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Hermann Gottlieb * 1881
Landwehr 29 (Wandsbek, Eilbek)
HIER WOHNTE
HERMANN GOTTLIEB
JG. 1881
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK
Weitere Stolpersteine in Landwehr 29:
Clara Gottlieb
Clara Gottlieb, geb. Horneburg, geb. am 19.2.1879 in Kiel, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Hermann Gottlieb, geb. am 9.11.1881 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Landwehr 29
Hermann Gottlieb, bei Beginn des Ersten Weltkriegs 32 Jahre alt und Familienvater, wurde als Sanitäter an der Ostfront eingesetzt. Als seine Mutter im Oktober 1917 starb, hielt er sich in Hamburg auf und meldete ihren Tod beim Standesamt.
Die Mutter Sara Gottlieb war lange geschieden, ihr Ehemann war 1900 nach Kopenhagen gereist und seitdem verschollen. Sie war am 6. Januar 1852 in Moisling bei Lübeck als Sara Berges geboren worden. Sara Berges erlernte den Beruf der Schneiderin und zog nach Hamburg. Dort hatte sie am 24. Juli 1877 den Kaufmann Martin Gottlieb geheiratet. Martin Gottlieb war zwar in Hamburg geboren – am 23. Januar 1851 –, wohnte aber seinerzeit in Bremen. Sein Vater Lazarus Gottlieb war bereits gestorben, so dass sein sieben Jahre älterer Bruder Jacob seine Familie als Trauzeuge vertrat. Sara Berges’ Eltern lebten noch und wohnten in Lübeck, nahmen aber offenbar nicht an der Hochzeit teil. Ihre Familie wurde bei der Trauung durch keinen nahen Verwandten vertreten.
Sara und Martin Gottlieb wohnten in der Peterstraße in der Hamburger Neustadt in der Nachbarschaft von Martins Mutter Georgine, geborene Hirsch, die aus Gartow (heute: Kreis Lüchow-Dannenberg) stammte. Als erstes ihrer vier Kinder wurde am 20. April 1878 der Sohn Louis geboren. Ihm folgten die Tochter Auguste am 13. Juni 1879 und der Sohn Hermann am 9. November 1881. Sechs Jahre später gesellte sich als Nachkömmling Henriette zu ihnen. Martin Gottliebs Mutter starb 1892 im Alter von 72 Jahren. Der älteste Sohn Louis wurde nur 21 Jahre alt und starb am 12. November 1899. Sara Gottlieb verdiente seit ihrer Trennung und späteren Scheidung von ihrem Ehemann Martin den Lebensunterhalt für sich und insbesondere für die jüngste Tochter Henriette vermutlich als Schneiderin. Ihr Sohn Hermann erhielt eine kaufmännische Ausbildung und trug dann zum Familieneinkommen bei.
An seinem 27. Geburtstag, dem 9. November 1908, heirateten Hermann Gottlieb und Selma Clara Horneburg, geboren am 19. Februar 1879 in Kiel.
Clara Gottliebs ursprünglich jüdischer Vater stammte aus Altona, wo er am 12. März 1841 als Jesaias Horneburg geboren und getauft worden war, später nannte er sich Jean. Er war von Beruf Buchbinder. Clara Gottliebs Mutter Johanna, geborene Fliess, war ebenfalls 1841, nämlich am 4. Dezember in Marienwalde in Ostpreußen geboren. Sie blieb der jüdischen Religion verbunden. Als Clara acht Jahre alt war, wurde ihre Schwester Friederike geboren, nach dem Umzug der Familie nach Hamburg kam 1889 der Bruder Julius hinzu. Anders als seine Geschwister wurde Julius Horneburg später – offenbar im Zusammenhang mit der Heirat einer Nichtjüdin – Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche, in der auch sein Sohn Herbert getauft wurde.
