januar 1872 im Neuen Steinweg 72 auf die Welt gekommen war.
Louis bekam noch vier weitere Geschwister: Jenny (geb. 10.3.1876), den in der Jacobstraße 17 geborenen Joseph (geb. 21.12.1877) sowie die in der Brüderstraße 26 geborene Martha (geb. 9.4.1881) und die jüngste Schwester Selma (geb. 9.6.1882). Louis Stiefel wuchs mit seiner Familie in der Hamburger Neustadt auf, dem Stadtviertel, in dem viele jüdische Kaufleute ihren Handel betrieben und ein häufiger Wohnungswechsel üblich war.

Als Louis’ Eltern mit ihren vier Töchtern und zwei Söhnen am 23. August 1892 in den Hamburger Staatsverband aufgenommen wurden, wohnten sie am Großneumarkt 24, 2. Stock. Louis wurde in diesem Jahr 18 Jahre alt. Seit einem Jahr verdiente sein Vater als Bote bei dem "Brüderlichen Hülfsverein" der Deutsch-Israelitischen Gemeinde den Lebensunterhalt für die Familie. Sein jährliches Einkommen versteuerte er mit 1.400,- bis 1.500,- Mark. Louis Stiefels Mutter war Köchin und führte einen koscheren Haushalt. Die Familie gehörte dem Deutsch-Israelitischen Synagogenverband in Hamburg an, der die orthodoxen Juden vertrat.

Louis Stiefels älteste Schwester Angela arbeitete als Hausangestellte und Verkäuferin und wohnte bei den Eltern. Am 19. Januar 1909 heiratete sie in Altona den Angestellten Karl Otto Ferdinand Kohlstädt, der zuvor zum Judentum übergetreten war. Nach der Hochzeit ihres Bruders Joseph verließ sie ihre Heimatstadt und verzog zu ihrem Ehemann nach Kiel in die Lüneburgerstraße 36, 2. Stock.

Im Alter von 36 Jahren brachte sie am 8. November 1909 in Hamburg, Schulterblatt 60, ihren gemeinsamen Sohn David Walter zur Welt.

Joseph Stiefel, der drei Jahre jüngere Bruder von Louis, war Vertreter von Beruf. Er besiegelte als erster die familiäre Verbindung zwischen den Familien Stiefel und Wulf. Am 11. Februar 1909 ehelichte er Hertha Wulf, die älteste Schwester von Sophie. Gemeinsam wohnte das Ehepaar mit den Eltern Stiefel und den Geschwistern Jenny, Martha, Selma und Louis Stiefel zunächst in der Dillstraße 20, 1. Stock. Im Dezember desselben Jahres wurde ihr Sohn Kurt geboren. Ein Jahr später verzog die junge Familie in die Roonstraße 36. Hertha und Joseph Stiefel bekamen noch zwei weitere Kinder, Adolf, genannt Adie (geb. 1917) und Lieselotte, genannt Lottie (geb. 1919).

Louis Stiefels Schwester Jenny arbeitete als Lageristin. Die jüngere Schwester Martha absolvierte eine Schneiderlehre und verdiente den Lebensunterhalt als Kontoristin. Im Februar 1912, sie war fast 31 Jahre alt, brachte sie ihren Sohn Walter zur Welt. Seinen nichtjüdischen Vater Kurt Bauer lernte Walter nicht kennen. Martha Stiefel war unverheiratet und wohnte bei ihrer Familie. Louis‘ Vater Koppel Stiefel verstarb kurz vor seinem 67. Geburtstag am 9. Mai 1913 in der gemeinsamen Wohnung. Wie auch Sophies Vater zwei Jahre zuvor erlitt er einen Schlaganfall. Ein halbes Jahr später, am 18. Dezember 1913, verstarb auch Louis Mutter Elise Stiefel in derselben Wohnung. Sie war 72 Jahre alt und hatte an Arteriosklerose gelitten. Beide fanden ihre letzte Ruhe auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel Ohlsdorf, Grablage ZX, Nr. 132/133.
Nach dem Tod der Eltern blieb Louis Stiefel zusammen mit seinen Schwestern Jenny, Martha und Selma in der Dillstraße wohnen.

Selma Stiefel heiratete am 12. Juli 1916 in Bremen standesamtlich den aus der Ukraine stammenden Joseph Zwienicki. In Hamburg waren sie von Oberrabbiner Samuel Spitzer vom Hamburger Synagogenverband der orthodoxen Juden getraut worden. In Bremen führte Selma einen koscheren Haushalt und baute zusammen mit ihrem Ehemann ein Fahrrad- und Motorradgeschäft auf. Anfangs stellte Joseph Zwienicki, ein technisch begabter Meister, Fahrräder unter der Marke "Republik" her. Selma war gelernte Kindergärtnerin. Ihre Ausbildung hatte sie im Fröbelseminar in Hamburg absolviert und zusätzlich auch eine Ausbildung als Kontoristin in einer großen Textilfirma abgeschlossen. Im Februar 1917 fuhr Jenny für einen Monat nach Bremen, vermutlich um ihre jüngste Schwester bei der Geburt ihres ersten Kindes zu unterstützen. Gerd Koppel Zwienicki wurde am 25. März 1917 in Bremen geboren. Er schreibt später in seinem Buch "Time of Terror", dass seine Mutter "die Seele des Geschäfts" genannt worden sei. Selma Zwienicki brachte in Bremen noch drei weitere Kinder zur Welt: Benno (geb. 1918), Liesel (geb. 1921) und Alfred Abraham (geb. 1925).

