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Heinz Leidersdorf * 1906

Grindelhof 30 (TTS) (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1943 Auschwitz
ermordet 18.02.1943

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Weitere Stolpersteine in Grindelhof 30 (TTS):
Dr. Walter Bacher, Emil Emanuel Badrian, Asriel Brager, Ilse Brager, Sally Brager, Dr. Joseph Carlebach, Dr. Hermann Freudenberger, Josua Falk Friedlaender, Julius Hamburger, Walter Nathan Herz, Bertha Hirsch, Leopold Hirsch, Dr. Alberto Jonas, Benno Kesstecher, Richard Levi, Emil Nachum, Mathias Stein, Artur Toczek

Adele Leidersdorf, geb. Heymann, geb. 22.1.1878, deportiert am 6.12.1941 nach Riga
Heinz Leidersdorf, geb. 26.2.1906, 1935–36 Haft im KZ Fuhlsbüttel, 1937–1943 Haft im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen, am 14.1.1943 deportiert nach Auschwitz, dort ermordet am 18.2.1943

Grubesallee 21 – Rahlstedt

Adele Leidersdorf stammte aus Essen, wo sie am 22. Januar 1878 als Tochter von Julius und Regina Heymann geboren wurde. 1927 lebte sie mit ihrem Ehemann, dem Kaufmann Hugo Leidersdorf (Jg. 1867), in der Wilhelmstraße 71 in Rahlstedt. Ihr ältester Sohn war im Ersten Weltkrieg gefallen, der Sohn Heinz lebte bei den Eltern. 1928 erwarben diese das Haus in Altrahlstedt, Grubesallee 21. Das Grundstück hatte dem Maurermeister Conrad Salow gehört und wurde nun auf Adele Leidersdorf als Käuferin übertragen.

Ende 1933 beging ihr Ehemann Suizid. Hugo Leidersdorf, Träger des Ehrenkreuzes für seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg, hatte finanzielle Rückschläge aufgrund der Wirtschaftskrise und eine seelische Krise, die vermutlich auch mit dem politischen Machtwechsel zusammenhing, nicht verkraftet. Die wirtschaftliche Situation der Witwe war fortan prekär, so dass sie von ihrem Sohn unterstützt werden musste. Als dieser verhaftet wurde, entfielen seine Versorgungsleistungen jedoch, und die jüdische Wohlfahrt musste einspringen.

Heinz Leidersdorf trat für seine politische Überzeugung ein und wurde dafür verurteilt. Doch zu Tode kam er nicht durch ein Gerichtsurteil, er wurde in ein Vernichtungslager deportiert, weil er Jude war.

Am 26. Februar 1906 in Neuhaus an der Elbe geboren, besuchte er dort die Volks- und Höhere Privatschule. Ab 1918 wechselte er auf das Gymnasium in Lübeck und vier Jahre später auf das Gymnasium in Lüneburg, wo er 1924 das Reifezeugnis erhielt. Anschließend studierte er Biologie und Chemie an den Universitäten Köln, Marburg und Hamburg.

1928 trat er in die KPD ein und wurde 1931 Mitglied der "Roten Studentengruppe" der Hochschule Hamburg. Im Laufe des Jahres schloss man ihn wegen kritischer Positionen aus der Partei aus. Er wandte sich 1932 der Trotzki-Gruppe zu, die sich 1928 von der KPD abgespalten hatte und sich auf den Stalin-Kritiker Leo Trotzki bezog. Dessen politische Positionen und Werdegang sprachen Leidersdorf an. Trotzki war aus dem Politbüro und aus der KPdSU ausgeschlossen und mit anderen Oppositionellen verbannt und des Landes verwiesen worden. Gerade hatte die Sowjetunion ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt und seine Verfolgung durch den sowjetischen Geheimdienst angeordnet.

Heinz Leidersdorf gehörte neben Erich Kohn und Georg Jungclas bald zu den führenden Mitgliedern der Trotzki-Gruppe.

Das Jahr 1933 brachte außer dem Machtantritt der Nationalsozialisten weitere einschneidende Veränderungen mit sich. Leidersdorf schloss sein Studium der Biologie und Chemie ab. Seine illegale politische Arbeit führte am 25. Juli 1933 zu seiner Festnahme. Er wurde wegen des Verdachts auf staatsfeindliche Betätigung in sogen. Schutzhaft genommen, die er im KZ Fuhlsbüttel (Kolafu) verbrachte.

