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Bereits verlegte Stolpersteine



Sophie Vogel * 1916

Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße) (Hamburg-Mitte, Neustadt)

1941 Minsk
ermordet

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße):
Hanna Aghitstein, Julie Baruch, Ludwig Louis Baruch, Julius Blogg, Rebecca Blogg, Kurt Cossmann, Mathilde Cossmann, Frieda Dannenberg, Alice Graff, Leopold Graff, Flora Halberstadt, Elsa Hamburger, Herbert Hamburger, Louis Hecker, Max Hecker, Marianne Minna Hecker, Lea Heymann, Alfred Heymann, Wilma Heymann, Paul Heymann, Jettchen Kahn, Adolf Kahn, Curt Koppel, Johanna Koppel, Hannchen Liepmann, Henriette Liepmann, Bernhard Liepmann, Johanna Löwe, Martin Moses, Beate Ruben, Flora Samuel, Karl Schack, Minna Schack, Werner Sochaczewski, Margot Sochazewski, verh. Darvill, Sara Vogel

Sara Vogel, geb. Beer, geb. am 1.4.1885 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Sophie Vogel, geb. am 15.1.1916 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Elsa Hamburger, geb. Vogel, geb. am 15.5.1917 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Herbert Hamburger, geb. am 16.12.1916 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Großneumarkt 38 (Schlachterstraße 46/47)

Die Witwe Sara Vogel und ihre Töchter Sophie und Elsa lebten in bescheidenen Verhältnissen in der heute nicht mehr existierenden Schlachterstraße 46/47, wo sie mietfrei im jüdischen Lazarus-Gumpel-Stift wohnten.

Sara Vogel war schon in der Neustadt zur Welt gekommen. Ihre Eltern, der Schlachter Moritz Beer (geb. 7.7.1850, gest.16.12.1910) und Mathilde, geb. Sussmann (geb. 3.4.1858 in Elmshorn, gest. 24.7.1931), hatten im Gängeviertel Breitergang, Hof 8, Haus 11 gelebt. Nach Sara kamen noch weitere acht Kinder zur Welt.

Am 20. Mai 1912 hatte Sara Beer den wesentlich älteren Israel Vogel (geb. 23.7.1867) geheiratet. Der Sohn des Händlers Levy Vogel und Sophie, geb. Finkenberg (s. Rosa Vogel und vgl. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West über Flora Vogel), war gelernter Schuhmacher, betrieb aber eine Kohlenhandlung im Hinterhaus der Koopstraße 28 in Eimsbüttel. Sara lebte zum Zeitpunkt der Hochzeit mit ihrer verwitweten Mutter Mathilde in der nahegelegenen Kielortallee 22, im Oppenheimer’s Stift.

Im Jahr 1914 zog das Ehepaar Vogel ins jüdische Lazarus-Gumpel-Stift. Israel Vogel arbeitete nun als Möbeltransporter, als Kutscher und war später, während der Weltwirtschaftskrise, unständig als Schauermann im Hamburger Hafen tätig. Nach der Geburt der beiden Kinder 1916 und 1917 erhielt das Ehepaar eine Erziehungsbeihilfe aus der "Hallerstiftung". Am 11. Dezember 1924 starb Israel Vogel nach einer "schweren Dauererkrankung" im Israelitischen Krankenhaus. Sara Vogel zog ihre Töchter Elsa und Sophie, die erst sieben und acht Jahre alt waren, unter erschwerten Bedingungen allein auf. Die monatliche Rente von 20,40 Reichsmark (RM) reichte nicht aus, um den dreiköpfigen Haushalt zu ernähren. Zudem hatte auch Sara Vogel mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Eine "Haushilfe" und eine Nachbarin halfen zeitweilig bei der Versorgung der Kinder.

