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Herbert Epstein * 1892

Zesenstraße 15 (Hamburg-Nord, Winterhude)

1942 Theresienstadt
ermordet 06.12.1942

Weitere Stolpersteine in Zesenstraße 15:
Hermann Epstein

Herbert Epstein, geb. 20.9.1892 in Hamburg, deportiert 15.7.1942 nach Theresienstadt, gestorben 6.12.1942 in Theresienstadt

Zesenstraße 15 (Winterhude)

Die 1876 in Hamburg gegründete Seifen- und Parfümeriefabrik M. Epstein prägte als Familienunternehmen das Leben mehrerer Generationen der Familie Epstein maßgeblich. Benannt nach dem Gründer Moses Epstein (1830-1912), rückten 1885 dessen Sohn Hermann und 1923 der Enkel Herbert in die Geschäftsleitung auf. Auch ein L. Epstein war in der Frühphase des Unternehmens bis 1883 Mitinhaber gewesen. Hermann Epsteins Schwager Hermann Norden (1857-1924) erhielt 1913 Prokura der Seifen- und Parfümeriefabrik, die Parfümerien und kosmetische Artikel herstellte und nach Westafrika, Indien (britisch) und den Straits Settlements (= malaische Halbinsel mit Singapur, britisch) exportierte. Die Firma führte eigene Rezeptbücher und hatte ein eingetragenes Warenzeichen.

In den 1930er Jahren war Herberts Bruder Kurt Epstein (geb. 1899) als ‚stiller Teilhaber‘ (d.h. mit einer Geldeinlage, aber ohne in der Firma zu arbeiten) mit 1/5 am Gewinn und Verlust beteiligt. Das Unternehmen hatte seine ersten Fabrikräume am Alten Steinweg 42 im Mittelhaus/ Ecke Großneumarkt (1879-1889) eingerichtet, zog dann in die Wilhelmstraße 2 (1890-1900) sowie kurzzeitig in die Mercurstraße 2 (1901-1903) und schließlich auf den Kleinen Grasbrook (Steinwerder) beim Reiherstieg in die Werftstr. 10 (1904-1935), ein städtisches Grundstück. Ebenfalls in Steinwerder (Buchheisterstr. 6) befand sich seit 1914 die Seifenfabrik von Georg Dralle (gegr. 1853). Ab 1936 war die Firma M. Epstein nicht mehr im Hamburger Adressbuch eingetragen – sie hatte zum Dezember 1934 die Produktion eingestellt und war im Juni 1935 im Handelsregister gelöscht worden.

Der aus Gehaus (Thüringen) gebürtige Unternehmensgründer Moses Epstein (geb. 9.9.1830), der seinen Vornamen in allen Hamburger Adressbüchern mit dem Anfangsbuchstaben abkürzen ließ, war vor 1850 mit seinen Eltern Baruch Epstein und Mine, geb. Baum, nach Hamburg gezogen. In dieser Zeit verließen viele Einwohner, jüdische wie nichtjüdische, das Dorf Gehaus, in dem sie kein Auskommen mehr finden konnten.

In der Hansestadt Hamburg war Moses Epstein kaufmännisch erfolgreich, so dass er dort 1855 das Bürgerrecht erwerben konnte. Erst seit 1849 konnten auch Juden in Hamburg das Bürgerrecht erlangen; hierfür war ein Jahreseinkommen von 1.200 Mark an fünf aufeinander folgenden Jahren nachzuweisen.

Aus der Ehe von Moses und Pesse Betty Epstein, geb. Koppel (gestorben vor 1883), gingen vier Kinder hervor: Julie (1855), Hermann (1857), Albert (1862), Rosa (1872). Die Familie wohnte im Alten Steinweg 42 (u.a. 1882-1883), wo bereits ab 1861 ein L. Epstein als Hauptmieter verzeichnet war, und in der Parkallee 15 (1884-1898). Danach zog Moses Epstein zu seiner Tochter Rosa Gutmann, geb. Epstein, in die Hansastraße 14 (1898-1899) und Eichenallee 54 I. Stock (1899-1912), die später in Brahmsallee 18 umbenannt wurde.

