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Bereits verlegte Stolpersteine



Erna Kleve (geborene Lasch) * 1889

Bogenstraße 27 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)

1942 Auschwitz

Weitere Stolpersteine in Bogenstraße 27:
Else Bernstein, Kätie Bernstein, Rosa Heilbut, Gertrud Hess, Siegfried Kleve

Erna Kleve, geb. Lasch, geb. am 26.4.1889 in Berlin, deportiert nach Auschwitz am 11.7.1942
Siegfried Kleve, geb. am 30.3.1879 in Altona, inhaftiert 1941 im KZ Fuhlsbüttel, deportiert nach Auschwitz am 11.7.1942

Bogenstraße 27

Siegfried Kleve wurde als Sohn von Saly und Pauline Kleve, geb. Victor, in Hamburgs Nachbarstadt Altona geboren. Seine Eltern hatten im Juli 1878 geheiratet und wohnten Beim grünen Jäger 4 II. Die Wahl des Vornamens Siegfried deutet darauf hin, dass die Eltern sich als national gesinnte jüdische Deutsche verstanden. Der Vorname Siegfried war bei Juden sehr beliebt und stand zwischen 1860 und 1938 auf der Liste der beliebtesten jüdischen Vornamen.

Erna Kleve war gebürtig aus Berlin. Ihre Eltern waren Ignatz und Marianne Lasch, geb. Philippson. Die Mutter verstarb früh. Der Vater ging 1892 in Berlin eine neue Ehe ein mit Blanche, geb. Veitel, die 1868 in Belfast/Irland geboren wurde. Ihre Kindheit verbrachte Erna Kleve in Berlin. Im Berliner Adressbuch von 1900 gibt es einen Eintrag für Ignaz Lasch, Bankbeamter, Charlottenburg, Bleibtreustraße 55 IV. Erna hatte zwei Halbbrüder, Herbert (geb. 1893) und Werner (geb. 1896).

Siegfried und Erna heirateten im Oktober 1919. Die Eltern von Siegfried Kleve waren beide schon verstorben. Der Vater starb 1913. Der Vater der Braut, von Beruf Bankdirektor, wohnte mit seiner zweiten Frau inzwischen in Hamburg in der Isestraße 139 und fungierte als Trauzeuge. Bis zu ihrer Heirat hatte Erna auch dort gewohnt. Siegfried Kleve lebte nicht weit entfernt in der Oberstraße 9, wohin er 1911 gezogen war. Vorher hatte er mit seinem Vater Saly Kleve im zweiten Stock des Hauses Feldstraße 49 gewohnt. Der zweite Trauzeuge war Joseph Kleve, vermutlich ein Onkel des Bräutigams, der in der Brahmsallee 7 lebte.

Das Ehepaar – beide bei der Heirat nicht mehr ganz jung – blieb kinderlos. Die Stolpersteine für Erna und Siegfried Kleve liegen vor dem ehemaligen Stiftsgebäude und späteren "Judenhaus" in der Bogenstraße, von wo die beiden deportiert wurden. In glücklicheren Zeiten hatten sie in herrschaftlichen Etagenhäusern in Harvestehude gelebt: erst in der Oberstraße 9 und dann ab Mitte der 1920er Jahre im 1. Stock des Hauses Isestraße 111.

Siegfried Kleve arbeitete als Hausmakler. Als junger Mann trat er in die Firma seines Vaters ein. Die Büroräume befanden sich bis ungefähr 1920 in den Großen Bleichen 23 und danach Hohe Bleichen 20 im "Ludwigshof". Im Ersten Weltkrieg kämpfte Siegfried Kleve 1916 als Soldat in Serbien.

1920 wurde die offene Handelsgesellschaft Saly Kleve aufgelöst und Siegfried Kleve übernahm das Geschäft. Das Maklerbüro firmierte aber vermutlich weiterhin unter dem Namen "Saly Kleve", denn so heißt es in einer Kleinanzeige aus dem August 1922. Erna Kleve erhielt Prokura. Am 13. Januar 1939 musste die Firma liquidiert werden. Irma Adler, geb. Lichtenstein, arbeitete von 1934 bis Februar 1936 in der Fa. Hausmakler Saly Kleve. Siegfried und Erna Kleve waren mit der Familie Lichtenstein verwandt. Irma Adlers Mutter, Rebecka Lichtenstein, war eine Cousine von Bertha Susmann, einer geborenen Kleve.