Um neben der Fürsorgeleistung etwas zum Lebensunterhalt hinzuzuverdienen, nähte Sara Vogel gelegentlich für das Beerdigungsunternehmen Simon Totenbekleidung. Sophie und Elsa besuchten die Israelitische Töchterschule in der Carolinenstraße, sie wurden als brave und fleißige Schülerinnen beschrieben. Um ihrer Mutter nach einem Krankenhausaufenthalt die nötige Ruhe zu bieten, richteten sich die beiden Schwestern im dritten Stock des Hauses in einer freien Bodenkammer ihr eigenes Schlafzimmer ein. Sophie hegte den Wunsch, nach Ende ihrer Schulzeit Drogistin zu werden, Elsa hätte gern eine Schneiderlehre begonnen. Beide konnten ihre Berufspläne nicht verwirklichen. Die Schwestern besuchten zunächst die Gewerbeschule für Mädchen in der Brennerstraße 7 im Stadtteil St. Georg. Eine Zeitlang arbeiteten sie im Haushalt und in der Kinderbetreuung und wurden dann Arbeiterinnen in verschiedenen Fabriken und Betrieben. Sophie war in der Firma von Alois Weiss, Import von China-, Japanwaren und Fabrikation für Korbmöbel und Schilfwaren, in der Mühlenstraße 16–18 beschäftigt (heute ein Teil der Gerstäckerstraße), später dann in einer Schokoladenfabrik in der Caffamacherreihe. 1940 war sie in der Fischkonservenfabrik Kähler, wahrscheinlich bereits als Zwangsarbeiterin, tätig. Ihre Schwester Elsa arbeitete als Etikettiererin in der Firma Wellmann und als Uniformarbeiterin in einer Schneiderei, die vermutlich Mäntel für die Wehrmacht herstellte, wahrscheinlich ebenfalls bereits zwangsverpflichtet.

Elsa Vogel lernte den fast gleichaltrigen Herbert Hamburger kennen, am 10. November 1939 heirateten sie. Die Mutter von Herbert, Franziska Hamburger (geb.1.6.1891), war als Waise aufgewachsen. Ihre Eltern, der Lotteriekollekteur Julius Hamburger und Helene Hamburger, geb. Lichtenheim, waren beide sehr früh verstorben, in den Jahren 1897 bzw. 1892. Als Franziska Hamburger ihre Söhne Herbert am 16. Dezember 1916 und Siegmund am 22. November 1918 zur Welt brachte, war sie unverheiratet. Erst Jahre später, am 31. Dezember 1930, heiratete sie in Köln-Holweide den Vorarbeiter Johann Kühne und lebte im Kölner Stadtteil Dellbrück. (Für Franziska Kühne wurde ein Stolperstein in der Bergisch-Gladbacher-Straße 1033 in Köln verlegt. Wann sie deportiert wurde und wo sie ums Leben kam, ist ebenso unbekannt wie das Schicksal ihres jüngsten Sohnes Siegmund Hamburger.)

Herbert Hamburger hatte 1935 in Idstein im Taunus, nördlich von Wiesbaden, eine Lehre als Maler beendet. Nach seiner Rückkehr wohnte er zur Untermiete im Grindelviertel, in der Straße Rutschbahn 31 und Bornstraße 7a. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 geriet er mit zahlreichen anderen jüdischen Männern kurzzeitig in Haft. Nach einem Eintrag auf seiner Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde arbeitete er danach in der "Automatischen Mazzotfabrik" von Leopold Katz in der Neumann-Reichardt Straße 29–33 in Hamburg-Wandsbek, wo ungesäuertes Brot für das Pessach-Fest hergestellt wurde (bis 1934 befand sich die Fabrik in der Straße Kohlhöfen 19/20).

Elsa und Herbert Hamburger erhielten ihre Deportationsbefehle in der Wilhelminenstraße 24 (1940 in Hein-Hoyer-Straße umbenannt) bei Liebreich. Am 8. November 1941 wurden sie ins Getto Minsk deportiert. Mit dem zweiten Transport zehn Tage später, am 18. November, musste Sara Vogel mit ihrer Tochter Sophie folgen. Ob sie im Getto Minsk noch einmal zusammentrafen, ist ebenso unbekannt wie ihre Todesdaten.

Sara Vogels Hausstand wurde nach ihrer Deportation vom Auktionator Landjunk für einen Netto-Erlös von 193,15 RM zugunsten des Deutschen Reiches öffentlich versteigert.

Saras Bruder Eduard Beer (geb.10.10.1893) kam mit seiner Ehefrau Anna Frieda/Chana, geb. Sambor (geb. 28.12.1893 in Warschau), und fünf seiner sieben Kindern, Moritz Wilhelm (geb. 8.1.1922), Martin (geb. 8.12.1924), Frieda (geb. 24.1.1926), Lotte (geb. 4.7.1927) und Siegfried (geb. 13.12.1929) am 25. Oktober 1941 ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz. Von ihnen überlebte nur Moritz Wilhelm.