Hermann Epstein (geb. 1857) und seine Ehefrau Minka, geb. Norden (geb. 13.9.1860 in Hamburg), hatten 1883 geheiratet und bekamen vier Kinder: Betty (geb. 7.9.1884 in Hamburg), Paula (geb. 27.6.1887 in Hamburg), Herbert (geb. 20.9.1892 in Hamburg) und Kurt (geb. 13.12.1899 in Hamburg). Die Wohnadressen von Hermann und Minka Epstein lauteten: Alter Steinweg 36/ Neustadt (1884-1886), 2. Durchschnitt 24 (1899 umbenannt in Rentzelstraße)/ Rotherbaum (1887-1888), Schlump 18/ Eimsbüttel (u.a. 1889-1891), Hohe Weide 9/ Eimsbüttel (u.a. 1893-1895), Grindelberg 9a/ Harvestehude (1896-1898), Klosterallee 27/ Harvestehude (von 1899-1932, eine 7-Zimmer-Wohnung dort, wo heute die Grindelhochhäuser stehen), Loogestieg 17/ Eppendorf (eine 5-Zimmer-Wohnung von 1933-1934), Zesenstraße 15/ Winterhude (1935-1938) und Jungfrauenthal 28 (1938-1941 erst eine 3 ½-Zimmer-Wohnung und später eine Dachwohnung).

Seit mindestens 1927 war auch Herbert Epstein mit den gleichen Wohnadressen wie sein Vater im Adressbuch verzeichnet; die Mutter Minka Epstein starb am 26. Oktober 1932.

Herbert Epstein hatte bis 1911 die private Wahnschaff-Realschule besucht und sich dann zum Exportkaufmann ausbilden lassen (auch in England). Er nahm ab Oktober 1914 als Soldat des Infanterie-Regiments 76 Ersatzbataillon am Ersten Weltkrieg teil.

Seit 1922 gehörte er der Deutsch-Israelitischen Gemeinde eigenständiges Mitglied an. 1931 heiratete er die nichtjüdische Hertha Doeling (1903-1985).
Nach der Schließung der Seifen- und Parfümeriefabrik M. Epstein 1935 fand Herbert Epstein zeitweilig bei der Drogeriewaren-Großhandlung M. A. Frischmann (Neuer Wall 54) eine Anstellung, bis auch diese Firma im Zuge der nationalsozialistischen "Arisierungspolitik" ökonomisch geschädigt und schließlich zwangsweise im Handelsregister gelöscht wurde. Danach arbeitete er 1938/1939 bei Firma Landauer, ab 1939 war er erwerbslos.

Während des Novemberpogroms (9./10.11.1938) erschienen Gestapo-Beamte an der Wohnungstür im Jungfrauenthal 28, um Herbert Epstein abzuholen. Der hielt sich aber bereits in Fallingbostel in der Lüneburger Heide bei seiner Schwägerin Anna Weberling, geb. Doeling, und deren Ehemann Friedrich "Fritz" versteckt und kehrte erst drei Wochen später nach Hamburg zurück.

Im November 1941 drohte die Hamburger Gestapo Herbert und Herta Epstein die Deportation an (von der sie nach den Richtlinien der Gestapo als Mischehe vorläufig ausgenommen waren). Im Falle einer Scheidung jedoch, so sagte der Gestapobeamte zu, würden die Deportationsbefehle aufgehoben. Unter diesem Druck ließen sich die Eheleute scheiden. "Was meine geliebte herzensgute Herta und ich augenblicklich seelisch durchmachen, und wie wir beide unter der zukünftigen Veränderung jetzt schon zu leiden haben, bedarf gewiss keiner besonderen Erwähnung. Ihr wisst, wie sehr wir beide zueinander halten, und mit welch inniger Liebe und Treue wir zueinander gehört", schrieb Herbert Epstein am 19. November 1941 an Freunde. Inzwischen hatte er die gemeinsame Wohnung verlassen müssten und lebte vorübergehend in einer Pension. Das Urteil erging am 26. November 1941. In der Folgezeit nahm Herta Epstein ihren Mädchennamen wieder an. Sobald die politischen Umstände es zuließen, wollten sie wieder heiraten.

Herbert Epstein erhielt im Jahr 1941 keinen Deportationsbefehl mehr. Er musste eine Wohnung im sogenannten Judenhaus Agathenstraße 3 (Eimsbüttel) beziehen. Am 15. Juli 1942 allerdings war es so weit: Neben den bis dahin von der Deportation zurückgestellten älteren Juden erhielten nun auch die Juden, die in aufgelösten Mischehen gelebt hatten, den Deportationsbefehl nach Theresienstadt. Auf dem Schulhof der nahegelegenen Volksschule Schanzenstraße (Schäferkampsallee 29) musste er sich mit vielen anderen Jüdinnen und Juden einfinden. In Theresienstadt wurde er in einem überfüllten Zimmer in Gebäude L 305 (= Lange Straße 5) einquartiert, wo er am 6. Dezember 1942, nach der Todesbescheinigung an Darmkatarrh, starb.