Nach der Heirat seiner Schwester Selma verzog Louis Stiefel mit seinen beiden Schwestern Jenny und Martha in den Grindelhof 62. Ab Februar 1918 wohnten die 42-jährige Jenny und die 36-jährige Martha, vermutlich mit ihrem fünfjährigen Sohn Walter, zusammen in dem Israelitischen Mädchenheim in der Grindelallee 42. Dieses Heim war vom Israelitischen Humanitären Frauenverein gegründet worden und stand unter der Leitung von Sidonie Werner. Frauen und Mädchen wurden dort mit der Führung eines koscheren Haushalts und Kindererziehung vertraut gemacht.

Am 21. Juni 1920 heirateten Sophie, geb. Wulf, und Louis Stiefel in Hamburg. Louis Stiefel war Angestellter bei der großen Klee- und Grassaaten Firma John Sülzer am Hafen, die weltweit Samen importierte und in Hamburg verkaufte. Tochter Inge wurde am 8. Mai 1921 geboren. Das Ehepaar wohnte in der Wrangelstraße 24 in Nachbarschaft zu ihren Geschwistern Hertha, geb. Wulf, und Joseph Stiefel, die mit ihren drei Kindern ein paar Häuser weiter in der Nr. 18 lebten.

In dieser Zeit wurde Louis Stiefel zusammen mit Alfred Meyer Inhaber der Firma für Papierwaren engros "Fa Stiefel & Meyer" in der Gothenstraße 10/12, später Kurze Mühren 20. Sophie und Louis Stiefels Sohn Horst kam am 11. September 1922 im Woldsenweg 13, 3. Stock, zur Welt.

Für die Schwestern Jenny und Martha Stiefel war die Zeit im Israelitischen Mädchenheim sicher eine gute Vorbereitung auf die Ehe. Sie blieben dort, bis Jenny Stiefel am 15. Mai 1922 im Alter von 46 Jahren den 15 Jahre jüngeren Kaufmann Mendel Josua Josias, genannt Menne (geb. 1891 in Friedrichstadt), heiratete. Seine Familie war seit dem Jahr seiner Geburt in Hamburg ansässig. In der Dillstraße 15 führte Mendel Josias eine Papierwarengroßhandlung im 3. Stock und war in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde engagiert. Er wohnte mit seiner Mutter zusammen, sein Vater Josias Josias war bereits Ende 1915 verstorben. Der Neffe Gerd Zwienicki aus Bremen beschreibt in seinem Buch, dass er gern bei seiner geliebten Tante und ihrem Ehemann Mendel Josias die Ferien verlebt habe. Die Pessach Sedorim (erste Feiern des Pessachfestes) in der Dillstraße sei oft mit 20 und mehr Freunden und Verwandten abgehalten worden. Als Jenny zu erblinden begann, fuhr Mendel Josias mit ihr nach Wien zu einem Augenspezialisten. Der operative Eingriff war nur wenige Tage erfolgreich, dann erblindete Jenny Josias völlig.

Ein Jahr nach Jennys Hochzeit, am 30. August 1923, heiratete die 42-jährige Martha Stiefel den zehn Jahre jüngeren Bäckergesellen Adolf Wolff, genannt Adje (geb. 22.10.1891 in Burgdorf). Im Ersten Weltkrieg, von 1914–1918, hatte er bei der Infanterie gedient. Es ist anzunehmen, dass Martha bei Sidonie Werner auch die Führung eines koscheren Haushalts erlernt hatte, was ihr in der Folgezeit zugute kam. Ab 1928 betrieb Adolf Wolff als Inhaber und Bäckermeister mit ihr gemeinsam die koschere Bäckerei in der Rappstraße 7. Marthas älteste Schwester Angela arbeitete als gelernte Verkäuferin dort.

Angela Kohlstädts Ehe wurde am 19. April 1929 durch Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg rechtskräftig geschieden. Karl Kohlstädt war am 6. März 1928 als Mitglied aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ausgeschieden. Ihr gemeinsamer Sohn David Walter Kohlstädt heiratete Margaretha Rosenstein und bekam mit ihr in Hamburg zwei Söhne, Manfred (geb. 20.2.1930) und Helmuth (geb. 8.6.1931). Sie wohnten bei David Walters Schwiegereltern Albert und Henriette Rosenstein, die dort in der Bogenstraße 5 einen Schlachterladen führten.

Um 1925, nachdem das Geschäft "Fa Stiefel & Meyer" in den Kurzen Mühren 20 vermutlich infolge der Inflation zum Erliegen gekommen war, hatte Louis Stiefel als Vertreter für die Füllfederhalterfirma "Luxor" mit Sitz in Heilbronn gearbeitet. Im Woldsenweg hatte die Familie bis 1927 gewohnt, dann kurze Zeit in Hamburg-Hamm, Dimpfelsweg 9. Im Jahre 1929 waren sie in die Hoheluftchaussee 117 verzogen. Horst besuchte die Talmud Tora Schule. Er erinnert sich später daran, dass die Wohnung in der Nähe des Victoria-Sportplatzes lag und dort viele Juden wohnten. Die Großeltern väterlicherseits lebten religiös, nicht die mütterlicherseits. Die Familie seiner Mutter hatte er als "so eine Künstlerfamilie" erlebt, offen und liberal denkend.