Seine Schwester Ruth hatte sich 1939 einer Gruppe anschließen können, die nach Palästina emigrierte.

Ihre Halbschwester Ilse Sambor (geb. 16.4.1919) war bereits im Oktober 1938 im Rahmen der "Polenaktion" ins polnische Grenzgebiet nach Zbaszyn/Bentschen abgeschoben worden. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

An Familie Beer, die im Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof ermordet wurde, erinnern Stolpersteine in der Bartelsstraße 72 (s. Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West).

Ein weiterer Bruder, Otto Beer (geb. 7.4.1900), wohnte zur Untermiete in der Poolstraße 6. Am 21. Oktober 1937 hatte er die Verkäuferin Paula Wolff (geb.14.1.1893 in Celle) geheiratet. Das Ehepaar bezog eine gemeinsame Wohnung im Kleinen Schäferkamp 33. Otto Beer arbeitete in der Firma "Teppich-Juster", Ellerntorbrücke 5. Im Zuge der "Arisierung" der Firma wurde er dort 1938 entlassen. Im Mai 1939 flüchtete er mit einen "Besuchsvisa" nach Belgien, da er befürchtete, in Hamburg von der Gestapo verhaftet zu werden. Otto Beer wurde am 10. Mai 1940 in Antwerpen verhaftet und über die französischen Internierungslager Gurs und Drancy am 9. September 1942 nach Auschwitz deportiert.

Paula Beer wurde bei dem Versuch, ihrem Mann nach Frankreich zu folgen, am 4. Mai 1941 von Deutschen Feldgendarmen an der belgisch-französischen Demarkationslinie festgenommen. Sie durchlief die Lager Riversaltes und Perpignan. In Lanes wurde sie im Mai 1945 befreit. Paula Beer wanderte im April 1946 zu ihrer Schwester Johanna Comfort nach England aus. (Ihr Vater Michael Wolff (geb.11.3.1854) wurde am 15. Juli 1942 aus der Sedanstraße 23 nach Theresienstadt deportiert, am 21. September 1942 wurde er in Treblinka ermordet.)

Die Schwestern Elsa Gruber, geb. Beer (geb.12.2.1891, gest. 31.1.1972), und Regina Dillitzer, geb. Beer (geb.13.2.1888, gest. 26.10.1946), überlebten, geschützt durch ihre "Mischehen".

Julchen Beer (geb. 6.2.1897) wanderte im Februar 1929 in die USA aus und überlebte den Holocaust. Der älteste Bruder, der Kutscher Wilhelm Beer (geb.19.9.1886), war 1918 im Ersten Weltkrieg gefallen.


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 5; StaH 351-11 AfW 7661 (Vogel, Sara); StaH 351-11 AfW 23109 und 15160 (Beer, Paula); StaH 351-11 AfW 4974 (Dillitzer, Jacob); StaH 351-11 AfW 23110 (Gruber, Elsa); StaH 314-15 OFP FVg 9548 (Beer, Otto); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1967 (Vogel, Sara); 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 943 (Beer, Eduard); StaH 314-15 Abl. 1998 V 84; StaH 332-5 Standesämter 2101 u 1713/1885; StaH 332-5 Standesämter 2173 u 832/1888; StaH 332-5 Standesämter 2253 u 863/1891; StaH 332-5 Standesämter 9087 u 1681/1893; StaH 332-5 Standesämter 9136 u 344/1897; StaH 332-5 Standesämter 13403 u 1036/1900; StaH 332-5 Standesämter 8005 u 920/1910; StaH 332-5 Standesämter 8685 u 444/1912; StaH 332-5 Standesämter 975 u 1330/1931; StaH 332-5 Standesämter 1261 u 1178/1946; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 2; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 3; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 4; http://wiki-de.genealogy.net/w/index.php?title=Datei%3AKoeln-AB-1930-1.djvu&page=611 (Zugriff 4.10.2016); https://museenkoeln.de/NS-DOKUMENTATIONSZENTRUM/default.aspx?s=2523&sfrom=1198&stid=1460&dep=unbekannt (Zugriff 4.10.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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