Ein Mitgefangener, Curt Bär, Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) berichtete Ende der 1970er Jahre von dieser Zeit: "Da saßen wir drei Politischen also zunächst in einer Art Vorbeugehaft in einer Zelle im Kolafu; noch hatten wir alle drei ja nichts Illegales verbrochen. Außer mir waren das ein KPD-Mitglied und der Trotzkist Heinz Leidersdorf, der am Ende seiner Lehrerausbildung als Biologe stand, Jude. Von ihm habe ich noch zu berichten. In der gebotenen geringen Lautstärke haben wir lange Gespräche geführt ... Mit Leidersdorf verband mich außerdem unser gemeinsames Interesse an Problemen der Biologie und anderer naturwissenschaftlicher Gebiete."

Im September 1933 kam Leidersdorf mangels Beweisen frei und nahm nach Berichten der Gestapo die illegale Betätigung wieder auf. Es kam zu Gruppentreffen, u. a. im Wandsbeker Gehölz, in der Wohnung seiner Mutter in Rahlstedt bzw. in seiner Unterkunft in der Hansastraße (s. u.).

Sein Plan, durch Vermittlung von Verwandten nach Südafrika auszuwandern, war inzwischen gescheitert. Am 27. November wurde er mit dem Suizid seines Vater konfrontiert und musste sich der Tatsache stellen, für seine Mutter zu sorgen. Er versuchte, seine Lehrerausbildung fortzusetzen, konnte als Jude das Referendariat jedoch nicht mehr absolvieren. Mit Hilfe der jüdischen Berufsberatung fand er ab Oktober 1934 eine Beschäftigung an der Talmud Tora Realschule am Grindelhof, wo er Biologie unterrichtete und dafür 40 RM monatlich erhielt. Da sein geringes Stundendeputat nicht ausreichte, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, gab er zusätzlich Privatstunden. Er hatte sich in Schulnähe ein Zimmer genommen, in der Hansastraße 82 III. bei Clemens und war in die Deutsch-Israelitische Gemeinde eingetreten.

Im Januar und Sommer 1935 hielt er sich in Kopenhagen bei seinen mittlerweile emigrierten Genossen Kohn und Jungclas auf (s.a. Kap. Schlachcis). Möglicherweise spielte er ebenfalls mit dem Gedanken, nach Dänemark zu emigrieren, sah sich jedoch vor die Schwierigkeit gestellt, dort eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten bzw. eine qualifizierte Beschäftigung zu finden.

Ab Oktober 1935 war er wieder in der Grubesallee 21 bei seiner Mutter gemeldet, offenbar eine finanziell bedingte Lösung.

Am 2. November 1935 schlug die Hamburger Gestapo wieder zu, die die Trotzki-Gruppe seit etwa einem halben Jahr observiert hatte wegen des Verdachts auf Vorbereitung zum Hochverrat. Heinz Leidersdorf, Walter Munter und andere wurden bei der Übergabe eines Koffers mit illegalen Schriften vor der Kunsthalle festgenommen und ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel verbracht. Leidersdorf saß dort vom 4. November bis zum 30. April 1936 und vom 4. Juni bis 24. Juni 1936 als Gestapo-Häftling ein und wurde verhört. Die übrige Zeit befand er sich in Untersuchungshaft. In der Gefangenenkartei ist sein Aussehen beschrieben. Demnach war er 170 cm groß, schlank, hatte ein ovales Gesicht und braune Haare; er trug keinen Bart.

Im Juni 1936 wurde auch der bereits erwähnte Curt Bär verhaftet und beschuldigt, die Trotzki-Gruppe Leidersdorf mit illegalen Materialien versorgt zu haben, die dieser zu den Gruppentreffen mit Munter und Defert mitnahm. Der Mitverhaftete Wilhelm Defert hatte ausgepackt. "Da war also von Leidersdorf eine Sicherheits-Absprache nicht eingehalten!", schrieb Bär, der die Anschuldigungen bisher bestritten hatte.

