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Melderegister Lodz
© Archivum Panstwowe, Lodz

Babette Löw * 1885

Hammer Weg 33 ggü. 36 (Hamburg-Mitte, Hamm)


HIER WOHNTE
BABETTE LÖW
JG. 1885
DEPORTIERT 1941
LODZ
???

Weitere Stolpersteine in Hammer Weg 33 ggü. 36:
Wilhelm Dettmann, Georg Traube

Babette Löw, geb. 19.11.1885, deportiert am 25.10.1941 nach Lodz

Hammer Weg, Einfahrt zum Sportplatz (Hammer Weg 37)

Als am 19. November 1885 das neunte der uns bekannten zehn Kinder der Eheleute Joseph Löw und Rosa, geb. Lichtenstädt, geboren wurde, nannten es die Eltern nach seiner Großmutter väterlicherseits Babette. Erst neun Tage später zeigte ihre Tante Jenny Dublon, geb. Lichtenstädt, ihre Geburt beim Standesamt an. Beide Eltern entstammten jüdischen Familien und gehörten zur jüdischen Gemeinde in Hamburg. Babette wurde in einer Welt von Kaufleuten groß.

Die Großmutter Babette Löw, geb. Königsberger, war mit Moses Löw verheiratet. Sie lebten in Mosbach im Odenwald, als am 15.7.1842 ihr Sohn Joseph geboren wurde. Er zog um 1870 nach Hamburg und führte einige Jahre lang am Neuen Wall einen Zigarrenhandel und ein Agenturgeschäft. Dort betrieben auch Rudolf Lichtenstädt und seine Frau Marianne, geb. Israel, ein Wäsche- und Aussteuergeschäft. Ihre Tochter Rosa, geb. 7.7.1847 in Hamburg, und Joseph Löw heirateten im Dezember 1873. Rosa Löw brachte 1874 ihr erstes Kind, Melvin, zur Welt, dem im Abstand von jeweils ein bis zwei Jahren Leo, Elsa, die Zwillinge Max und Fanny, Lilly, Jacques, Rudolf – benannt nach dem Großvater mütterlicherseits - und Babette folgten. Elsa, Fanny und Rudolf starben bereits als Säuglinge. Der als letzter am 14. Mai 1887 geborene Sohn erhielt den Namen seines verstorbenen Bruders mit dem Zusatz "Ruben".

Während dieser und der folgenden Jahre bis 1889 zog Joseph Löw mit seiner Familie vielfach um, wohingegen die Schwieger- bzw. Großeltern bis zum Tod Rudolf Lichtenstädt am Neuen Wall blieben. Ab Dezember Jahr 1881 führte Marianne Lichtenstädt als Witwe das Geschäft Bleichenbrücke 16/18 weiter, wo auch die Firma Dublon – Schuh- und Stiefelgroßhandel - ihren Sitz hatte. Hier lebte bis 1886 Joseph Löw mit seiner Familie lebte, und hier wurde Babette geboren. Die drei Familien waren durch verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verbunden.

Mit der Errichtung einer Fabrik für Schaufensterplakate am Steindamm 7 in St. Georg im Jahr 1888 wurde Joseph Löw für die folgenden vierzehn Jahre sesshaft. Leo ging noch vor der Jahrhundertwende für ein Jahr zum Militär, kurz danach zog Joseph Löw mit seiner Familie in die Große Allee 10. 1903 erwarb er das Hamburger Bürgerrecht, nachdem Melvin, der älteste Sohn, es bereits zwei Jahre zuvor erhalten hatte. Die Söhne wurden Kaufleute oder gingen ins Bankgeschäft, Lilly und Babette wurden Kontoristinnen.

Als das Kaufmannshaus Bleichenbrücke 16/18 in den Jahren 1906/1907 neu errichtet wurde, gab Marianne Lichtenstädt das Geschäft auf und lebte danach bis zu ihrem Tod im Alter von fast 90 Jahren im November 1911 bei ihrer Tochter Jenny Dublon in der Grindelallee 50, in der Nähe ihrer anderen Tochter Rosa und ihrer Enkelkinder Lilly, Jacques und Babette. Die Wohnung blieb auch Anlaufstelle für Max und Rudolf Ruben zwischen ihren auswärtigen Tätigkeiten. Nach dem Tod ihres Mannes Joseph Löw am 24. Juli 1908 hatte Rosa Löw die Wohnung in St. Georg aufgegeben und war in die Heinrich-Barth-Straße 10 gezogen. Joseph Löw war 66 Jahre alt geworden und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf beigesetzt. Er hatte noch die Heirat seines Sohnes Leo mit Erna Fries erlebt, aber nicht mehr die Geburt der Enkeltochter Ingeborg im August des Jahres.

