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Karl Kock * 1908
Am Mühlenfeld 107 (Harburg, Wilstorf)
Hamburg
hingerichtet am 26.6.1944 (Wiederstandskämpfer)
Karl Kock, geb. 16.6.1908 in Harburg, zum Tode verurteilt, am 26.6.1944 in Hamburg hingerichtet
Stadtteil Wilstorf, Am Mühlenfeld 107
Karl Kock war Gummifacharbeiter. Seine Eltern waren Jakob Kock und Pauline, geb. Gräfe. Er hatte zwei Brüder, Hans und Arnold, und wuchs in einer sozialistischen Familie auf. Ein weiterer Bruder, Jakob, lebte nur knapp über ein Jahr.
Der Vater Jakob Kock trat nach 1918 der KPD bei. Bei seinen Freunden hieß er Jonny oder Jolly (nach der Piratenflagge Jolly Roger). Seine Wohnadressen lauteten (1904) Eißendorfer Straße 68 und (1934) Bremer Straße 165. Die Kocks kauften sich später (noch vor 1933) ein Grundstück in Klecken, um dort zu wohnen. Wegen der politischen Verhältnisse konnten sie dies aber nicht verwirklichen.
Karl Kock besuchte wahrscheinlich die Knaben-Volksschule an der Elisenstraße (heute: Baererstraße) und begann eine Lehre als Kupferschmied, musste sie aber wegen eines Unfalls seines Vaters 1924 abbrechen, um Geld zu verdienen. Nach längerer Erwerbslosigkeit wurde er als ungelernter Arbeiter auf den Harburger Oelwerken Brinckmann & Mergell (Hobum) eingestellt. 1926 trat er der KPD, der RGO und dem "Roten Jungsturm" bei, der Jugendorganisation der "Antifaschistischen Aktion". 1931 heiratete er Elfriede Müller (geb. am 27.3.1912 in Harburg), ein Jahr später (am 7.4.1932) kam die Tochter Renate zur Welt. Die Familie zog mehrmals um, wohnte in der Kasernenstraße 5 und ab 13. Juli 1933 in Wilstorf in der Nähe des Außenmühlenteichs (Am Mühlenfeld 117), später in der gleichen Straße Nr. 107. Ganz in der Nähe, Am Mühlenfeld 113, wohnte ab 1936 sein Bruder Hans Kock mit seiner Frau Sophie und den Söhnen Hans-Werner und Uwe.
Karl Kock wurde schon vor 1933 mehrfach in Gewahrsam genommen, so 1931 wegen "Auflaufs" und 1932 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Da er als Kommunist bekannt war, hielt er sich nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten nur selten zu Hause auf. Im Juli 1933 wurde er festgenommen und im November wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu einem Jahr und einem Monat Gefängnis verurteilt. Auch nach seinem Vater wurde gefahndet, der jedoch fliehen konnte (siehe unten).
Karl Kock arbeitete nach seiner Entlassung aus der Haft 1934 in den Phoenix-Gummiwerken. Das war erstaunlich, denn Kommunisten hatten es in der Regel sehr schwer, dort eingestellt zu werden. Vom 27. bis zum 31. Dezember 1935 befand er sich im Harburger Gerichtsgefängnis wieder in Haft, die Gründe sind nicht bekannt. 1940 wurde er erneut festgenommen unter der Beschuldigung, im Mischwalzwerk der Phoenix eine kommunistische Betriebszelle gebildet zu haben. Das Hanseatische Oberlandesgericht stellte 1941 das Verfahren mangels Beweises ein.
In den Jahren 1937 bis 1940 befand sich das NS-Regime auf dem Höhepunkt seiner Macht. In dieser Zeit wurden mehrere Hamburger Kommunisten aus dem KZ Sachsenhausen entlassen, darunter Bernhard Bästlein, Franz Jacob und Robert Abshagen. Sie kamen schon bald zu illegalen Beratungen zusammen und beschlossen 1940, eine neue Widerstandsorganisation aufzubauen.
Über die Motive sagte Bernhard Bästlein 1942: "Meine illegale Tätigkeit während der letzten Jahre wurde vorwiegend durch zwei Faktoren bestimmt. Der erste Faktor war meine siebenjährige Haft, ... während der ich entsetzliche Dinge erlebt, gesehen und gehört habe. Meine Überzeugung, dass eine Gesellschaftsordnung, in der solche Dinge möglich sind, beseitigt werden muss, wurde dadurch grundfest gemacht. Der zweite Faktor war der 1939 begonnene Zweite Weltkrieg. ... So war meine Arbeit dazu bestimmt, so schnell wie möglich den Frieden und die Beendigung des meiner Meinung sinnlosen Blutvergießens herbeizuführen."
Auf einer Beratung im Spätsommer 1940 in Harburg bei Adolf Wendt in der Talstraße (heute: Steinikestraße) wurde beschlossen, in den Hamburger Großbetrieben Zellen aufzubauen. Die Methoden des Widerstands waren: Flugschriften, Diskussionen nach vorsichtigem Vorfühlen, Aufforderungen, langsam zu arbeiten, in kriegswichtigen Betrieben auch Sabotageakte. Bis Oktober 1942 entstand eine Organisation aus etwa 200 Männern und Frauen, in den weiteren Jahren wurden es rund 300.
Auch in einigen Harburger Großbetrieben wurden ab Dezember 1941 Gruppen aufgebaut, darunter auf der Phoenix. Karl Kock und sein Arbeitskollege Wilhelm Milke gehörten der Phoenix-Zelle an. Sie halfen den Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern und den Kriegsgefangenen, die auf der Phoenix arbeiten mussten, versorgten sie mit Lebensmitteln, Waschzeug, Gebrauchsgegenständen und einem Radio.