Als Clara Gottliebs Vater, Jean Horneburg, am 14. Juli 1897 starb, war keines der Kinder volljährig. Seine Witwe Johanna war Schneiderin und zog ihre Kinder vermutlich allein groß. Clara wurde Kindergärtnerin. Zur Zeit ihrer Heirat lebte sie am Kleinen Pulverteich 23 in St. Georg und Hermann Gottlieb, der einer Tätigkeit als Expedient nachging, am Kleinen Schäferkamp 34 in Eimsbüttel. Ihr Onkel Nathan Berges vertrat die Familie Gottlieb als Trauzeuge, der Schwager Arthur Eckler, Ehemann von Claras Schwester Friederike, die Familie Horneburg.
Hermann und Clara Gottlieb ließen sich zunächst in der Goebenstraße 15 in Eimsbüttel nieder, wo 1910 und 1911 ihre beiden Kinder Herbert und Ellen zur Welt kamen. Während Hermann Gottliebs Einsatz im Ersten Weltkrieg starben im Jahr 1917 am 27. Februar seine Schwiegermutter Johanna Horneburg und im Oktober desselben Jahres seine Mutter Sara Gottlieb.
Als Hermann Gottlieb nach Ende des Krieges nach Hamburg zurückkehrte, gingen beide Kinder bereits zur Schule. Clara Gottlieb meldete am 28. Januar 1919 ein Gewerbe als "Inhaberin eines kaufmännischen Geschäfts mit Mobilien" an, in dem auch ihr Mann mitarbeitete. Es handelte sich um ein Geschäft für Gummi-Regenmäntel, zunächst in der Annenstraße 31 in St. Pauli, dann in der Schäferkampsallee 44 in Eimsbüttel. In beiden Fällen waren Wohn- und Geschäftsadressen identisch. Infolge der Weltwirtschaftskrise ging das Geschäft so stark zurück, dass Clara und Hermann Gottlieb es aufgaben.
1921 trat Hermann Gottlieb in die Deutsch-Israelitische Gemeinde Hamburg ein, ohne sich einem der Kultusverbände anzuschließen. Der Sohn Herbert besuchte die Oberrealschule in der Bogenstraße bis zur Unterprima und schloss eine kaufmännische Lehre bei der Handelsfirma Koester am Großen Burstah an.
1930 zog Familie Gottlieb nach Stellingen, das 1927 nach Altona eingemeindet worden war, und wohnte dort bis Ende Oktober 1932 als Untermieter in der Rönkampstraße 6 (bei Grönwold), womit auch ein Wechsel zur Jüdischen Gemeinde in Altona verbunden war. Hermann Gottlieb arbeitete als kaufmännischer Angestellter, doch sein Einkommen war gegenüber dem vor der Weltwirtschaftskrise sehr gering. Herbert trug zum Familieneinkommen bei, erst als Lehrling, dann als Angestellter bei seiner Lehrfirma, die ihn zunächst weiter beschäftigte und später offenbar aus "rassischen Gründen" am 31. Mai 1933 entließ. Er fand eine neue Anstellung bei der jüdischen Firma Kahn & Co. Tochter Ellen Gottlieb wurde Kontoristin und erzielte erstmals 1932 ein steuerpflichtiges Einkommen. Sie heiratete den achtzehn Jahre älteren Alfred Fliess, geboren am 23. August 1893 in Marienwalde, einen Verwandten großmütterlicherseits, und lebte mit ihm in Berlin. Aus der Ehe ging die Tochter Recha hervor.
Mit dem Ende der Weltwirtschaftskrise kehrten Hermann, Clara und Herbert Gottlieb von Altona nach Hamburg zurück und bezogen eine Wohnung in der Straße Beim Strohhause 44 in St. Georg, wo für kurze Zeit auch Fanny Haubschein, geboren am 20. März 1913 in Berlin, gemeldet war. Sie und Herbert Gottlieb hatten sich während eines landwirtschaftlichen Praktikums in Aurich/Ostfriesland kennen gelernt, wo sie sich auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereiteten. Am 13. April 1935 heirateten sie in Hamburg und emigrierten nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin im August 1935 nach Palästina, wo sie sich dem Kibbuz Givat Brenner anschlossen.