Seine Ehefrau erfuhr drei Jahre später von einer ebenfalls dorthin deportierten Bekannten, er sei an Lungenentzündung und Herzschwäche gestorben. Auf jeden Fall dürfte die Ursache des Todes in Unterernährung, mangelnder Hygiene und unzureichender ärztlicher Versorgung gelegen haben.

1953 berief sich Hertha Doeling auf das Nachkriegsgesetz über die Anerkennung der freien Ehe. Sie erreichte es 1956, dass die Ehescheidung mit Datum vom 2. Dezember 1941 aufgehoben wurde.

Stand: Dezember 2020
© Björn Eggert

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaH) 231-7 (Handelsregister), A 1 Band 18 (M. Epstein, HR A 4834); StaH 231-7 (Handelsregister), A 1 Band 32 (M. A. Frischmann, HR A 7970); StaH 332-5 (Standesämter), 2655 u. 669/1883 (Heiratsregister 1883, Hermann Epstein u. Minka Norden); StaH 332-5 (Standesämter), 2082 u. 4188/1884 (Geburtsregister 1884, Betty Epstein); StaH 332-5 (Standesämter), 13091 u. 2566/1899 (Geburtsregister 1899, Kurt Epstein); StaH 332-5 (Standesämter), 8012 u. 578/1912 (Sterberegister 1912, Moses Epstein); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 5 (Bürger-Register 1845-1875 A-F), Moses Epstein (16.2.1855 Nr. 152); StaH 332-7 (Staatsangehörigkeitsaufsicht), A I e 40 Bd. 9 (Bürger-Register 1876-1896 A-K), Hermann Epstein (10.6.1887 Nr. 13744); StaH 332-8 (Meldewesen), Alte Einwohnermeldekartei 1892-1925, K 6047 (Moses Epstein); StaH 342-2 (Militärersatzbehörden), D II 7 Band 1 (Hermann Epstein); StaH 342-2 (Militärersatzbehörden), D II 147 Band 2 (Herbert Epstein); StaH 342-2 (Militärersatzbehörden), D II 27, Band 1 (Albert Epstein); StaH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 27613 (Herta Epstein); StaH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Albert Epstein, Herbert Epstein, Paula Lisser; Jüdischer Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Gräberverzeichnis (Moses Epstein, Grablage C 9-9); Nationalarchiv Prag, Institut Theresienstädter Initiative, Todesfallanzeige Ghetto Theresienstadt (Herbert Epstein, Hermann Epstein); Landesjustizverwaltung Hamburg, AZ 346 E – 1 b/2/10 (dort enthalten zitiertes Schr. v. 14.10.1941); Bad Fallingbostel, Einwohnermelderegister (Friedrich und Anna Weberling); Handelskammer Hamburg, Handelsregisterinformationen (M. Epstein, HR A 4834; Albert Epstein, HR A 24598; M. A. Frischmann, HR A 7970); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1910, S. 168 (M. Epstein, gegr. 1876, Parfümerie-Fabrik für Exp., Kleiner Grasbrook, Werftstr. 10, Inhaber: M. u. H. Epstein); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1926, S. 260 (M. Epstein, gegr. 1876, Parfümerie-Fabr., Kleiner Grasbrook, Werftstr. 10, Inhaber: Herm. u. Herbert Epstein, Prokurist: Herm. Norden); Adressbuch Hamburg (L. Epstein, ohne Berufs- oder Firmenangabe, Alter Steinweg 42) 1861-1863, 1865, 1870; Adressbuch Hamburg (Firma M. Epstein) 1879, 1880, 1882-1893, 1895-1905, 1908, 1911, 1913; Adressbuch (Hermann Epstein) 1884-1891, 1893, 1895-1898, 1900-1905, 1908, 1911, 1913, 1920, 1927, 1930, 1932-1936, 1938; Adressbuch (Herbert Epstein) 1927, 1930, 1932-1936, 1938; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933-1945, Hamburg 1998, S. 356 (M. A. Frischmann, Drogerieartikel-Großhandel, Neuer Wall 54); Horst Beckershaus, Die Hamburger Straßennamen, Hamburg 1997, S. 85 (Durchschnitt), S. 299 (Rentzelstraße); Wilhelm Westermann, Gefallene – Verwundete – Kriegsgefangene des Ersten Weltkriegs, Hrsg. Wolfgang Brandes, Stadtarchiv Bad Fallingbostel 2015, S. 25 (Fritz Weberling, geb. 20.6.1898, Angaben zu Verletzungen und Gefangenschaft).

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