Auf der Phoenix arbeitete auch Herbert Bittcher, ein Sozialdemokrat. Er beherbergte im Sommer 1942 seinen Cousin Wilhelm Fellendorf, der sich aus dem sowjetischen Exil zuerst nach Berlin, dann auf der Flucht vor der Gestapo nach Hamburg durchgeschlagen hatte (siehe Herbert Bittcher). Bittcher informierte Karl Kock über das Auftauchen Fellendorfs. Dieser gab die Nachricht an die Leitung der Widerstandsorganisation weiter. Bernhard Bästlein traf sich mit Wilhelm Fellendorf, die Organisation wollte ihn außer Landes bringen.
Im Oktober 1942 nahm die Gestapo zahlreiche Mitstreiter der Bästlein-Organisation fest, darunter auch Wilhelm Milke und Herbert Bittcher während der Arbeit auf der Phoenix. Karl Kock war gerade krankgeschrieben und nicht im Betrieb. Er wurde rechtzeitig gewarnt und konnte seine Wohnung verlassen. Bei der Flucht halfen Grete Dreibrodt und Grete Glißmann. Letztere verhüllte ihn in einem Regenmantel, untergehakt wie ein Ehepaar gingen sie zur Straßenbahn am Heckengang, von dort fuhr er nach Hamburg. Er verbarg sich bei Verwandten und Gesinnungsfreunden, unter anderen bei Martin und Dorothea Pappermann (Banksstraße 53) und Käthe Neumann (Poßmoorweg 17), zuletzt bei August Quest am Kapellenweg in Harburg. Er wurde zusammen mit anderen "flüchtigen Verbrechern im Reich" (alle waren Angehörige der Bästlein-Organisation) mit Foto steckbrieflich gesucht. Paul Dreibrodt erkundete in Lübeck Fluchtmöglichkeiten nach Skandinavien und besorgte ein schwedisches Wörterbuch. Aber alles war vergebens.
Das Haus Am Mühlenfeld 107 bekam wiederholt "Besuch" von der Gestapo. Der bereits verhaftete Berthold Bormann wurde von der Gestapo auf Elfriede Kock angesetzt, um das Versteck herauszubekommen. Er verweigerte sich, vermutlich kannte sie das Quartier auch gar nicht. Als er eneut in Haft sollte, tötete er sich am 23. November 1942 in der Wohnung selbst. Am 6. März 1943 wurde Karl Kock von der Gestapo im Haus am Kapellenweg 15 aufgespürt und zusammen mit August Quest festgenommen. Er kam am 8. März nach Hamburg-Fuhlsbüttel in Gestapo-Haft, dann am 12. Mai 1943 ins Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis. Nach den "Gomorrha"-Angriffen im Juli 1943 wurden mehrere politische Häftlinge in "Haft-Urlaub" geschickt, Karl Kock gehörte nicht dazu. Vom "Volksgerichtshof" (Vorsitzender: Günther Löhmann) wurde er am 8. Mai 1944 im Verfahren "Kock und andere" wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt und zusammen mit neun anderen Widerstandskämpfern am 26. Juni 1944 im Untersuchungsgefängnis hingerichtet.
Am 24. Februar 1945 zerstörte ein Luftangriff das Haus Am Mühlenfeld 107 völlig. Elfriede Kock und ihre Tochter Renate kamen dabei ums Leben.
Karl Kocks Vater Jakob konnte sich 1933 der Fahndung durch die Flucht über Dänemark nach Norwegen entziehen. Die Schiffskarten besorgte die Sozialdemokratin Gesa Schneider, eine entfernte Verwandte der Kocks. Später kämpfte Jakob Kock in Spanien in den Internationalen Brigaden und kehrte von dort erneut nach Skandinavien zurück. Nach 1945 wurde er wieder für die KPD in Harburg aktiv und siedelte in den 1960er Jahren in die DDR über.
Karl Kocks Bruder Hans starb wähend des Krieges an einer Blutvergiftung. Der andere Bruder Arnold überlebte die NS-Zeit und starb im Oktober 1960.
Der Leichnam Karl Kocks wurde nach 1945 in der Nähe der Universität Kiel gefunden und von seinem Vater Jakob Kock identifiziert (siehe Wilhelm Stein). 1947 wurde seine Urne bei einer Feierstunde auf dem Ohlsdorfer Friedhof im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer bestattet. Am 24. November 1984 erhielt das Büro der DKP Harburg (Hohe Straße 26) den Namen "Karl-Kock-Centrum" (heute existiert es nicht mehr). Seit 1988 gibt es den Karl-Kock-Weg (in Wilstorf, Abzweigung Radickestraße).
© Hans-Joachim Meyer
Quellen: VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Die anderen, S. 291ff.; Hochmuth, Niemand, S. 84ff.; VVN-BdA Harburg (Hrsg.), Stumme Zeugen, s. Personenverzeichnis, Hochmuth/Meyer, Streiflichter, S. 341ff.; StaH, 242-1-II Gefängnisverwaltung; StaH, 331-1-II Polizeibehörde II; StaH, 332-8 Meldewesen, A44, A46; StaH,, Adressbücher Harburg-Wilhelmsburg; StaH, Adressbücher Hamburg; StaH, Mitteilungen des StaH; Heyl/Maronde-Heyl, Abschlussbericht; Totenliste VAN.