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Bereits verlegte Stolpersteine



Peter Stoltenberg * 1942

Hermann-Kauffmann-Straße 29 (Hamburg-Nord, Barmbek-Nord)


HIER WOHNTE
PETER STOLTENBERG
JG. 1942
EINGEWIESEN 1943
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 7.8.1943
KALMENHOF / IDSTEIN
"KINDERFACHABTEILUNG"
ERMORDET 21.8.1943

Peter Stoltenberg, geb. am 14.1.1942 in Hamburg, "verlegt" am 7.8.1943 aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten in die "Heilerziehungsanstalt" Kalmenhof in Idstein, ermordet am 21.8.1943

Hermann-Kauffmann-Straße 29 (Barmbek-Nord)

Peter Stoltenberg, geboren am 14. Januar 1942 in Hamburg, war das zweite Kind der Eheleute Wilhelm Ludwig Friedrich Stoltenberg, geboren am 2. Februar 1909, und Gertrud Bartelt, geborene Köhler, geboren am 1. März 1916. Peters Schwester Ursula war fünf Jahre älter als er. Der Vater arbeitete als technischer Betriebsassistent, bis er zur Wehrmacht eingezogen wurde. Im Laufe seines Kriegseinsatzes wurde er verwundet. Die Mutter hatte die Mittelschule in Quickborn besucht und war vor der Heirat in einem Landhaushalt tätig. Familie Stoltenberg wohnte in Hamburg-Barmbek in der zweiten Etage der Hermann-Kauffmann-Straße 29.

Als Peter etwa sechs Monate alt war, wurde er zur Beobachtung ins Eppendorfer Krankenhaus eingewiesen. Weder der Grund für die Aufnahme im Eppendorfer Krankenhaus, noch Untersuchungsergebnisse und Aufenthaltsdauer sind überliefert. Die Eltern gaben bei Peter Stoltenbergs Aufnahme in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) an, ihr Sohn habe unter Anfällen gelitten und zur Behandlung das Medikament Luminal erhalten. Nach einer Masernerkrankung seien die Anfälle dann nicht mehr aufgetreten. Peter begann mit 14 Monaten zu laufen. Er sei heiteren Gemüts und beschäftige sich gerne.

Eine weitere Begutachtung erfolgte am 5. Mai 1943 durch den Leitenden Oberarzt der Alsterdorfer Anstalten, Gerhard Kreyenberg. "Auf Grund persönlicher, zuletzt am 5.5.1943 vorgenommener Untersuchung erkläre ich die Aufnahme des Peter Stoltenberg, geb. 14.1.1942, wegen Idiotie in die Alsterdorfer Anstalten für erforderlich."

Peter wurde noch am selben Tage als "Zögling" in den damaligen Alsterdorf Anstalten aufgenommen.

Bei der Erstaufnahmeuntersuchung stellte die Ärztin Frau Puls sechs Tage später fest: "Kann nur mit Mühe alleine stehen mit vornübergebeugter Haltung, geht mit Hilfe unsicher, etwas spastisch." Unter der Rubrik "Seelischer Befund" vermerkte sie: "spricht kein Wort, ist unbeeinflußbar, zieht dauernd Speichel ein und aus."

In Peters Krankenakte wurden vom Alsterdorfer Pflegepersonal nur zwei Eintragungen vorgenommen. Am 5. Mai 1943 hieß es über das ein Jahr und drei Monate alte Kind: "Pat.[ient] kam als Neuaufnahme auf die Kinderkrankenstation. Zeug und Körper waren sauber. Er wird mit Breikost gefüttert, er säbert sehr. Mit Spielzeug weiß er nichts anzufangen. Er wühlt sehr. Laufen kann er, sprechen nicht, er macht sich nicht bemerkbar, wenn er seine Bedürfnisse verrichten muß."

Zwei Monate später wurde nur vermerkt, dass Peter jetzt in die Kinderabteilung 10 verlegt worden sei. Am 6. August 1943 unterzeichnete Dr. Kreyenberg folgende Notiz: "Verlegt, da die Alsterdorfer Anstalten zerstört sind."

Nach den schweren Luftangriffen auf Hamburg im Sommer 1943 (Operation Gomorrha), waren auch Gebäude der Alsterdorfer Anstalten beschädigt, zudem war die Krankenhausabteilung durch aufgenommene brandverletzte Bombenopfer überbelegt. Dies nahm der Leiter der Anstalt, Pastor Friedrich Lensch, zum Anlass, mit Zustimmung der Gesundheitsverwaltung mehrere hundert Patientinnen und Patienten in weniger bombengefährdete Gegenden zu verlegen.

Peter Stoltenberg gehörte zu den 52 Kindern, die am 7. August 1943 in die "Heilerziehungsanstalt" Kalmenhof in Idstein transportiert wurden. Der Kalmenhof, 1888 gegründet, hatte sich ursprünglich einen guten Ruf als fortschrittliche Anstalt für geistig Behinderte erworben, war dann aber in das "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten einbezogen worden, zunächst als Zwischenanstalt der "Aktion T4" für die Tötungsanstalt Hadamar. "T4" ist die Kurzbezeichnung für die damalige Zentraldienststelle Tiergartenstraße 4 in Berlin, von der aus in einer ersten Phase die systematische Ermordung von etwa 70.000 Menschen mit Behinderungen in sechs Tötungsanstalten, darunter der Landesheilanstalt Hadamar in Mittelhessen, organisiert wurde.

Im August 1941 wurde im Kalmenhof eine von etwa 37 "Kinderfachabteilungen" eingerichtet. In den "Kinderfachabteilungen" wurden Kinder im Alter von zunächst bis zu drei Jahren, später bis zu sechzehn Jahren, meist durch überdosierte Medikamente wie Morphium, Luminal oder Skopolamin ermordet.

Peter Stoltenberg starb 13 Tage nach seiner Ankunft am 21. August 1943. Die Eintragung seines Todes beim zuständigen Standesamt erfolgte auf schriftliche Anzeige des Leiters der Anstalt Kalmenhof. Als Todesursache wurde "Idiotie, Marasmus" angegeben.

Stand: April 2020
© Susanne Rosendahl

Quellen: StaH 332-5 Standesämter 2448 u 35/1897; StaH 332-5 Standesämter 3293 u 304/1916; StaH 332-5 Standesämter 3361 u 23/1919; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Sonderakte 81, Stoltenberg, Peter; Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, 2. Aufl. Hamburg 1988; Sterberegistereintrag Peter Stoltenbergs Nr. 131/1943 des Standesamts Idstein vom 25.8.1943 in Idstein.

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