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Bereits verlegte Stolpersteine



Bruno Wolf * 1872

Dammtorstraße 28 (Oper) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


entrechtet gedemütigt Schlaganfall tot 07.10.1937

Weitere Stolpersteine in Dammtorstraße 28 (Oper):
Gustav Brecher, Dr. Max Fraenkel, Hermann Frehse, Camilla Fuchs, Mauritz Kapper, Jacob Kaufmann, Ottilie Metzger-Lattermann, Kurt Abraham Salnik, Joseph Schmidt, Magda Spiegel, Viktor Ullmann

Bruno Wolf, geb. am 25.5.1872 in Sahr/Mähren, gestorben am 7.10.1937 in Hamburg

Dammtorstraße 28 (Oper)

Bruno Wolf wurde 1872 in der Vielvölkermonarchie Österreich-Ungarn geboren. Sein Geburtsort Žd‘ár (deutsch Sahr) lag rund 40 km nordöstlich von Jihlava (deutsch Iglau), an der Grenze zu Böhmen, wo es eine große Jüdische Gemeinde und ein deutsches Gymnasium gab und wo der Komponist und Dirigent Gustav Mahler (1860–1911) in seiner Jugend lebte. Bruno Wolf gehörte in Österreich-Ungarn als Mähre und Jude in doppelter Hinsicht zur Minderheit.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sein Geburtsort der neu gegründeten Tschechoslowakei zugeschlagen. Da Bruno Wolf schon vor Gründung des neuen Staates dessen Territorium verlassen hatte, erhielt er möglicherweise nicht dessen Staatsangehörigkeit. Sofern er zu diesem Zeitpunkt keine andere Staatsangehörigkeit beantragt hatte, könnte er staatenlos gewesen sein.

Schon vor 1910 zog er nach Hamburg und spielte als Hornist im Orchester des Hamburger Stadttheaters. Er wurde im Hamburger Adressbuch seit 1910 als Hauptmieter geführt mit den Wohnadressen Eppendorfer Weg 81/Eimsbüttel (1910–1913), Weidenstieg 7/Eimsbüttel (1914–1915) und Blücherstraße 42/Eppendorf (1916–1937). Seit 1923 gehörte er der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburgs an. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurden er und die Geigerin Bertha Dehn (geb. 23.11.1881 in Hamburg) zum 30. September 1933 ebenso entlassen wie der Kontrabassist Siegfried Freundlich (geb. 18.1.1882 in Hamburg) (s. Leopold Freundlich). Unterlagen über seine Kündigung sind nicht erhalten.

Für jüdische Künstlerinnen und Künstler gestattete das NS-Regime nur noch Auftritte im Rahmen des Reichsverbandes der Jüdischen Kulturbünde. Auch hierfür musste ein umfangreicher Fragebogen bei Hans Hinkel (1901–1960, seit 1921 Mitglied der NSDAP, ab 1930 Schriftleiter des "Völkischen Beobachters") eingereicht werden, der seit dem 30. Januar 1933 als Staatskommissar im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung fungierte und zugleich "Sonderbeauftragter für die Überwachung und Beaufsichtigung der Betätigung aller im deutschen Reichsgebiet lebenden nichtarischen Staatsangehörigen auf künstlerischem und geistigem Gebiet" war. Ob Bruno Wolf noch bei Veranstaltungen des Jüdischen Kulturbundes in Hamburg auftrat, ist nicht bekannt.

Bruno Wolf verstarb am 7. Oktober 1937 im Alter von 65 Jahren in Hamburg im Israelitischen Krankenhaus (Eckernförderstraße 4) an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine Ehefrau Adeline Wilhelmine Antoinette Wolf, geb. Wrede, verwitwete Bries (geb. 18.1.1862 in Langwarden/Oldenburg), war bereits 1932 im Israelitischen Krankenhaus in Hamburg verstorben. Auf den Sterbeurkunden der Eheleute fand sich kein Hinweis auf das Jahr der Eheschließung sowie mögliche Kinder.

Der ebenfalls entlassenen Geigerin Bertha Dehn (1881–1953) gelang noch kurz vor ihrer Deportation ins Getto Lodz die Ausreise: Am 16. Oktober 1941 emigrierte sie über Paris, Barcelona und Kuba nach Ecuador, wo bereits ihr Bruder Georg Dehn lebte. Der Kontrabassist Siegfried Freundlich wurde am 25. Oktober 1941 ins Getto Litzmannstadt im besetzten polnischen Lodz deportiert, wo er am 3. Februar 1942 verstarb.

Zum Zeitpunkt der Stolpersteinverlegung 2007 war der mögliche Ausgrenzungs- und Verfolgungsweg von Bruno Wolf noch nicht erkundet. Ein konkreter Hinweis auf einen direkt verfolgungsbedingten Tod ließ sich im Falle Bruno Wolf bei den Recherchen 2016/2017 nicht erbringen, wobei die verfolgungsbedingten Drangsalierungen durchaus zum Schlaganfall geführt haben können.

Für den Musikerkollegen Siegfried Freundlich wurde in der Heinrich-Barth-Straße 14 (Rotherbaum) ein Stolperstein verlegt.


Stand: August 2018
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 131-11 (Personalamt), 1184 (Bertha Dehn, 1964); StaH 332-5 (Standesämter), 2009 u. 5468/1881 (Geburtsregister 1881, Bertha Dehn); StaH 332-5 (Standesämter), 993 u. 172/1932 (Sterberegister 1932, Wilhelmine Wolf); StaH 332-5 (Standesämter), 1070 u. 380/1937 (Sterberegister 1937, Bruno Wolf); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 5693 (Bertha Meta Dehn); StaH 352-5 (Gesundheitsbehörde – Todesbescheinigungen), 1937, Standesamt 2a, Nr. 380 (Bruno Wolf); StaH 363-4 (Kulturverwaltung, Personalakten), 001 (Bertha Meta Dehn); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Bruno Wolf, Bertha Dehn, Siegfried Freundlich; StaH 731-8 (Zeitungsausschnittsammlung), A 754 (Bertha Dehn); Staatsarchiv Oldenburg, Verzeichnis Geborene u. Getaufte im Kirchspiel Langwarden/Oldenburg 1862 (Geburt 18.1., Taufe 23.2.); Adressbuch Hamburg 1910, 1913–1916, 1919, 1923, 1927, 1930, 1932, 1936; Humphreys: Reiseführer Tschechische & Slowakische Republik, S. 377, 378; Wulf: Theater, S. 18 (Hinkel); Wulf: Musik, S. 410–413 (Fragebogen); www.lexm.uni-hamburg.de (eingesehen 18.7.2016).

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