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Marie Burke (geborene Sponagel) * 1898

Chrysanderstraße 33 (Bergedorf, Bergedorf)


HIER WOHNTE
MARIE BURKE
GEB. SPONAGEL
JG. 1898
EINGEWIESEN März 1939
VERSORGUNGSHEIM FARMSEN
"VERLEGT" 2.11.1943
HEILANSTALT
MESERITZ-OBRAWALDE
ERMORDET NOV.1943

Marie Burke, geb. Sponagel, geb. am 17.4.1898 in Lauenburg (Elbe), deportiert am 2.11.1943 aus der Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn in die Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde, ermordet am 17.11.1943

Bergedorf, Chrysanderstraße 33 (ehemals Brauerstraße 33)

Marie Burke kam am 17.4.1898 in Lauenburg an der Elbe als Marie Karoline Dora Sponagel zur Welt. Sie war verheiratet mit dem am 15. November 1896 in Selberg, Kreis Schlawe im früheren Pommern, geborenen Polizeibeamten Franz Reinhold August Burke, der zunächst der Hamburger Schutzpolizei, dann der Kriminalpolizei und nach 1933 der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) angehörte. Das Ehepaar bekam zwei Töchter, Margarethe Marie Meta, geboren am 8.1.1927, und Ursula Emma Bertha, geboren am 6.4.1929.

Im März 1939, die Familie Burke wohnte zu dieser Zeit in der Brauerstraße 33 (heute Chrysanderstraße) in Bergedorf, wurde Marie Burke nach einem Selbstmordversuch in der Psychiatrischen Klinik Hamburg (Staatskrankenanstalt Friedrichsberg) aufgenommen. Die Gründe für den Suizidversuch kennen wir nicht. Aus den kindlichen Erinnerung der Tochter Ursula ist zumindest bekannt, dass die Mutter einerseits keine Begeisterung für den Nationalsozialismus zeigte, da diese einem sozialdemokratischen Haushalt entstammte, und insbesondere persönliche Erfahrungen in einem jüdischen Haushalt als Hausangestellte zu einer ablehnenden Haltung zur Judenverfolgung geführt hatte. Das Verhältnis der Eheleute soll darunter sehr gelitten haben und mitursächlich für die Depression und den Suizidversuch gewesen sein.

Marie Burke erhielt die Diagnose "endogene Depression". Nach einem Monat in Friedrichsberg wurde sie am 18. April 1939 in die damalige Staatskrankenanstalt Langenhorn verlegt. Sie zeigte bei der Aufnahme in Langenhorn "das Bild einer schweren ängstlichen Erregung und Depression", das auch im Jahre 1940 in ihrer Patientenakte festgehalten wurde. Am 30. Juli 1942 wurde sie in die Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg verlegt. Ein Grund dafür ist nicht vermerkt. Marie Burke wurde am 4. September 1943 erneut Patientin der inzwischen umbenannte Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn, allerdings nur für zwei Monate.

Am 2. November 1943 wurde sie in die Landesheilanstalt Meseritz-Obrawalde im damaligen Brandenburg gebracht (Meseritz, heute Międzyrzecz in Polen). Diese Verlegung soll nach Auskunft der Tochter Ursula dem Ehemann Franz Burke insofern bekannt gewesen sein, als er in einem (von der Tochter belauschten) Gespräch mit der damaligen Haushaltshilfe (und späteren Ehefrau) äußerte, dass das Elend mit der kranken Ehefrau ja bald ein Ende habe.

Marie Burke wurde am 17. November 1943 nur 15 Tage nach ihrer Ankunft im Alter von 45 Jahren in Meseritz-Obrawalde ermordet.