Bei einem Hofgang forderte er Leidersdorf auf, seine Aussage zu widerrufen und sich einen ihm unbekannten Kurier auszudenken, von dem er das illegale Material angenommen hätte, und auszusagen, er habe nur vom Inhalt her vermutet, es stamme von Bär. Doch Heinz Leidersdorf hätte Bär wohl nicht entlasten können, denn zwischenzeitlich war die Gestapo auch von anderer Seite an Informationen über Bärs ISK-Arbeit gelangt, so dass ein weiteres Leugnen Bärs zwecklos gewesen wäre.

1937 beraumte der sogen. Volksgerichtshof in Berlin einen Prozesstermin an. Leidersdorfs Mutter bemühte sich etwa einen Monat vor Prozessbeginn darum, ihren Sohn vor seiner Verlegung nach Berlin im Hamburger Untersuchungsgefängnis zu besuchen und schrieb einen Brief an das Berliner Gericht.

"Rahlstedt, den 17. Jan. 1937
Grubesallee 21
An den Herrn Reichsanwalt beim Volksgerichtshof Berlin
Ich bitte um einen Sprechschein zum Besuch meines Sohnes Heinz. In den nächsten Wochen muss ich mich nochmals einer Augenoperation unterziehen und möchte so oft es geht noch meinen Sohn sehen. Wäre es nicht möglich, dass ich mir in Hamburg einen Sprechschein geben ließe? So lange ist mein Sohn gewiss nicht mehr dort im U.G.
Frau Adele Leidersdorf"

Sie erhielt die Sprecherlaubnis. Doch nach dem Besuch sorgte sie sich erst recht um den Sohn. Vermutlich hatte sie erkannt, wie aussichtslos dessen Position als Angeklagter ohne ausreichende Verteidigungsmöglichkeit war. Nun versuchte sie, beim Ankläger für ihren Sohn einzutreten.

3.2.1937 (Eingangsstempel) An Herrn Reichsanwalt am VGH in Berlin
Da mein Sohn Heinz Leidersdorf morgen nach Berlin ins U.G. kommt, frage höflichst an, ob ich ihm ... eine heile Hose und Weste schicken darf und auch ein Lebensmittelpaket, vielleicht das letzte für lange Zeit. Ist es erlaubt ihm zu schreiben? Mein Sohn macht sich meinetwegen so viel Sorgen wegen meines Leidens, er hängt sehr an mir u. ich an ihm.
Mein Sohn ist ein ganz prächtiger, anständig gesinnter Mensch, er hat viel Schweres mit uns durchgemacht. Umstände bestimmen den Menschen. Not u. Verzweiflung haben ihn wohl in dieses politische Verhängnis hineingetrieben. Meine Söhne sind in vaterländischem Geist erzogen. Von der Schulbank zog der Älteste ins Feld, kämpfte heldenhaft vor Ypern u. wurde später in Galizien vermisst. Ein furchtbares Schicksal. Nun habe ich nur noch den Heinz. Mein (seliger) Mann, der auch das Ehrenkreuz hatte, sich im Kriege sehr verdient machte, ging freiwillig aus dem Leben.
Mein Sohn Heinz war ein gewissenhafter, fleißiger Student, er machte sein Staatsexamen mit gutem Prädikat. Wir brachten ihm so gerne das Opfer, ihm das Studium zu ermöglichen, wir schränkten uns gerne ein. Nach dem Tode meines Mannes gab er mir ... von seinem bescheidenen Einkommen, aber war er noch nicht fest angestellt in der T. T. Schule. Es ist mir ein Rätsel, woher er die Zeit nahm, sich politisch zu betätigen. Ich bitte den Herrn Reichsanwalt herzlichst, meinen Sohn nicht zu strenge zu bestrafen, er ist kein gefährlicher Mensch, wer weiß, wie er in die Sache verwickelt wurde. Ich bin sehr unglücklich darüber, wenn mir dieser Einzige, den ich habe, nur gesund bleibt. Wenn er zu lange Strafhaft bekommt, ertrage ich das nicht.
Seien Sie ihm ein milder Richter, ich bitte darum.
Mit vorzüglicher Hochachtung Frau A. Leidersdorf"

