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Michael Pielen * 1893

Isestraße 61 (Eimsbüttel, Harvestehude)

KZ Ravensbrück
ermordet 11.07.1942

Weitere Stolpersteine in Isestraße 61:
Josepha Ambor, Else Baer, Hedi Baer, Ingrid Baer, Joseph Baer, Minna Benjamin, Rosalie Benjamin, Emma Dugowski, Henriette Dugowski, Hermann Dugowski, Ida Dugowski, Moritz Dugowski, Wanda Dugowski, Selly Gottlieb, Heinrich Ilse, Ella Meyer, Max Meyer, Otto Meyer, Gregor Niessengart, Sophie Philip, Gertrud Rosenbaum, Edmund Sonn

Michael Pielen, geb. 29.5.1893, inhaftiert 1927, 1937, 1939, 1940, gestorben 11.7.1942 KZ Ravensbrück

Michael Pielen wurde am 29.5.1893 in Dülken im Rheinland als einer von drei Söhnen von Marianne, geb. Neuhausen, und des Spediteurs Arnold Pielen geboren. Nach der Entlassung aus der Realschule arbeitete er zunächst im väterlichen Betrieb. Im November 1914 wurde er zum Wehrdienst eingezogen und bei Kriegsende als Unteroffizier entlassen.

1923 reiste er nach Buenos Aires, wo er als Kellner arbeitete. Ende 1924 kehrte er nach Hamburg zurück und fuhr als Steward auf großen Dampfschiffen zur See. In der Hansestadt arbeitete er u. a. im Restaurant des Wartesaals der 1. Klasse im Hauptbahnhof. Im Juni 1940 bekam er eine Anstellung als Kellner im Café Vaterland am Ballindamm. Hier betrug sein Wochenlohn 50 RM netto.

Er wohnte in einer Dachgeschosswohnung bei Familie Ilse in der Isestraße 61 zur Untermiete, deren Sohn, Heinrich Ilse, ebenfalls ein Opfer der nationalsozialistischen Homosexuellenverfolgung wurde.

Das weitere Schicksal Michael Pielens steht exemplarisch für das zahlreicher Homosexueller, die in der Notlage lebten, einen Platz zum Ausleben ihrer gleichgeschlechtlichen Begehren zu finden.

Michael Pielen machte sich mehrmals wegen homosexueller Handlungen strafbar, erstmals 1927. In diesem Jahr wurde er wegen tätlicher Beleidigung zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt. Zehn Jahre später folgte wegen eines gleichen Vergehens eine Verurteilung zu zwei Monaten Gefängnis. Zuvor wurde er vom 26. Juni bis 14. Juli 1937 im KZ Fuhlsbüttel festgehalten, wo er erneut vom 13. bis 20. Dezember 1938 einsaß. Im Juni 1939 war ein Verfahren wegen Vergehens nach § 175 gegen ihn anhängig, das aufgrund eines Amnestiegesetzes ein­gestellt worden war.

Ende August 1940 geriet Michael Pielen erneut in die Fänge des NS-Verfolgungsapparates. Die Hamburger Kriminalpolizei suchte mit dem in Untersuchungshaft einsitzenden Strichjungen Karl-Heinz Sp., Jahrgang 1923, verschiedene Homolokale in St. Pauli auf. In dem Lokal von Gorges identifizierte er den dort als Gast anwesenden Kellner Michael Pielen als einen seiner Sexualpartner.