Leo nahm trotz seines Alters als Infanterist am Ersten Weltkrieg teil und kehrte 1918 zu seiner Familie zurück, die inzwischen um die Töchter Rita und Gisa gewachsen war. Melvin und Jacques Löw heirateten Christinnen und blieben in Hamburg wohnen wie auch Leo und Erna Löw, Max und Rudolf Ruben Löw verließen schließlich Hamburg. Lilly heiratete 1924 den dreizehn Jahre älteren Lehrer Abraham Neufeld. Ihre Ehe blieb kinderlos. 1926 starb Rosa Löw im Krankenhaus Friedrichsberg im Alter von 81 Jahren. So blieb ihr erspart, die frühen Tode ihres Schwiegersohns Abraham Neufeld 1931 und den ihres Sohnes Max im Alter von nur 54 Jahren 1932 in Düsseldorf noch zu erleben.

Babette Löw trat wie ihre Geschwister Leo und Lilly als Erwachsene in die Deutsch-Israelitische Gemeinde ein und entrichtete ab 1924 ihrem Einkommen als Bankangestellte entsprechende Steuern. Nach dem Tod ihrer Mutter zog sie in den Hammer Weg 37 in Hamburg-Hamm. Sie pflegte eine Freundschaft mit Magnus Kühl aus Tönning, wie in dessen Familie später berichtet wurde. Er war evangelisch und "arisch" und heiratete 1938 eine ebenfalls "arische" Frau.

1937 gaben Babette Löws Nichten gaben dem Verfolgungsdruck nach und emigrierten. Rita und Gisa gingen 1937 nach England, Ingeborg im Jahr darauf nach Palästina, wo sie in Haifa heiratete. Von Auswanderungsbemühungen Babettes und ihrer Geschwister ist nichts bekannt. Rudolf Ruben Löw, sich in Bremen als Feinkosthändler niedergelassen hatte und in einer "Mischehe" lebte, starb am 25. November 1938. Ob sein Tod im Zusammenhang mit dem Pogrom stand, ist nicht bekannt.

Im Dezember 1938 wurde Babette Löw erwerbslos, fand jedoch im April 1939 wieder Arbeit und vermietete außerdem Zimmer. Bei der Volkszählung im Mai 1939 war unter ihrer Adresse der aus Aachen gebürtige Carl Marx gemeldet, der nach Belgien floh und offenbar die Shoah überlebte. Ein späterer Mieter war Georg Traube. Zeitweilig verrichtete sie Heimarbeit. Die Brüder wurden zu Pflicht- und danach zur Zwangsarbeit herangezogen. 1941 hatte Babette Löw ein Monatseinkommen von 150 RM und entrichtete dem entsprechende Gemeindebeiträge.

1941 geriet Leo Löw ins Visier der Justiz. Er hatte Briefe an seine Töchter in England nicht, wie vorgeschrieben, über das Rote Kreuz, sondern über ein Postfach in Lissabon geschickt, die abgefangen worden waren, bevor die jüdische Gemeinde in Hamburg im März 1941 über dieses Briefverbot informierte. Obwohl die Briefe "keinen Hinweis auf nachrichtendienstliche und staatsfeindliche Tätigkeit enthielten" und Leo Löw auch sonst nie deshalb in Erscheinung getreten war, wurde er in einem Schnellverfahren zu einem Monat Gefängnishaft und Zahlung sämtlicher Kosten des Verfahrens verurteilt. Ein Gesuch, die Haftstrafe in eine Geldbuße umzuwandeln, hatte Erfolg. Die Buße wurde auf 100 RM, das Ende der Bewährungsfrist auf den 1. Juni 1944 festgesetzt.

Als erste der Geschwister wurde Babette Löw deportiert. Sie wurde zum Transport am 25. Oktober 1941 nach Lodz aufgerufen, mit dem die Deportationen Hamburger Juden und Jüdinnen begannen. Babette Löw galt mit ihren fast 55 Jahren als "zum Aufbau im Osten" geeignet, unabhängig von ihrer Gesundheit. Mit dem gleichen Transport wurde Georg Traube, ihr Untermieter, deportiert. Was mit der Wohnungseinrichtung geschah, ließ sich nicht ermitteln.

Babette Löws letzte Adresse lautet Steinmetzgasse 21/2 im Ghetto von Lodz. Dort arbeitete sie als Stenotypistin. Wann und wo sie ums Leben kam, wissen wir nicht.
Mit dem letzten der vier Transporte des Jahres 1941 in den Osten wurden Leo und Erna Löw am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Von ihnen fehlt jede Spur. Im März 1942 nahm sich Melvin Löw in Hamburg das Leben, am 11. Juli 1942 wurde Lilly Neufeld direkt nach Auschwitz deportiert und offenbar nach ihrer Ankunft sofort vergast.

© Hildegard Thevs

Quellen: 1, 4, 5; div. AB; StaH, 213-11 Gefängniswesen, 4783/41; 332-5 Standesämter, 2109+5580/1885; 1976+1043/1880; 2005+3399/1881; 8790+187/1924; 600+1250/1908; 7064+495/1926; 4690+1217/1976; 351-11 AfW, 5349; 522-1, Jüdische Gemeinden: o. Sign. Mitgliederzählung der DIGH 1928; 390 Wählerverzeichnis 1930; 391 Mitgliederliste 1935; 992 e 2, Deportationslisten, Bd. 1, 3 u. 4; BA Bln., Volkszählung 1939; Archivum Panstwowe, Lodz; schriftliche Mitteilungen von Renate Welte vom 12.11.2012.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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