1905 war Siegfried Kleve Mitglied im Eimsbütteler Turnverband geworden. Das Gebäude an der Bundesstraße existierte damals noch nicht. Er gehörte der Männerabteilung Binderstraße an und beteiligte sich am Vereinsleben. 1909 übernahm er das Amt des 1. Vorsitzenden des ETV-Festausschusses. Aber auch hier änderte sich alles nach 1933. Bis 1935 mussten alle jüdischen Vereinsmitglieder den Turnverein verlassen.

Siegfried und Erna Kleve waren vermögend, und das bedeutete, dass sie vom NS-Staat während der Verfolgung systematisch ausgeplündert wurden. Sie besaßen z. B. Wertpapiere, Grundstücke, aber auch Schmuck und Silberwaren. Siegfried Kleve zahlte eine hohe Summe von über 100.000 Reichsmark (RM) "Judenvermögensabgabe" in fünf Raten und musste überdies über 20.000 RM als außerordentlichen Beitrag an den Jüdischen Religionsverband abführen. Am 9. Februar 1939 wurde Siegfried Kleve mit einer "Sicherungsanordnung" belegt. Seine Grundstücke verkaufte er 1939. Ab Ende 1939 musste er sich jeweils einen monatlichen Freibetrag genehmigen lassen. Ihm wurde aber nicht nur sein materieller Besitz geraubt, sondern auch seine Würde und sein Recht genommen. Am 4. April 1941 nahm ihn die Gestapo in "Schutzhaft", und er wurde im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel inhaftiert. Von dort brachte man ihn drei Tage später ins Stadthaus, ohne dass aus den erhaltenen Unterlagen der (vorgeschobene) Grund dafür ersichtlich ist.

Kleves hatten sich wohl um eine Auswanderung bemüht, denn sie nahmen englischen und spanischen Sprachunterricht. Ende 1939 wohnten sie in der May-Stiftung in der Bogenstraße 27. Das war noch, bevor das Gebäude zum "Judenhaus" wurde und jüdische Bürgerinnen und Bürger zwangsweise dort einziehen mussten. Hier blieben sie, bis sie im Juli 1942 den Deportationsbefehl erhielten. Der Transport ging nach Auschwitz. Keiner der Deportierten überlebte.

In der May-Stiftung wohnte auch Blanche Lasch, die Stiefmutter von Erna Kleve. Diese verstarb am 14.12.1942, als Tochter und Schwiegersohn schon deportiert worden waren. Da war sie 74 Jahre alt. Offiziell starb sie an Herzversagen.

Mehrere Grundstücke wurden nach dem Krieg in einem Wiedergutmachungsverfahren zurückerstattet. Zumindest ein Teil der Grundstücke hatte von Kleves verkauft werden müssen, um die zweite und dritte Rate der Judenvermögensabgabe zu bezahlen.

In den Akten findet sich noch ein Hinweis auf eine Versteigerung: am 10. November 1942 wurde in der Drehbahn 36 ein Piano versteigert, das Siegfried Kleve gehört hatte und das zuletzt in der Ihlandstraße 68 aufbewahrt worden war. Der Bruttoversteigerungserlös betrug 400 RM zugunsten des Deutschen Reiches.

© Susanne Lohmeyer

Quellen: 1; 2 (R1939/533; R1939/3314); 4; 5; 8; StaH 214-1 Gerichtsvollzieherwesen, 397; StaH 231-7, HRA 87/39; StaH 331-1 II, Abl. 15 vom 18.9.1984, Band 1; StaH 332-5 Standesämter, 8730 und 605/1919; StaH 332-5, 8179 und 612/1942; StaH 332-5, 6206 und 930/1879; Handelsregister Akte Nr. 87/39; StaH 332-8 Meldewesen, A 30, Meldekartei 1891-1925; StaH 351-11 AfW, Kleve, Siegfried 300379; Jürgen Sielemann, Nachforschungen; Sven Fritz, "… dass der alte Geist..", S. 111; Berliner Adressbuch 1900; Hamburger Familienblatt 25. Jg. Nr. 35 vom 28.8.1922; Grabstein Jüdischer Friedhof Ilandkoppel.

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