Der einst große Kreis von Verwandten hatte sich durch Todesfälle, Wegzug und Emigration verkleinert. Hermann Gottliebs Schwester Auguste war nach Wien gezogen, seine Schwester Henriette zu ihrem Mann Adolf Margulis nach Berlin. Seine Cousine Betty Berges und der Neffe Herbert Horneburg waren in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn untergebracht.
1937 gaben Clara und Hermann Gottlieb ihre Wohnung in der Straße Beim Strohhause auf und zogen in die Straße Landwehr 29 in Eilbek. Hermann Gottlieb arbeitete nach einer Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit in den Jahren 1939 und Anfang 1940 bei der Firma Rappolt und Söhne als Kundenkorrespondent. In den folgenden Jahren lebten sie von ihren nun geringen Einkünften, kamen aber ihren Beitragsverpflichtungen der Jüdischen Gemeinde gegenüber regelmäßig nach.
1939 begann für sie die Zeit direkter Vernichtungserfahrungen. Ihre Nichte Irma Eckler, geboren 1913, tätig als "Kinderfräulein", hatte aus ihrem eheähnlichen Verhältnis mit August Landmesser zwei Töchter. Am 14. Juni 1939 wurde sie wegen dieser "Rassenschande" verhaftet und in das KZ Ravensbrück eingeliefert, wo sie im April 1942 starb. Die Umstände der Verhaftung sind nicht überliefert.
Im September 1940 geriet Betty Berges in die "Euthanasie"-Aktion T4. Sie wurde aus der staatlichen Anstalt Langenhorn zusammen mit den dort zur Verlegung konzentrierten jüdischen Patienten und Patientinnen aus anderen Anstalten am 23. September 1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg transportiert, wo sie durch Gas ermordet wurden. Herbert Horneburg entging der Ermordung und überlebte die NS-Zeit, wie auch sein Vater Julius.
Als die Deportationen Hamburger Juden in den Osten im Herbst 1941 begannen, teilte die Gestapo Hermann und Clara Gottlieb dem zweiten Transport zu, der am 8. November 1941 von Hamburg nach Minsk fuhr. Ihre Wohnung stand auf der von der Gestapo erstellten Liste frei werdender Wohnungen mit Angabe der Eigentümer und Zimmerzahl. Einen Tag vor seinem 60. Geburtstag verließ Hermann Gottlieb Hamburg unter Übergabe der vollständig eingerichteten Wohnung an die Gestapo.
Hermanns Schwester Henriette wurde zusammen mit ihrem Mann Adolf Margulis am 11. Juli 1942 von Berlin aus mit dem aus Bielefeld und Hamburg kommenden Transport nach Auschwitz deportiert. Arthur Eckler nahm sich am 27. März 1943 das Leben. Ebenfalls von Berlin aus wurden am 17. März 1943 Ellen, Recha und Alfred Fliess in das Getto von Theresienstadt deportiert. Von dort wurden sie weiter nach Auschwitz transportiert, Alfred Fliess am 28. September, Ellen und Recha Fliess am 4. Oktober 1944. Von ihnen allen fehlt jede weitere Lebensspur.
Fanny und Herbert Gottlieb, mit neuem Namen Moshe Givoni, gründeten im Kibbuz Givat Brenner eine eigene Familie. Ihre vier Kinder leben heute – 2012 – noch dort.
Stand Februar 2014
© Hildegard Thevs
Quellen: 1; 4; 5; 9; StaH 314-15 OFP Oberfinanzpräsident 26 (Wohnungspflegeamt); 314-15 OFP Oberfinanzpräsident Abl. 1998, G 636; 332-5 Standesämter 2009-5314/1881, 2576-951/1879, 8661-835/1908; 332-8 Meldewesen K 6077, 6144, 6284; 351-11, 35224; 376-3, K 3840; Mitteilungen von Chana Givoni, E-Mail am 9.5.1912; Stadtarchiv Kiel, Geburtsregister; Liste des Lübecker Ordnungsamtes über den "Verbleib der Juden aus Lübeck", 1963, freundliche Mitteilung von Kugler-Weiemann, Lübeck, E-Mail vom 23.4.2012.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".