In einer Vernehmung am 26. August 1940 gab er zu Protokoll: "Dieser Mann ist ein Partner von mir. Ich kenne ihn bestimmt wieder. Ein Irrtum in der Person ist ausgeschlossen. Ende Juni oder Anfang Juli 1940 hatten wir miteinander ein gleichgeschlechtliches Erlebnis. An dem betr. Tage habe ich ihn am Neuen Pferdemarkt angesprochen. Ich fragte ihn nach einer kleinen Tankstelle für Feuerzeuge. Auf diese Art kamen wir in ein Gespräch. Er lud mich dann ein und führte mich in ein Lokal am Neuen Pferdemarkt. Hier gab er für mich ein Stück Torte, eine Tasse Kaffee und eine Kugel Bier aus. … Nach Verlassen des Lokals gingen wir in Richtung Feldstraße. Unterwegs haben wir ein paarmal öffentliche Bedürfnisanstalten aufgesucht. Dort ist aber nichts passiert. In der letzten Bedürfnisanstalt kamen wir auf die Sache zu sprechen. Ich erinnere mich noch, dass wir uns nicht einigen konnten, wo es passieren sollte. [Da die beiden keine eigenen Wohnungen hatten, war es schwierig einen Ort zu finden, an dem sie unbeobachtet waren.] Zuletzt einigten wir uns dahin, dass wir nach dem Stadtpark fahren wollten. Das haben wir dann auch getan und zwar fuhren wir mit der Hochbahn von der Feldstraße bis zur Station Stadtpark. Es war gegen Abend und noch hell. Wir gingen an der Stadthalle [heute: Biergarten beim Freibad am Stadtparksee] vorbei in den Park. Dort setzten wir uns auf eine Bank am Außenring. Hier fing er schon an … zu grappeln. Bei dieser Gelegenheit kam ein Radfahrer vorbei ... Pielen [zog] seine Hand zurück. Er meinte, daß wir uns einen anderen Platz suchen wollten. ... Innerhalb des Parks stellten wir uns in einer abgelegenen Ecke unter einen Baum. ... und gingen zurück nach der Hochbahn. Zuvor hatte er mir freiwillig für meine Gefälligkeit 2 Mark gegeben. Auf der Hochbahnstation Stadtpark haben wir beide den gleichen Zug bestiegen. Mein Partner ist aber schon nach einigen Stationen ausgestiegen. Ich setzte meine Fahrt bis nach St. Pauli fort …"

Noch am selben Tag, an dem Sp. vernommen wurde, wurde Pielen in polizeiliche "Schutzhaft" genommen. Bis zum 5. September 1940 blieb er in Polizeigewahrsam. Dann folgte die Einweisung in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg-Stadt.

Der Prozess gegen Pielen fand am 25. Oktober 1940 vor dem Amtsgericht Hamburg statt. Der Angeklagte erhielt wegen Vergehens gegen § 175 eine einjährige Gefängnisstrafe, ohne Anrechnung der Untersuchungshaft. Aus dem Urteil: "Der Angeklagte ist für seine bisherigen Verfehlungen von den Gerichten immer milde bestraft worden. Damit ist nunmehr Schluss. Ein Jahr Gefängnis erschien angemessen. Da der Angeklagte bis zuletzt hartnäckig geleugnet hatte, kam eine Anrechnung der Untersuchungshaft nicht in Frage."

Seine Strafe trat er am 30. November 1940 im Strafgefängnis Fuhlsbüttel an. Von dort wurde Pielen am 26. März 1941 ins Männergefängnis Glasmoor nördlich von Hamburg verlegt und dort am 25. Oktober 1941 entlassen und der Polizeibehörde Hamburg überstellt, die ihn vom 6. November 1941 bis 9. Januar 1942 erneut im KZ Fuhlsbüttel inhaftierte. Wahrscheinlich wurde er kurz darauf ins KZ Ravensbrück überstellt, wo er am 11. Juli 1942 zu Tode kam.

© Bernhard Rosenkranz (†)/Ulf Bollmann

Quellen: StaHH, 332-8 Meldewesen, A 50/1; 213-11, Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen, 777/41; 242-11II Gefängnisverwaltung II, Ablieferungen 13 und 16; 213-8 Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451 a E 1, 1 b und 1 c; 331-1 II Polizeibehörde II, Ablieferung 15 Band 2; B. Rosenkranz/U. Bollmann/G. Lorenz, Homosexuellen-Verfolgung in Hamburg 1919–1969, Verlag Lambda Edition, Hamburg 2009, S. 245.

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