Im April 1930 war die gesamte Familie Stiefel zur Bar Mitzwa von Selma Zwienickis Sohn Gerd nach Bremen eingeladen. Im darauffolgenden Jahr verstarb Sophies Mutter Mathilde Wulf mit 72 Jahren am 31. Oktober 1931, im Israelitischen Krankenhaus. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel Ohlsdorf beigesetzt, Grablage ZY 10, Nr. 254.

Elf gemeinsame Jahre hatte Louis Stiefels Schwester Jenny Josias mit ihrem Ehemann, dem inzwischen in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde beamteten Mendel Josua Josias, verbracht. Am 3. Februar 1933 verstarb sie nach einer Bronchopneunomieerkrankung im Israelitischen Krankenhaus, Eckernförderstraße 4, einen Monat vor ihrem 57. Geburtstag. Auch sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt, Grablage K 1, Nr. 2.

Seit 1933, dem Jahr der Machtübernahme der Nationalsozialisten, lebten Sophie und Louis Stiefel mit ihren beiden Kindern in der Blücherstraße 40, 1. Stock. Louis Stiefel war Mitglied der liberalen Jüdischen Gemeinde des Tempels in der Oberstraße; Horst war dort Bar Mizwe geworden. Er gehörte einer zionistischen Vereinigung an, dem Sportverband "Bar Kochba". Inge besuchte die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße und war Mitglied der deutsch-jüdischen Jugend des Sportbundes "Schild". Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Verfolgung wurden für sie spürbar. Sohn Horst erlebte eine Situation, die ihn ein Leben lang belasten sollte – er musste mit ansehen, wie ein junger Mann in der Uniform der Hitler-Jugend seinem Vater auf dem Bürgersteig der Hoheluftchaussee den Weg versperrte und, um seinen Vater zu demütigen, ihn um sich herumgehen ließ.

Tochter Inge absolvierte eine zweijährige kaufmännische Lehre bei der Firma Hugo Hartig und arbeitete dort anschließend als Stenotypistin mit einem Gehalt von 80,- RM monatlich. Nach der sog. "Arisierung" der Firma konnte sie noch bei den Rechtsanwälten Dres. Samson (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de) und Haas für 100,- RM monatlich arbeiten. Die Anwaltskanzlei gehörte zu den wenigen zugelassenen "Konsulenten", d. h., sie durfte nur für jüdische Klienten arbeiten. In dieser Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen der Juden äußerte Sophie Stiefel, dass sie aus Deutschland wegwolle. Es sollte nicht dazu kommen.

Louis Stiefels Schwester Selma Zwienicki und ihr Ehemann in Bremen hatten bereits 1924 die Möglichkeit, mithilfe eines Affidavits eines Freundes in die USA auszureisen. Im letzten Augenblick jedoch wollte sich Selma nicht von ihrer Familie in Hamburg trennen, sie hing sehr an ihr. Selma Zwienicki wurde Opfer eines brutalen Verbrechens nationalsozialistischer Gewalttäter. In der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 in Bremen hielten sich Selma und ihr Ehemann Joseph Zwienicki mit den zwei Söhnen Benno und Alfred in ihrem Haus auf. Als sie die grölenden SA-Leute vor ihrem Haus hörten, floh Joseph Zwienickie unbemerkt über das Dach des Hauses. Die SA-Leute fielen in das Haus ein und drangen in das Schlafzimmer, in dem Selma sich aufhielt. Nach dem Verbleib ihres Ehemannes befragt, gab Selma Zwienicki, mutig ihren Ehemann schützend, keine Antwort. Sie wurde kaltblütig von dem SA-Mann erschossen. Sohn Benno versuchte, einen Arzt zu holen; es wurde ihm verwehrt.

Auf eine gute Ausbildung ihres ältesten Sohnes Gerd hatte Selma Zwienicki großen Wert gelegt. Nach dem Abitur 1936 wurde ihm ein Studium an der Torah Akademie Yeshiva in Frankfurt am Main und am jüdischen Lehrerseminar in Würzburg ermöglicht. Dort, während der Pogromnacht, wurde er mit seinen jüdischen Kommilitonen verhaftet, was auch seinem Bruder Alfred in Bremen widerfuhr. Nachdem Gerd nach acht Tagen aus der "Schutzhaft" entlassen worden war, suchte er seine Familie. Er fand sie in Hamburg. Seine Schwester Liesel war als "Kinderfräulein" bei Else und David Hirsch, dem Kantor der Dammtorsynagoge, beschäftigt. Sein jüngster Bruder Alfred war nach der Pogromnacht unter Schock barfuß nach Hamburg gelaufen, streckenweise war er auch mitgenommen worden. Im Waisenhaus wurde er vorübergehend aufgenommen. Sein Vater war nach Hamburg in das Haus Rappstraße 7 geflüchtet. Dort hielten sie bei seiner Tante Martha und ihren Geschwistern für Selma Zwienicki die Shiwa, die siebentägige jüdische Trauerzeit, ab. Nach Bremen zurückgekehrt, mussten sie im oberen unbeheizten Stock ihres Hauses wohnen, der 1. Stock war von der Gestapo abgesperrt worden. Benno Zwienicki wurde nach sechs Wochen aus dem KZ Sachsenhausen entlassen. Gerd Zwienicki hatte in Bremen innerhalb der Jüdischen Gemeinde den Zeiten zum Trotz noch eine jüdische Schule gegründet. Nachdem dann Joseph Zwienicki das Geschäft aufgelöst hatte, konnte er mithilfe eines Affidavits seines Cousins am 31. Mai 1939 mit seinen Kindern nach Kanada emigrieren.