Am 5. Februar 1937 brachte man Heinz Leidersdorf nach Berlin-Moabit, wo er sich in den folgenden zwei Wochen auf seinen Prozess vorbereitete. Er erhielt einen Pflichtverteidiger. Das Gerichtsverfahren wurde am 17. Februar 1936 eröffnet. Heinz Leidersdorf war gemeinsam mit dem kaufmännischen Angestellten Walter Munter und dem Schriftsetzer Wilhelm Defert wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeklagt. Als Richter fungierten Senatspräsident Engert als Vorsitzender, Landgerichtsdirektor Dr. Zieger, Bauer und Altlandesbauernführer Bredow, Generalmajor Bock von Wülfingen, SA-Brigadeführer Walch; Beamter der Staatsanwaltschaft war Staatsanwaltschaftsrat Dr. Brenner. Das Urteil stand bereits am 19. Februar fest. Leidersdorf erhielt wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens neun Jahre Zuchthaus und neun Jahre Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. (Diese allerdings hatte der NS-Staat ihm als Juden 1933 und 1935 ohnehin bereits aberkannt.) 15 Monate der U-Haft wurden angerechnet. Munter und Defert wurden zu zehn bzw. sechs Jahren verurteilt. Das beschlagnahmte Schriftenmaterial – geschätzter Wert 1 RM – wurde eingezogen. Die Kosten des Verfahrens hatten die Angeklagten zu tragen.

In der Urteilsbegründung hieß es: "Die Aktionen richteten sich letztlich immer gegen dasselbe Rechtsgut, die Sicherheit des Deutschen Reiches. Der Angeklagte Leidersdorf hat zwar nicht so lange und nicht so intensiv gearbeitet wie Munter, er ist jedoch zweimal nach Kopenhagen gefahren und hat dort mit den jüdischen Emigranten Kohn und Jungclas über die illegale Trotzki-Organisation verhandelt. Wenn Leidersdorf mit diesen Reisen auch private Zwecke verbunden haben will, ändert das nichts an der Tatsache, dass er sich bei diesen Reisen auch hochverräterisch betätigt hat. Wenn Leidersdorf – wie er behauptet, zu seiner illegalen Betätigung auch mit durch unglückliche wirtschaftliche und häusliche Verhältnisse getrieben sein mag, so ist seine Tat nach der Überzeugung des Senats doch in erster Linie auf seine gehässige und feindselige Einstellung, die er als Jude gegen das Dritte Reich hat, zurückzuführen. Gegen ihn ist daher auf eine Zuchthausstrafe von 9 Jahren erkannt worden. ...
Durch ihre Betätigung haben die Angeklagten das große, friedliche Aufbauwerk des Führers für Volk und Staat in hinterlistiger Weise zu schädigen versucht und sich damit bewusst außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt. Ihnen sind daher die bürgerlichen Ehrenrechte ... aberkannt worden."

Die Feindschaft des NS-Regimes gegenüber der jüdischen Bevölkerung war allerdings nicht Gegenstand der Verhandlung.

Am 22. Februar 1937 wurde der Verurteilte aus der Untersuchungshaft in das Berliner Zuchthaus Plötzensee gebracht. Zwei Tage später verlegte man ihn nach Bremen ins Zuchthaus Oslebshausen.

Adele Leidersdorf hätte ihren Sohn gern besucht, doch ihr Augenleiden und ihre geringen Geldmittel hielten sie davon ab, nach Bremen zu fahren. So sandte sie ein Gesuch nach Berlin, ihren Sohn in eine Hamburger Strafanstalt zu verlegen. Das lehnte der Generalstaatsanwalt beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg ab. Am 18. März 1937 schickte er die Begründung an seinen Berliner Kollegen. "Einer Verlegung des Zuchthausgefangenen Heinz Leidersdorf ... nach Hamburg-Fuhlsbüttel vermag ich nicht zuzustimmen, da die angeführten Gründe nicht rechtfertigen, die gegen Leidersdorf erkannte Strafe entgegen dem geltenden Strafvollstreckungsplan in Hamburg zu vollziehen. Sollte die Mutter des Leidersdorf nicht im Besitze der Mittel zu einer Reise nach Bremen sein, so wird ihr anheim gegeben, sich mit einem Unterstützungsgesuch an die Bremischen Vollzugsanstalten zu wenden. Falls das Augenleiden eine Reise nach Bremen nicht zulassen sollte, so bin ich damit einverstanden, dass Leidersdorf zwischen 2 ständig zwischen Hamburg und Bremen mit Kraftwagen stattfindenden Transporten nach Hamburg verlegt wird, damit seine Mutter ihn besuchen kann. In diesem Falle wird gebeten, sich unmittelbar mit den Bremischen Vollzugsanstalten in Verbindung zu setzen."

