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Richard Elkeles * 1906

August-Krogmann-Straße 100 (Versorgungsheim Farmsen) (Wandsbek, Farmsen-Berne)

Zuchthaus Fuhlsbüttel
ermordet 12.03.1941

Weitere Stolpersteine in August-Krogmann-Straße 100 (Versorgungsheim Farmsen):
Ludwig Döpking, Wanda Hoffmann, Martin Lentfer, Gustav Remi

Richard Elkeles, geb. am 30.12.1906 in Hamburg, inhaftiert von 1939–1941, gestorben am 12.3.1941 im Zentrallazarett

August-Krogmann-Straße 100

Der spätere Buchbinder Richard Elkeles wurde als Sohn des jüdischen Weinhändlers Rudolf Elkeles und seiner Frau Bertha, geb. Levi, in Hamburg geboren. Die Eltern verstarben während des Zweiten Weltkriegs in Hamburg, ein Bruder wanderte nach Argentinien aus.

Richard Elkeles war seit seiner Kindheit in verschiedenen Erziehungsanstalten und Heimen untergebracht. Auf Veranlassung seiner Mutter kam er als 12-Jähriger in das Privaterholungsheim Dr. Wiese in Eisenach, einer Einrichtung für schwer erziehbare Kinder, von dort nach Wolfenbüttel in ein Internat. Zwei abgebrochene kaufmännische Lehren führten zu "häuslichen Zwistigkeiten", weshalb er sich vom 28. Februar bis 6. Mai 1925 in der Staats­kran­ken­anstalt Friedrichsberg befand. Anschließend erfolgte die Einweisung in eine Einrichtung des Rauhen Hauses (Kattenhof bei Kaltenkirchen) durch das Jugendamt. Nach einem Selbstmordversuch kam Elkeles für zwei Jahre, von 1926 bis 1928, in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg. Von 1928 bis 1933 war er in der Heilerziehungsanstalt Calmenhof (Idstein im Taunus) untergebracht, wo er erfolgreich eine vierjährige Buchbinderlehre absolvierte.

Auf Antrag seiner Mutter wurde er durch Beschluss des Hamburger Amtsgerichts vom 14. Juli 1934 wegen angeblicher "Geistesschwäche" entmündigt. Da er die "Pflichtarbeit" in Rickling nicht leisten konnte, wurde Elkeles 1935 im Versorgungsheim Farmsen untergebracht. Am 8. Januar 1936 erfolgte auf Beschluss des Erbgesundheitsgerichts in Hamburg die Zwangssterilisation. Am 13. Februar 1939 wurde er aus der Farmsener Anstalt entlassen, weil er auswandern wollte. Er zog zu seiner Mutter in die Dillstraße 19. Wegen eines Nervenzusammenbruchs wurde er vom 3. bis 11. März 1939 stationär in Friedrichsberg behandelt. Nach Aussagen eines Gerichtsmediziners beschäftigte er sich viel mit Rassen-, Abstammungs- und Sexualfragen.

Am 6. April 1939 erstattete Elkeles Selbstanzeige wegen "widernatürlicher Unzucht". Er gab an, dass er seit seinem 13. Lebensjahr gleichgeschlechtliche Kontakte hatte, u. a. mit Schulkameraden und erwachsenen Heiminsassen. Elkeles: "Ich habe mich freiwillig gestellt, um mich von dieser Schuld reinzuwaschen und damit ich mit reinem Gewissen nach der Strafverbüßung Arbeit aufnehmen kann." Am 11. April 1939 wurde er ins Untersuchungsgefängnis eingewiesen.

Im Oktober 1939 wurde Elkeles von einem Mediziner im Auftrag der Staatsanwaltschaft untersucht. Aus dem vernichtenden Gutachten des Dr. Rolf Schwarke vom 24. Oktober 1939: "Es ist unmöglich, Elkeles sich selbst zu überlassen. Auch ein Vormund bietet ihm keinen genügenden Halt. Der Beschuldigte wird stets wieder versagen, sowohl auf sittlichen wie auf anderen Gebieten. Da die Prognose als absolut ungünstig anzusehen ist, bildet er eine dauernde Gefahr für die Allgemeinheit, zumal in der heutigen Zeit. Auf Grund der primärcharakterlichen Abartigkeiten ist daher die Sicherungsverwahrung dringend notwendig. Nach dem ganzen Eindruck ist zu erwarten, dass sich seine sexuelle Einstellung mehr auf gleich geschlechtliche und unzüchtige Handlungen richten wird als auf die ihm als Jude zustehenden normalgeschlechtlichen. Sein ganzes Verhalten ist nicht durch irgendeine geistige Störung bedingt, sondern es ist der Ausdruck des Charakters. Irgendeine Geisteskrankheit liegt nicht vor. … Der Untersuchte ist eine haltlose, arbeitsscheue, psychopathische Persönlichkeit mit einer vorwiegenden Affektarmut, Urteilsschwäche und Herabsetzung der ethischen Vorstellungen."

Am 8. Dezember 1939 erfolgte die Urteilsverkündung durch die Große Strafkammer VI des Landgerichts Hamburg. Elkeles wurde "als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher wegen Un­zucht mit Männern in sieben, teils in sich fortgesetzten Fällen ... zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren Zuchthaus" verurteilt. Zudem wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von drei Jahren aberkannt und die "Sicherungsverwahrung" nach Strafverbüßung angeordnet. Das heißt, Elkeles drohte nach dem Zuchthaus die Einlieferung in ein Konzentrationslager.

Aus dem Urteil des Landgerichtsrats Hermann Wehlen: "... wie sich aus den Gutachten der beiden Sachverständigen ergibt, [lässt sich] lediglich auf Defekte des Angeklagten schließen, die auf charakterlichem Gebiete liegen. Auf intellektuellem Gebiet sind die Defekte des Angeklagten nicht so groß, daß ihretwegen die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten auch nur erheblich vermindert wäre. Der Angeklagte ist ein debiler, af[f]ektarmer und urteilsschwacher Psychopath, der im Leben nichts taugt ...". Damit erreichten die Gutachter und die Richter, dass Elkeles nicht mit einer Strafminderung wegen Unzurechnungsfähigkeit und damit mit der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt rechnen konnte.

Fünf Tage nach der Urteilsverkündung legte Elkeles‘ Anwalt Revision ein. Deshalb blieb der Verurteilte weiterhin in Untersuchungshaft im Landgerichtsgefängnis. Am 9. Februar 1940 wurde der Antrag seines Anwalts als unbegründet verworfen. Daraufhin kam er am 12. März 1940 ins Zuchthaus Fuhlsbüttel. Auf den Tag genau ein Jahr später, am 12. März 1941, verstarb er im Alter von 34 Jahren im Zentrallazarett am Holstenglacis 3. Die offizielle Todesursache lautete auf "Lungentbc".

Da Richard Elkeles die meiste Zeit seines Lebens in Anstalten untergebracht war und wegen seiner gleichgeschlechtlichen Beziehungen zu Insassen des Versorgungsheimes Farmsen verurteilt wurde, erinnert ein Stolperstein vor dem ehemaligen Versorgungsheim Farmsen (heute: Pflege- und Behindertenzentrum, August-Krogmann-Straße 100) an sein Schicksal.

© Bernhard Rosenkranz(†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaH, 242-1II (Gefängnisverwaltung II), Ablieferungen 13 und 16; StaH 213-11 (Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen), 2339/41; StaH 332-5 (Standesämter), 1139 (Eintrag Nr. 101).

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