Hertha und Joseph Stiefel wohnten in ihrer letzten Zeit in Hamburg mit ihren drei Kindern in der Breitenfelderstraße 8. Sie konnten sich vor der nationalsozialistischen Verfolgung mit der Auswanderung nach Brasilien am 3. März 1939 retten.

Sophie und Louis Stiefels Tochter Inge entkam der Verfolgung mit dem vorletzten Kindertransport nach England am 23. August 1939. Mit dem Einfall der deutschen Wehrmacht in Polen am 1. September 1939 gab es wenige Tage später diese Möglichkeit des Entkommens nicht mehr. Gegen freie Logie arbeitete Inge als Hausgehilfin in England.

Kurz nachdem die koschere Bäckerei zu Beginn des Jahres 1928 von Louis Stiefels Schwager Adolf Wolff in der Rappstraße 7 eröffnet worden war, stand der Betrieb unter der Überwachung der Polizei. 1929 war Adolf Wolff zu einer Geldstrafe wegen "Verkauf und Beschäftigung von Angestellten am Sonntag" verurteilt worden, im August 1932 und 1933 wegen verbotener Nachtarbeit im Bäckereibetrieb, alles noch vor dem Tag des Boykotts der jüdischen Geschäfte am 1. April 1933. Im selben Jahr und 1934 waren Verurteilungen wegen "Nichtverwendung von Kartoffelmehl im Bäckereigewerbe", und "Nichtangabe des Bruttogewichtes" erfolgt. Die Anschuldigungen verstärkten sich mit der zunehmenden Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und der Zerstörung ihrer Geschäfte. Sie gipfelten für Adolf Wolff am 8. Juli 1936 in der vorgeschobenen Anschuldigung "gesundheitsschädigende ekelerregende Herstellung und Aufbewahrung von Backwaren. 6 Wochen Gefängnis, Einziehung und Betriebsuntersagung". Damit hatten die nationalsozialistischen Machthaber ihr Ziel erreicht, auch dieses jüdische Geschäft war zerstört. Adolf Wolff kam vom 23. Juni bis zum 13. Dezember 1938 in sog. "Schutzhaft" nach Oranienburg, im Zuge einer "asozialen Verhaftungsaktion". Am 23. März 1939 musste er den Gang zur Fürsorge antreten. Zehn Jahre, von Januar 1928 bis Dezember 1938, hatte er als selbstständiger Bäckermeister zusammen mit seiner Ehefrau Martha gearbeitet. Dann, mit der abwandernden jüdischen Kundschaft, ging das Geschäft mehr und mehr zurück.

Zuletzt lebten Martha und Adolf Wolff von ihren geringen Ersparnissen und vom Verkauf verbliebener Wertgegenstände. Sie hatten bald nichts mehr zu veräußern und waren völlig mittellos. Ein Zimmer ihrer Wohnung vermieteten sie für 22,- RM unter. Bei der Hausbesitzerin Frau Schultze-Nissen hatten sie etwa 5.000,- RM Mietschulden. Die Wohnzimmereinrichtung war durch die Lieferfirma Arthur Ahlers gepfändet worden. Die Jüdische Gemeinde hatte Martha Wolff während der Haft ihres Ehemannes mit 100,- RM unterstützt. Beide konnten sonst mit keiner Hilfe rechnen. Die eigenen Verwandten waren ebenfalls mittellos. Sie bewohnten dann ein leeres Zimmer in der Grindelallee 38 bei Nathan für 22,- RM und bekamen ab 25. März 1939 von der Fürsorge 64,- RM Unterstützung im Monat. Ihre letzte Adresse war in der Schlüterstraße 63 bei Willy Wolff, einem Bruder von Adolf.

Adolf Wolff war aus dem KZ Sachsenhausen entlassen worden, mit der Auflage, Deutschland bis zum 31. März 1939 zu verlassen. Da er jedoch seine finanziellen Angelegenheiten mit dem Oberfinanzpräsidenten nicht regeln konnte und bei den Reedereien noch kein Platz vorhanden war, verzögerte sich die Ausreise. Er war gezwungen, sich jeden Tag bei der Kriminalpolizei zu melden. Zuletzt musste er als Zwangsarbeiter für die Firma Johann C. Meltzer in Blankenese Erdarbeiten verrichten.

