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Günther Eichler * 1934
Marienstraße 62 (Harburg, Harburg)
HIER WOHNTE
GÜNTHER EICHLER
JG. 1934
EINGEWIESEN 1938
ALSTERDORFER ANSTALTEN
1943 "VERLEGT"
HEILANSTALT KALMENHOF
ERMORDET 7.9.1943
Günther Eichler, geb. am 20.3.1934 in Hamburg, eingewiesen in die Alsterdorfer Anstalten, verlegt in die "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" am 7.8.1943, ermordet am 7.9.1943
Stadtteil Harburg-Altstadt, Marienstraße 62
Günther Eichler war das zweite Kind der Arbeiterin Gertrud Czirski, geb. 23.5.1908. Vater ihrer beiden Kinder war der erwerbslose Arbeiter Otto Eichler, der sich von seiner Ehefrau getrennt hatte. Unter diesen Umständen konnten Gertrud Czirski und Otto Eichler sich bis zu ihrer standesamtlichen Trauung im April 1937 nur ein spärlich möbliertes Zimmer leisten, in dem sie mit ihren beiden Kindern wohnten. Das Ehepaar und die beiden Kinder wurden von der Familienfürsorge des Sozialamtes intensiv betreut. Bei ihren Hausbesuchen monierten die Mitarbeiterinnen dieser Behörde wiederholt die Haushaltsführung und Kindererziehung.
Die beiden Kinder waren tagsüber in der Krippe, sofern die Eltern sie dorthin brachten. Das galt allerdings nur bedingt für Günther Eichler, der in seinen ersten Lebensjahren im Grunde öfter im Krankenhaus als zu Hause war. Mehrmals wurde er in der orthopädischen Klinik des "Krüppelheimes Alten Eichen" in Hamburg-Stellingen wegen seiner angeborenen Klumpfüße behandelt. Da die Eltern den damit verbundenen Belastungen physisch und psychisch im Grunde nicht gewachsen waren, wurde Günther von dort 1937 zunächst in das Kinderheim in der Höltystraße eingewiesen. Als er sich hier ständig mit den anderen Kindern stritt, empfahl das Landesfürsorgeamt im Juli 1938 seine Verlegung in die damaligen Alsterdorfer Anstalten. Der zuständige Amtsarzt begründete den Überweisungsantrag außerdem mit dem Entwicklungsrückstand des vierjährigen Jungen, der unklar spreche und wie ein Zweijähriger antworte. Darüber hinaus sei er trotz aller diesbezüglichen Erziehungsversuche unsauber.
Die Diagnose der Alsterdorfer Ärzte nach der Eingangsuntersuchung des Jungen lautete: "Imbezillität" ("fortgeschrittener Schwachsinn") und Klumpfuß. Die folgenden Eintragungen in seine Patientenakte fielen meist negativ aus. Unter dem 22. September 1938 findet sich dort der Vermerk: "Patient im Bett unleidlich, sehr unruhig und laut, auch ungehorsam; weder mit Güte noch mit Strenge ist etwas bei ihm zu erreichen." Günthers Verhalten änderte sich auch in den folgenden Jahren nicht. In den Akten heißt es, er überwürfe sich mit anderen Kindern, indem er ihnen ihr Spielzeug wegnehme und es zerstöre, abends schliche er häufig aus seinem Bett, um andere zu bestehlen. Im "Krüppelheim Alten Eichen" wurde er weiterhin mehrfach wegen seiner Klumpfüße behandelt.
Im August 1943 gehörte Günther Eichler zu den 469 Insassen der damaligen Alsterdorfer Anstalten, die auf Initiative von Pastor Friedrich Lensch, dem Direktor des Hauses, in enger Zusammenarbeit mit der Hamburger Gesundheitsbehörde aus der Hansestadt abtransportiert wurden. Am 7. August 1943 wurde er zusammen mit 51 anderen Alsterdorfer Kindern in die "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" bei Idstein im Taunus verlegt. Diese Einrichtung hatte in der ersten Phase der nationalsozialistischen Ermordung behinderter Menschen als Durchgangsstation für diejenigen fungiert, die anschließend in die Gaskammer der Tötungsanstalt Hadamar geschickt wurden. Trotz des offiziellen "Euthanasiestopps" wurde das spezifische Vernichtungsprogramm in den Folgejahren – wenn auch in anderer Form – an vielen deutschen Heil- und Pflegeanstalten wie dem "Kalmenhof" – fortgesetzt. In der "Kinderfachabteilung" dieser Einrichtung wurden die kleinen Patienten nicht nur mangelhaft ernährt, sondern auch durch Injektionen mit einer Überdosis von Morphium/Skopolamin gezielt getötet. Die Opfer lebten nach der Injektion meist noch einen Tag lang, einige brauchten drei Tage zum Sterben. Manchmal musste auch "nachgespritzt" werden.
Günther Eichler war einen Monat nach seiner Ankunft im "Kalmenhof" nicht mehr am Leben. Seine Leiche wurde auf dem Anstaltsfriedhof verscharrt.
© Klaus Möller
Quellen: Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, Krankenakte Günther Eichlers (V48); Wunder u. a., Kein Halten, 2. Auflage.