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Gertrud van Cleef (geborene Bromet) * 1899
Maria-Louisen-Straße 63 (Hamburg-Nord, Winterhude)
1941 Minsk
ermordet
Weitere Stolpersteine in Maria-Louisen-Straße 63:
Julius van Cleef, Herbert van Cleef
Julius van Cleef, geb. 19.2.1877 in Emden, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Gertrud van Cleef, geb. Bromet, geb. 14.4.1899 in Emden, am 8.11.1941 nach Minsk deportiert
Herbert van Cleef, geb. 25.7.1928 in Hamburg, 1944 nach Auschwitz deportiert, dort am 31.7.1944 ermordet
Seit 1828 lebte die Familie van Cleef in Emden. Die dortige Israelitische Gemeinde erstellte zu dieser Zeit eine Liste mit den neuen, festen Familiennamen ihrer Mitglieder. Fünf männliche Familienmitglieder legten sich ‚van Cleef’ als Familiennamen zu, der auf Kleve als ursprünglichen Herkunftsort hindeutet. Vor der Verwendung des Familiennamens ‚van Cleef’ war in der Familie die patronymische Namensableitung üblich, die den Vornamen des Vaters zum Familiennamen der Kinder wendete. Die männlichen Familienoberhäupter der van Cleefs waren meist im Handelsgewerbe tätig und erwarben das Emdener Bürgerrecht. So suchte 1854 der Emdener Möbelhändler Benjamin E. van Cleef um die Genehmigung nach, ein "Manufactur = Geschäft engros in kleinem Umfange" zu eröffnen. Er begründete sein Gesuch wie folgt:
"Seit vielen Jahren betreibe ich den Möbelhandel, auf welches Geschäft ich ursprünglich umzessioniert bin. So einträglich dieser Betrieb auch anfänglich war, so sehr ist aber auch in letzteren Jahren dieser Möbelhandel durch täglich zunehmende Konkurrenz niedergedrückt und rentiert sich, wenigstens bei mir, von Tag zu Tag nimmer mehr, so daß ich für die Sicherung der Existenz meiner Haushaltung wohl sein muß. Ich wünschte, daß neben besagtem Möbelhandel ein Manufactur = Geschäft engros (…) in kleinem Umfange zu betreiben und erlaube mir die gehorsamste Bitte Wohllöblicher Magister wollen mir geneigtest die Erlaubnis zum Betriebe eines Manufactur = Handels engros ertheilen."
Nach dem fünften Gesuch wurde seitens des Magistrats dieser Bitte entsprochen, gleichzeitig wurde Benjamin E. van Cleef das Bürgerrecht bewilligt. Im Emdener Adressbuch von 1902 wurde der Kaufmann Salomon van Cleef als Firmeninhaber ausgewiesen, dessen Söhne Benjamin, Wilhelm und Julius van Cleef wenige Jahre später in die Firmenleitung aufrücken sollten.
Die Verbreiterung der Geschäftsfelder muss sich rentiert haben, denn 1906 eröffnete die Firma eine Zweigniederlassung in Hamburg, in Emden vertrat nun ein Möbelhändler die Interessen der Firma. Der Sohn des Emdener Firmeninhabers, Julius van Cleef, zog mit seiner Frau Dina 1906 nach Hamburg, wo sie ab 1913 die Wohnung des Bruders, Wilhelm van Cleef, in der Heinrich-Barth-Straße 21 (Rotherbaum) übernahmen. Wilhelm van Cleef war Mitinhaber der Firma Benjamin E. van Cleef und auch in der jüdischen Gemeinde engagiert: Von 1929 bis 1937 war er Vorsitzender des Repräsentanten-Kollegiums der Neuen Dammtor-Synagoge.
Auch Julius’ Bruder Benjamin van Cleef (geb. 15.9.1875 in Emden) lebte seit mindestens 1913 in Hamburg (Grindelberg 17). Zu diesem Zeitpunkt war Julius van Cleef bereits Vater von zwei Kindern. Er zeichnete als Mitinhaber der Firma Benjamin E. van Cleef, "überseeische Hölzer und Fourniere" (1907 bis 1920 in der Wendenstraße, ab Mitte der 1920er Jahre in der Süderstraße 173–175). Die Firmenleitung war also bereits auf die nächste Generation übergegangen.
Die Familie Julius van Cleef wohnte von 1914 bis 1927 in der Isestraße 49 (Harvestehude). Julius wurde seit 1920 in der Kultussteuerkartei der Jüdischen Gemeinde Hamburg geführt. Nach dem Tod seiner Ehefrau Dina van Cleef, geb. Stern (1884–1921), die auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf beigesetzt wurde, heiratete er Ende der 1920er Jahre die ebenfalls aus Emden stammende Gertrud Bromet. 1928 zog er mit ihr in die Maria-Louisen-Straße 55 (Winterhude), wo auch das gemeinsame Kind Herbert geboren wurde, 1936/37 erfolgte ein Umzug in die Maria-Louisen-Straße 63.