Sophie und Louis Stiefels Sohn Horst hatte in Hamburg bis zum Novemberpogrom 1938 bei der Firma Zimmer gearbeitet und nach seiner Entlassung, bis kurz vor Kriegsbeginn, bei der Firma Pick in der Deichstraße. Zur Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina hatte er sich im Sommer 1939 zur Hachschara gemeldet und war bis Ende Juli 1941 mit anderen Jugendlichen von der Reichsvereinigung der Juden zu verschiedenen landwirtschaftlichen Einsätzen herangezogen worden. Am 1. August 1941 wurde Horst Stiefel auf Anordnung der Gestapo vom Arbeitsamt Eberswalde zur Zwangsarbeit verpflichtet und mit anderen Mitgefangenen in Kolonnen zum Holzeinschlag und Abtransport eingesetzt. Untergebracht waren sie in einem fensterlosen Bunker.

Sophie und Louis Stiefel waren gezwungen, in das Mendelson-Israel-Stift nach Hamburg-Fuhlsbüttel umzuziehen, das nach den Verordnungen der nationalsozialistischen Machthaber vom Mai 1939 zum "Judenstift" bestimmt worden war. Sie lebten dort zusammen mit 40 alten Menschen jüdischer Abstammung in sehr beengten Verhältnissen. Sophie und Louis Stiefel waren mittellos und seit Januar 1941 auf die Wohlfahrtshilfe angewiesen.

Louis Stiefels Schwester Martha und ihr Ehemann Adolf Wolff wurden mit der ersten Hamburger Deportation am 25. Oktober 1941 in das Getto Lodz deportiert.

Ein halbes Jahr später, am 11. Juli 1942, wurden Sophie und Louis Stiefel nach Auschwitz deportiert und ermordet. Sophie Stiefel war 52 Jahre und Louis Stiefel 67 Jahre alt.

Nachdem alle Jüdinnen und Juden aus dem Mendelson-Israel-Stift deportiert worden waren, wurde deren verbliebener Hausstand von W. C. H. Schopmann & Sohn am 1. September 1942 an die Hamburger Bürger in Fuhlsbüttel vor Ort versteigert. Der Erlös von 444,62 RM für den verbliebenen Hausstand von Sophie und Louis Stiefel fiel dem Oberfinanzpräsidenten zu.

Das Schicksal der Familienangehörigen von Sophie und Louis Stiefel, der Menschen, die mit ihnen verbunden waren, soll im Folgenden weiter aufgezeigt werden:
Louis Stiefels älteste Schwester Angela Kohlstädt hatte erleben müssen, dass ihr Sohn David Walter, kaufmännischer Angestellter, der im Grindelhof 64, 1. Stock, wohnte, am 13. Dezember 1940 wegen "Rassenschande" inhaftiert wurde. Er war nach der "rassischen Einstufung" der Nationalsozialisten zwar "Halbjude", aber – weil beide Eltern zur Zeit seiner Geburt der Jüdischen Gemeinde angehört hatten, wurde er nicht als "Mischling ersten Grades" behandelt (für die – zumindest offiziell – der Rassenschande-Paragraph nicht galt), sondern als "Geltungsjude" und unterlag allen Verfolgungsmaßnahmen von Jüdinnen und Juden. Am 17. Dezember 1940 kam er in Untersuchungshaft, am 22. April 1941 wurde er wegen "fortgesetzter Rassenschande" zu einer Haftstrafe von zehn Monaten verurteilt, die er vom 23. April bis zum 8. Oktober 1941 verbüßen musste. Nach fünf Monaten, am 8. Mai 1941, wurde er vom Untersuchungsgefängnis in das KZ Neuengamme überstellt. Vermutlich hatte er am 8. Oktober 1941 Freigang für ein Zusammentreffen mit seiner Mutter in der Bornstraße 6, 1. Stock, bei Masenberg, erhalten.

Neun Monate später kam er am 19. Juni 1942 im KZ Neuengamme zu Tode. Die angegebene Todesursache lautet: "Lungentuberkulose". David Walter, er war bereits im Juni 1935 aus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde ausgetreten, hinterließ seine geschiedene Ehefrau Margareta, geb. Rosenstein, die gemeinsamen zwei Söhne, Manfred (geb. 20.2.1930) und Helmuth (geb. 8.6.1931), sowie seine Mutter Angela Kohlstädt. Auch sie mussten sich bald darauf voneinander verabschieden. Margareta, ihre Eltern, Henriette und der Schlachter Albert Rosenstein, der zwölfjährige Manfred und der elfjährige Helmut wurden am 11. Juli 1942 zusammen nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Angela Kohlstädt war zuletzt im "Judenhaus" in der Kielortallee 22 untergebracht, dem ehemaligen "Oppenheimer-Stift", gegründet von Hirsch Berend Oppenheimer (1794–1870). Einen Monat nach dem Tod ihres Sohnes wurde sie am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und zwei weitere Monate später, am 21. September 1942, mit einem der gefürchteten Transporte nach Treblinka weiterverschleppt und ermordet. Angela Kohlstädt, geb. Stiefel, war 70 Jahre alt.

Stolpersteine erinnern an die Familie Rosenstein (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de) und die Familie David Walter Kohlstädt in der Bogenstraße 5, für Angela Kohlstädt, ihre Schwester Martha Wolff und deren Ehemann Adolf Wolff in der Rappstraße 7.

