Namen, Orte und Biografien suchen


Bereits verlegte Stolpersteine



Robert Wedeking * 1897

Billhorner Mühlenweg Ecke Billhorner Kanalstraße (Hamburg-Mitte, Rothenburgsort)


HIER WOHNTE
ROBERT WEDEKING
JG. 1897
EINGEWIESEN 10.8.1943
’HEILANSTALT’ MAINKOFEN
ERMORDET 27.8.1944

Weitere Stolpersteine in Billhorner Mühlenweg Ecke Billhorner Kanalstraße:
Wilhelm Adler, Otto Mende, Louis Wartelski, Bertha Wartelski

Robert Wedeking, geb. 15.10.1897 in Harburg, gestorben am 27.8.1944 in der
"Heil- und Pflegeanstalt" Mainkofen

Billhorner Mühlenweg/Billhorner Kanalstraße (Billhorner Canalstraße 30)

Robert Wedekings Mutter, die Fabrikarbeiterin Bertha Prawitt aus Königsberg in Ostpreußen, heiratete am 4. Juni 1898 in Hamburg den Kindsvater und zog zu ihm. Am 26. Oktober 1901 ließ sie Robert in der Dreifaltigkeitskirche in Hamburg-Hamm taufen. Er besuchte die Volksschule, beendete sie regulär nach acht Schuljahren und absolvierte eine Schlosserlehre. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete er ein Jahr als Granatendreher. Später wurde er nach kurzer Tätigkeit als Bohrer bei Blohm & Voss arbeitslos und fand keine neue Anstellung.

Robert Wedeking veränderte sich im Wesen. Er verschloss sich, neigte zu Handlungen, die aus Sicht seiner Umgebung unsinnig und unsittlich waren, und war zeitweilig desorientiert. Dies führte zu seiner Einweisung und Aufnahme in der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg im Sommer 1933. Da nach Ansicht der dortigen Ärzte eine Heilung nicht zu erwarten war, wurde er am 22. März 1935 in die damaligen Alsterdorfer Anstalten überwiesen. Die Kosten trug das Fürsorgewesen der Stadt Hamburg. Bei seiner Aufnahme, so der Bericht, habe Robert Wedeking uninteressiert gewirkt, sei aber zeitlich und örtlich einigermaßen orientiert gewesen, habe verständlich gesprochen, wenn auch langsam und ungern. Er wurde bei leichten Außenarbeiten eingesetzt, verließ aber die Arbeitskolonne immer wieder, sonderte sich ab und streifte durch das Gelände.

Seine Mutter war mittlerweile gestorben, doch der Vater und die Schwester Helene kümmerten sich um Robert, holten ihn gelegentlich zu sich nach Hause auf Urlaub. Als so genanntem Freigänger wurde für ihn die Zwangssterilisierung eingeleitet. Für den Fall der Verweigerung wurde den Betroffenen gewöhnlich damit gedroht, keine weiteren Urlaubsgenehmigungen zu bekommen. Bei Robert Wedeking erfolgte der Eingriff im Sommer 1938 in der Universitätsklinik in Eppendorf.

Wegen der Verlängerung der Kostenübernahme wurde 1941 ein neues Gutachten für die Sozialverwaltung nötig. Jetzt wurde Robert Wedeking Schizophrenie attestiert. Er sei in gutem körperlichem Zustand, verträglich gegenüber den Mitpatienten, erledige kleine Hausarbeiten, halluziniere zuweilen, sei langsam und antriebsarm, allerdings triebhaft und nur unter Kontrolle sauber und ordentlich. Mit der weitgehenden Zerstörung Hamburgs im Luftkrieg Ende Juli/Anfang August 1943 nahm sein Leben eine dramatische Wendung. Seine Schwester verlor im "Feuersturm" ihre Wohnung mit aller Habe und wurde in die Nähe von Grau­denz evakuiert. Die Geschwister sahen sich nicht wieder. Robert starb am 27. August 1944 in der "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Passau, bevor seine Schwester ihn dort besuchen konnte.

Die damaligen Alsterdorfer Anstalten erlitten selbst Bombenschäden. Um Platz zu schaffen, wurden nach Rücksprache mit der Gesundheitsbehörde innerhalb einer Woche 469 von der Anstaltsleitung bestimmte Personen in die vier damaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalten Eich­berg bei Eltville im Rheingau, Kalmenhof in Idstein/Taunus, Mainkofen in Niederbayern und Wien abtransportiert. Robert Wedeking gelangte am 10. August 1943 zusammen mit 112 Männern, Knaben und männlichen Jugendlichen nach Mainkofen, wo er ein Jahr später angeblich an Tuberkulose starb. Die Schwester wurde über den Tod ihres Bruders und dessen Beerdigung auf dem Anstaltsfriedhof brieflich informiert. Robert Wedeking wurde 45 Jahre alt.

© Hildegard Thevs

Quellen: Ev. Stiftung Alsterdorf, Archiv, V 450; Jenner, Meldebögen; Wunder, Abtransporte; ders., Exodus.

druckansicht  / Seitenanfang