Das traditionsreiche Familienunternehmen musste, entsprechend der rassistisch motivierten Existenzvernichtungspolitik der NSDAP, 1938/39 entweder an "arische Eigentümer" verkauft oder geschlossen werden. Dabei wurde nicht der tatsächliche Wert des Unternehmens bezahlt, sondern die Notsituation der zum Verkauf Gezwungenen ausgenutzt und der Kaufpreis schamlos nach unten gedrückt. Im November 1938 erwarben Arthur Dubber (s. Dirk Dubber) und August Duwe das Familienunternehmen; der Reichsstatthalter erteilte im Januar 1939 die Genehmigung hierzu. Darüber hinaus belegte der NS-Staat die Konten der jüdischen Eigentümer mit "Sicherungsanordnungen", d. h. Verfügungssperren, so dass diese nicht einmal über ihr geschröpftes Vermögen frei verfügen konnten. Der Staat genehmigte monatliche Abhebungssummen.
Vermutlich im März 1939 verließ der ehemalige Firmen-Mitinhaber Dr. jur. Karl-Ernst Rosenfeld (Jg. 1908), der Schwiegersohn von Julius van Cleef, mit Ehefrau und drei Kindern das Land in Richtung USA. Auch Edgar van Cleef (Jg. 1906), Sohn von Wilhelm van Cleef und ehemals persönlich haftender Gesellschafter der Firma, emigrierte mit seiner Ehefrau. Am 2. Mai 1939 füllte Julius van Cleef für sich und seine Ehefrau den "Fragebogen für Auswander" aus; ihre Söhne Fritz (Juni 1938 nach Australien) und Herbert (27.1.1939 nach Holland) waren zu diesem Zeitpunkt bereits außer Landes gebracht. Doch die Emigration des Ehepaares van Cleef in die Niederlande verzögerte sich. Als sie endlich ausreisen durften, hatte sich die Situation in Europa grundlegend geändert. Am 12. September 1939 verließen sie Deutschland und kehrten drei Tage später wieder zurück – die Niederlande hatten ihnen nach Ausbruch des Krieges die Einreise verwehrt.
Julius van Cleef versuchte nun, sich und seine Frau als Textilvertreter über Wasser zu halten. Den wirtschaftlichen und sozialen Abstieg konnte er damit aber nicht aufhalten. Die nun folgenden Wohnungen und Quartiere, Badestraße 2 (Rotherbaum) bei Delbanco, der Witwe des von 1900 bis 1933 tätigen Amtsrichters Dr. Alfred Delbanco (1868–1938) und Eppendorfer Stieg 11 (Winterhude) bei Seidner, können schon nicht mehr als frei gewählte Wohnungen eingestuft werden. Entrechtet und der wirtschaftlichen Grundlage beraubt, musste das Ehepaar sich als Untermieter mit wenig Platz begnügen.
Zusammen mit Joachim Bromet (geb. 28.6.1867 in Hardenberg) und dessen Ehefrau Bernhardine, geb. Schönberg (geb. 28.2.1863 in Emden), lebte der Sohn Herbert van Cleef in Amsterdam in der Euterpestraat 80. Das Ehepaar Bromet wurde nach Auschwitz deportiert und dort am 1. Februar 1943 ermordet. Herbert van Cleef lebte noch rund 11/2 Jahre in Holland, ehe er 1944 ebenfalls nach Auschwitz deportiert wurde.
Die Eheleute Julius und Gertrud van Cleef waren bereits am 8. November 1941 nach Minsk deportiert worden. Die beiden Kinder aus erster Ehe, Ruth (Jg. 1908) und Friedrich van Cleef (Jg. 1913), konnten noch rechtzeitig emigrieren. Julius’ Bruder Benjamin van Cleef und seine Ehefrau Sarah, geb. Löwenberg (geb. 9.4.1883 in Hersfeld), wurden am 18. November 1941 ebenfalls nach Minsk deportiert. Für Julius van Cleef (geb. 25.12.1879 in Emden), vermutlich ein Cousin des gleichnamigen Julius van Cleef (geb. 19.02.1877 in Emden), wurde ein Stolperstein in der Brahmsallee 14 (Harvestehude) verlegt.
© Björn Eggert
Quellen: 1; 5; 8; StaHH 314-15, R 1938/1993; StaHH 314-15, FVg 8674 u. FVg 2905; Hamburger Fernsprechbücher 1906–1940; www.joodsmonument.nl (eingesehen am 28.12.2007); Stadtarchiv Emden, Liste der Jüdischen Gemeinde von 1828, Gewerbezulassung jüdischer Familien (III, 644), Bürgerrecht an Juden (III, 306), Adressbücher 1902, 1904, 1906, 1911; Frank Bajohr, "Arisierung" in Hamburg, Hamburg 1997, Firmenliste im Anhang; Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv: Benjamin E. van Cleef (1923–1941); Wilhelm Mosel, Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg Heft 3, Hamburg 1989, S. 146; Gräber-Kartei des Jüdischen Friedhofs Ohlsdorf.