Louis Stiefels Schwester Martha Wolff hatte im Getto Lodz die Adresse "10. Str. 35". Sie verstarb im dortigen Krankenhaus am 24. August 1942; in der überlieferten Krankenhausliste ist die Todesursache mit "Herzmuskelschwäche" angegeben. Martha Wolff, geb. Stiefel, war 61 Jahre alt. Ihr Ehemann Adolf Wolff überlebte sie ein halbes Jahr, bis zum 10. Februar 1943. Er wurde 51 Jahre alt. Auch drei seiner Geschwister, Bella, Julius und Willy Wolff (Biographie siehe www.stolpersteine-hamburg.de) aus Hamburg, wurden Opfer der Shoah.

Sophies Bruder Paul Wulf hatte versucht, der Verfolgung zu entkommen, und war bereits 1933 nach Frankreich emigriert. Nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht wurde er interniert und dann von Drancy mit dem Convoi Nr. 18 unter der Registrierungsnummer11 und der Berufsbezeichnung "commercant" (Kaufmann) am 12. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet, einen Monat vor seinem 50. Geburtstag.

Sophies jüngste Schwester Gertrud Wulf hatte im Juni 1942 im Martin-Brunn-Stift in der Frickestraße 24, Zimmer 40, gewohnt. Aufgrund eines von Dr. Ernst Wolffson diagnostizierten Herzleidens sollte sie in das Mendelson-Israel-Stift in die Nähe ihrer Schwester Sophie verlegt werden, auch wegen der frischen und erholsamen Luft dort. Das Stift war jedoch voll belegt und so musste sie im Krankenhaus in der Schäferkampsallee 27 verbleiben. In einem Bericht der Fürsorge wird sie beschrieben: "Sie ist ein äusserst anständiger und fleissiger Mensch, jedoch sehr leidend und sensibel, sodass sie nur ungern unsere Fürsorgein Anspruch nehmen wird." Gertrud Wulf wurde am 23. Juni 1943 nach Theresienstadt deportiert und verstarb dort ein Jahr später am 1. Juni 1944 im Alter von 49 Jahren. Stolpersteine erinnern an Sophies Geschwister, Gertrud Wulf und Paul Wulf, bei den Grindelhochhäusern in der Oberstraße 16–18 (ehemals Klosterallee 20).

Louis Stiefels Schwager Mendel Josias hatte für die Jüdische Gemeinde in der Beerdigungsbruderschaft gearbeitet und wohnte in der Bogenstraße 5. Nach dem Tod seiner Ehefrau Jenny, geb. Stiefel, hatte er ein zweites Mal geheiratet und mit seiner Ehefrau Rosa, geb. Horwitz (geb. 14.4.1903 in Nürnberg), am 10. Mai 1938 den Sohn Julius bekommen. In der letzten Zeit wohnten sie in der Grindelallee 23, 2. Stock. Gemeinsam wurden sie am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie alle wurden nach Auschwitz weiterverschleppt und ermordet, Mendel Josias am 28. September 1944, seine Ehefrau Rosa mit ihrem sechsjährigen Julius am 4. Oktober 1944.

Walter Stiefel, der Sohn von Martha Wolff, geb. Stiefel, überlebte die Shoah in Hamburg, weil sein ihm unbekannter Vater nichtjüdisch war. Im letzten Jahr vor Kriegsende wurde er zu Trümmerarbeiten zwangsdienstverpflichtet. Als einziger der großen Familie Stiefel wohnte er nach dem Krieg mit seiner Ehefrau und ihren drei Kindern in Hamburg in der Kottwitzstraße (früher Blücherstraße), der ehemaligen Wohnstraße der Familie Stiefel. Ihr Sohn Jürgen verstarb nach dem Krieg am 17. Mai 1946 im Alter von 16 Jahren und wurde im Familiengrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt. Ihm zu Ehren ließ sein Vater einen Grabstein setzen, mit der Aufschrift "Unser lieber unvergesslicher Jürgen" und der Skulpturabbildung des Nachnamens, ein Stiefelpaar. Walter Stiefel verstarb am 3. Januar 1997, seine Ehefrau am 12. April 1989. Sie ruhen gemeinsam mit ihrem Sohn und den Schwiegereltern in diesem Familiengrab, Grablage J 28 II, Nr. 16–18, das noch heute erhalten ist.

Sophie und Louis Stiefels Tochter Inge hatte in England im September 1943 geheiratet. Inge Tyndall, geb. Stiefel, blieb mit ihrer Familie in England. Ihr 24. Geburtstag, der Tag des Kriegsendes, brachte für sie nicht nur die Befreiung des Bruders, sondern auch die schmerzhafte Gewissheit über die Shoah und den Verlust ihrer Eltern und Familienangehörigen.