Diese Antwort macht deutlich, dass es durchaus Ermessensspielräume innerhalb der NS-Justiz gab, selbst wenn es sich um politische Strafgefangene handelte.

Ob sich Mutter und Sohn noch sehen konnten, ist nicht dokumentiert.

Heinz Leidersdorf wurde am 2. April 1937 für zehn Tage noch einmal nach Berlin gebracht und anschließend nach Bremen zurückverlegt.

Seine Mutter war vom 21. Januar 1939 bis 22. Januar 1940 in der Brahmsallee 21 gemeldet, danach wieder Grubesallee 21. Sie wurde 1940 von der Jüdischen Gemeinschaft unterhalten und betreut. Nach einem Vermerk der Dienststelle des Senators Wilhelm von Allwörden von Oktober 1939 besaß sie noch ihr Grundstück, das überschuldet war. Um die Schulden zu tilgen, musste sie eine Hypothek mit monatlichen Raten von 70 RM abtragen. Nach Abzug der Verbindlichkeiten blieben ihr nur 46 RM monatlich zum Leben.

Sie lebte bis zur Deportation in Rahlstedt. Von dort wurde sie zur Sammelstelle an der Moorweide gebracht und am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert, wo sich ihre Spur verlor.

Zwei Tage vor der Deportation war ihr Vermögen bereits zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen worden. Das 605 qm große Grundstück in Altrahlstedt fiel im Februar 1942 an den Staat und wurde im Sommer 1942 weiterverkauft. Erwerber war ein Stadtinspektor, der in dem Haus zur Miete wohnte, möglicherweise auch schon zu Zeiten der früheren Eigentümerin.

Es ist anzunehmen, dass Heinz Leidersdorf, immer noch Häftling in Bremen-Oslebshausen, über die Deportation seiner Mutter informiert war. Als die Anordnung erging, alle Haftanstalten von jüdischen Häftlingen zu räumen, musste auch er seine letzte Reise antreten. Am 14. Januar 1943 wurde er "anderweitig überstellt" – nach Auschwitz. Dort wurde Heinz Leidersdorf am 18. Februar 1943 ermordet, wenige Tag vor seinem 37. Geburtstag. Das vom Gericht festgesetzte reguläre Ende seiner Haftstrafe war auf den 19. November 1944 datiert, von diesem Datum trennten ihn de facto noch etwa 1 1/2 Jahre.

Mit seiner Ermordung war die gesamte Familie ausgelöscht. An Heinz Leidersdorfs Vater Hugo erinnert eine Grabplatte auf dem Friedhof Jenfelder Straße. Sein ursprüngliches Grab war entweder 1943 bei der Bebauung des Friedhofgeländes zerstört oder 1955 verlegt worden.

© Astrid Louven

Quellen: 1; 2 R 1939/1417; StaHH 241-1 I Justizverwaltung I, Signatur 2911 Schutzhaftzeiten; StaHH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 16, Untersuchungsgefangene-Männer, alte Kartei: Auskunft Hr. Stukenbrock vom 29.4.2004; StaHH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Abl. 13, Gefangenenkartei Männer, jüngere Kartei; StaHH 213-9 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Strafsachen, Verfahrensregister 1936 Az. OJs 78/36 Verfahren wg. Vorbereitung zum Hochverrat 17.02.1936 eröffnet, vom Reichsanwalt beim Volksgerichtshof zum Az. 15 J 544/36 übernommen; Bundesarchiv Strafakten des Volksgerichtshofs, Anklageschrift des Reichsanwalts in der Strafsache Munter und andere betr. Leidersdorf Az. 15 J 544/36 vom 24.6.1936 und 26.11.1936 sowie Vollstreckungsbd. 2; Grundbuchakte Altrahlstedt 2087; AB 1931 VI; Wikipedia, Stichwort Leo Trotzki am 28.9.2007; Curt Bär, Göttingen, S. 74, 84, 92, 96; Naphtali Bar Giora Bamberger, Memorbuch Bd. 2, S. 48; Gertrud Meyer, Nacht, S. 147, 233, 236, 271; Thomas Pusch, Exil, S. 208f.; Ursula Wamser, Wilfried Weinke, Studienreferendar, in: dies., Jüdisches Leben, S. 262ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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