Sophie und Louis Stiefels Sohn Horst war am 11. Dezember 1942 in das Gestapo-Hauptquartier in Berlin verschleppt und von dort am 13. Januar 1943 von dem Sammelpunkt Hamburger Straße in Berlin nach Auschwitz deportiert worden. Horst Stiefel ist einer der wenigen, der die Leidenszeit in Auschwitz und die Verbrechen im KZ-Außenlager Golleschau überlebt hat. Nach seinem Leidensweg durch die KZ-Lager wurde er von den Amerikanern befreit und konnte Zeugnis ablegen: "[…] wo Tausende umgekommen sind, in Eis und Schnee, haben nichts zu essen gehabt, nur von Schnee gelebt. […] Wenn ich ein Stückchen Brot bekommen hatte, wir waren zwei, drei andere Kameraden, haben wir das geteilt. Wer etwas bekommen hat, hat das mit uns geteilt. Es war sehr wichtig gewesen, in einer Gruppe zu sein, um das zu überleben […] fünf von 2500 haben das überlebt. Ich bin einer von denen. […] und wenn mich einer fragt, heute, früher, wie hast Du’s überlebt. Sag ich nur, was ich Dir erzähle, was Du in Büchern liest, was Du im Fernsehen, ist garnichts. Wenn Du nicht da gewesen bist und erlebt hast, wie jede Sekunde Schikane, Mord und Totschlag, dann kann ein Mensch nicht verstehen, was ein Mensch zu einem anderen Mensch machen kann. Es sieht grausam aus in den Büchern. Aber es alles nicht zu vergleichen wie es in Wirklichkeit war."
"Vom 18. Januar, wie Auschwitz aufgelöst wurde, 1945, weil die Russen näherkamen, bis zum 1. Mai, wo ich befreit wurde, war ich in acht verschiedenen concentrationcamps. Von einem zum anderen. Und da sind natürlich auch Tausende von Leuten umgekommen. Von Hunger, von der Kälte, von Krankheiten, von Schwäche durch all die Jahre. Von Auschwitz sind wir marschiert, paar Tage, paar Nächte, in Eis und Schnee im Januar. Sind viele umgekommen, die nicht mehr weiter konnten. Dann ist man im offenen Waggon im Januar nach Sachsenhausen gekommen."

Nach Kriegsende lebte Horst Stiefel dort, wo seine Eltern ihre letzte Zeit in Hamburg verbringen mussten, in dem ehemaligen Mendelson-Israel-Stift.

Im Jahre 1949 emigrierte er in die USA. Dort heiratete er als Harry Stiefel 1961 die in Hamburg geborene Nora, geb. Meyer-Udewald. Sie selbst war von Drancy nach Auschwitz deportiert worden und gehört, wie ihr Ehemann, zu den wenigen Menschen, die Auschwitz überlebt haben. Der Großteil ihrer Familie war Opfer der Shoah geworden. Ihre Großeltern Jakob Sakom und Sophie, geb. Kagan, starben in Kaunas. Dr. Jakob Sakom war einst Solocellist im Orchester der Philharmonischen Gesellschaft in Hamburg und Lehrer am Vogtschen Konservatorium gewesen. Ihre Eltern hatten mit ihr und ihrem Bruder über Belgien fliehen wollen. Ihre Mutter Valentine Meyer-Udewald, geb. Sakom (geb. 1905), und ihr Bruder Hans Siegmund Meyer-Udewald (geb. 1929) waren in Auschwitz ermordet worden.

Ihrem Vater Wolfgang war die Flucht nach Kuba gelungen. Stolpersteine erinnern an ihre Mutter und ihren Bruder im Jungfrauenthal 22, für ihre Großeltern in der Curschmannstraße 13. Ein weiterer Stolperstein für Jakob Sakom wurde vor der Musikhalle am Johannes-Brahms-Platz 1 verlegt (Biographien siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Sophie und Louis Stiefels Sohn Harry und seine Ehefrau Nora Stiefel bekamen in New York ihren Sohn Lewis; er lebt heute mit seiner Ehefrau und Tochter, der Urenkelin von Sophie und Louis Stiefel, in den USA.

Harry Stiefel verstarb im Alter von 88 Jahren am 20. Dezember 2010 in New York.

Gerd Zwienicki, der 1939 mit seiner Familie nach Kanada hatte emigrieren können, wurde Rabbiner und lebte später unter dem Namen Jacob G. Wiener in New York. Dort verstarb er im Februar 2011. Aus seinem Nachlass stammen die Familienfotos im USHMM und Staatsarchiv Bremen. In seinem Buch "Time of Terror – Road to Revival" erzählt er von seinen Ferienaufenthalten in Hamburg bei der ihm sehr verbundenen Familie Stiefel.

Stand: Januar 2023
© Margot Löhr

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH, 314-15 Oberfinanzpräsident, Abl. 1998-1 J5, 314; Str 163 Kurt Stiefel; StaH, 332-3 Zivilstandsaufsicht, Geburtsregister, A 123 Nr. 284/1872 Angela Stiefel, A 156 Nr. 4072/1873 Benjamin Stiefel, A 192 Nr. 9488/1874 Louis Stiefel; StaH, 332-3 Zivilstandsaufsicht, Heiratsregister, B 36 Nr. 2186/1871 Koppel Stiefel u. Elise Cohen; StaH, 332-3 Zivilstandsaufsicht, Sterberegister, C 150 Nr. 1035/1874 Benjamin Stiefel; StaH, 332-5 Standesämter, Geburtsregister, 1880 u. 1283/1876 Jenny Stiefel, 1914 u. 6001/1877 Joseph Stiefel, 2002 u. 1912/1881 Martha Stiefel, 2029 u. 2802/1882 Selma Stiefel, 2019 u. 3410/1882 Ferdinand Kohlstädt, 2085 u. 5924/1884 Hertha Wulf; 9059 u. 1388/1890 Sophie Wulf, 9076 u. 1448/1892 Paul Jean Wulf, 9109 u. 533/1895 Gertrud Wulf, 14944 u. 389/1907 Margarete Rosenstein, 14614 u. 1580/1906 Walter Stiefel, 113794 u. 1327/1909 David Walter Kohlstädt; StaH, 332-5 Standesämter, Heiratsregister, 2644 u. 1383/1882 Adolph Wulf u. Mathilde Risch, 5985 u. 70/1909 Ferdinand Kohlstädt u. Angela Stiefel, 8662 u. 24/1909 Joseph Stiefel u. Hertha Wulf, 8741 u. 425/1920 Louis Stiefel u. Sophie Wulf, 8765 u. 217/1922 Mendel Josias u. Jenny Stiefel, 8780 u. 496/1923 Adolf Wolff u. Martha Stiefel, 13290 u. 35/1930 David Walter Kohlstädt u. Margareta Rosenstein; StaH, 332-5 Standesämter, Sterberegister, 9702 u. 799/1911 Adolph Wulf, 8015 u. 248/1913 Koppel Stiefel, 8016 u. 560/1913 Elise Stiefel, 980 u. 298/1931 Mathilde Risch, 1009 u. 71/1933 Jenny Josias, 10715 u. 544/1942 David Walter Kohlstädt; StaH, 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, AIf Bd. 181 Nr. 616 G, B III Nr. 42865 Koppel Stiefel; StaH, 342-2 Militärersatzbehörden, D II Nr. 75 Bd. 4 Nr. 560; StaH, 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 13693 Adolf Wolff, 21564 Adolf Stiefel, 22478 Margareta Kohlstädt, 31090 Walter Stiefel, 33917 Arthur Rosenstein, 39417 Adolf Stiefel, 42776 Lieselotte Stiefel, 49413 Nora Meyer-Udewald, 45508 Horst (Harry) Stiefel, 46890 Horst Stiefel; StaH, 352-5 Todesbescheinigungen, 1911 Sta 3a Nr. 799 Adolph Wulf, 1931 Sta 2a Nr. 298 Mathilde Risch, 1933 Sta 2a Nr. 71 Jenny Josias; StaH, 376-2 Gewerbepolizei, Spz VIII C 39 Nr. 3824; StaH, 522-1 Jüdische Gemeinden, Geburtsregister, Nr. 195/1841 Elise Cohen,992 n Bd. 35 Gertrud Wulf; StaH, 741-4 Fotoarchiv, K 3872, K 7027; Archiv Friedhof Ohlsdorf, Beerdigungsregister, Nr. 6122/1946 Jürgen Stiefel, Grabbrief Nr. 174738/1946; Hamburger Adressbücher 1874–1943; Datenbankprojekt des Eduard-Duckesz-Fellow und der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie, Grindelfriedhof, Ohlsdorf 1883–1889, 1908–1914, 1931–1939; A 11-115, ZX 10-132/133, ZY 10-254/255, ZY 11-322, http://jüdischer-friedhof-altona.de/datenbank.html, eingesehen am: 22.2.2022; FZH/WdE, Auskünfte Linde Apel, Interview: Sybille Baumbach, K I/550/B am 2.7.1993, verkürzte Wiedergabe; Auskünfte Claudia Hermanns, Standesamt Hamburg-Mitte, Geburtsregister, Nr. 989/1907 Margareta Rosenstein; Staatsarchiv Freie Hansestadt Bremen 10, B-A4-1401 (alle Kinder); Douglas Ballman, Manager of External Relations – Online Archive USC Shoah Foundation Institute for Visual History and Education; Peter Lande und Judith Cohen, USHMM, Worksheet 62984, Photos Familie Stiefel, USHMM Lodz-Hospital Datei; Boris Löffler; Verena Lucia Naegel, Shoah Foundation Institute for Visual History and Education der USC, Freie Universität Berlin, Visual History Archive, Jewish Survivors, Interview Code 2488 Harry Stiefel, 2524 Nora Stiefel; Maria Koser: Stolpersteine in Hamburg Eppendorf und Hamburg Hoheluft-West, S. 360–363 (Dr. Jakob Sakom und Sophie, geb. Kagan); Wilhelm Lührs: "Reichskristallnacht" in Bremen. Vorgeschichte, Hergang und gerichtliche Bewältigung des Pogroms vom 9./10. November 1938, Bremen 1988; Rolf Rübsam: Kinder dieser Stadt, Bremen 2005, S. 50–75; Rolf Rübsam: Sie lebten unter uns, Bremen 1988, S. 92–94; Jürgen Sielemann: Der Zielort des Hamburger Deportationstransports vom 11. Juli 1942, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 95 (2009), S. 91–110; Jacob G. Wiener, Time of Terror – Road to Revival, Victori BC, Canada 2010; WULF, Paul, 15/09/1892, à HAMBURG, Convoi n° 18, https://ressources.memorialdelashoah.org/resultat.php?type_rech=rap&bool%5B%5D=&index%5B%5D=noms_tous&value%5B%5D=Wulf&bool%5B%5D=AND&index%5B%5D=prenoms_tous&value%5B%5D=Paul&bool%5B%5D=AND&index%5B%5D=fulltext&value%5B%5D=&spec_date_naissance_start=&spec_date_naissance_end=&naissances_tous=&adresses_tous=&biographies_tous=&id_pers=*&spec_expand=1, eingesehen am: 28.3.2022; Herzlichen Dank an Lewis Stiefel!
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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