Eine Vielzahl von Patientenakten der früheren Anstalt Meseritz-Obrawalde werden noch heute im Archiv der benachbarten Stadt Gorzów Wielkopolski (deutsch Landsberg an der Warthe) aufbewahrt. Über die Anstalt wird in der Einleitung zum Findbuch des Archivbestandes Nr. 256 ausgeführt:
"Seine Aufgabe [die des ursprünglichen Spitals] war die Heilung von Kranken und die Besorgung von einfachen Arbeiten für behinderte Personen (eine Form von Therapie). Nach Hitlers Machtübernahme 1933 unterlag die Tätigkeit des Krankenhauses einer radikalen Veränderung. Von 1939 an wurde die Anstalt in Obrawalde zu einem Durchgangspunkt, den Kranke durchliefen, die für die Massenvernichtung bestimmt waren. Die Patienten, die sich in der Anstalt bereits befanden, wurden in andere Anstalten für Geisteskranke überführt […]. An ihrer Stelle wurden jetzt Kranke aus ganz Deutschland – Sachsen, Rheinland-Pfalz, Preußen, Westfalen, Schleswig-Holstein und Pommern – mit der Zielvorgabe ihrer Tötung nach Obrawalde transportiert. Nach der offiziellen Sprachregelung sollten die Kranken in Obrawalde bessere Bedingungen für ihre Therapie erhalten.
Eine weitere Zäsur in der Geschichte der Anstalt markiert das Jahr 1941, was mit der Übernahme des Direktorenpostens durch Wiktor Grabowski zusammenhing. Er wurde […] mit der Sonderaufgabe beauftragt, das sog. Euthanasieprogramm in Bezug auf unheilbar Kranke sowie die ‚unmittelbare Ausrottung weniger wertvoller und beschwerlich kranker Menschen‘ durch im Voraus geplante Vernichtungsaktionen zu realisieren. Mit der Ausführung dieser Aufgabe begann die Anstalt in Obrawalde im Jahr 1942.

Die Entscheidung über die Tötung fiel unmittelbar nach der Ankunft der Kranken in der Anstalt Obrawalde. Aufgrund ihrer körperlichen und psychischen Verfassung wurden arbeitsunfähige Menschen sowie kleine Kinder, deren Leistungsfähigkeit nicht groß sein konnte, auf der Stelle zur Tötung bestimmt. Die Gesunden wurden in die Anstaltsabteilungen geschickt, wo sie – bevor der Tod sie aus der Hand der ‚Ärzte‘ traf – schwer arbeiten mussten, z.B. in der Gärtnerei oder in der Nähwerkstatt.
Den zur Tötung bestimmten Kranken wurde ein Schlafmittel verabreicht, anschließend wurden sie in Einzelzellen in den Blöcken Nr. 18, 19 oder 8 geführt, wo ihnen Injektionen z.B. mit Scopolamin gesetzt wurden.
Es ist zu vermuten, dass die Deutschen in den Jahren 1942-1945 auf diese Weise ca. 10.000 Kranke ermordet haben. Zum großen Teil waren deutsche Bürger die Opfer. Neben ihnen wurden in der Anstalt Obrawalde viele Polen, Bürger der Sowjetunion, Franzosen, Belgier, Italiener, Holländer und nach Deutschland gebrachte Zwangsarbeiter getötet."

Franz Burke wohnte inzwischen mit seinen Töchtern in der Straße Suhrenkamp 25, nicht weit entfernt vom Suhrenkamp 98, dem Eingang zum Polizeigefängnis Fuhlsbüttel (bekannt als KolaFu), seiner Arbeitsstelle.
Er erhielt Kenntnis vom Tod seiner Frau durch ein Telegramm vom 17. November 1943: "Ehefrau Marie Burke sanft entschlafen. Beerdigung Sonnabend […]. Falls Überführung oder Einäscherung auf eigene Kosten sofortige Drahtnachricht. Sofort Geburtsurkunde und Heiratsurkunde senden." Eine Antwort wurde allerdings nicht abgewartet. Am 19. November folgte ein zweites Telegramm: "Einäscherung in Frankfurt/Oder erfolgt. Die mit Brief abgesandte Willenserklärung umgehend ausgefüllt, unterschrieben zurücksenden. An Krematorium senden Bescheinigung Friedhofsverwaltung, dass Urne beigesetzt werden kann. Ferner an Tischlermeister Jürgens, Meseritz, 250,-- RM Anzahlung."

Franz Burke avancierte in Fuhlsbüttel zum Kriminalinspektor der Gestapo. Hier arbeitete er als Mitglied des Sonderkommandos Kraus (benannt nach Kriminalinspektor Peter Kraus) in der Abteilung "Gegnerbekämpfung – Kommunismus" (Dienststelle IV 5b). Seine Haupttätigkeit bestand in der Erpressung von Geständnissen. Eines seiner Opfer war der spätere Bremer Senator Herman Wolters, der laut Hamburger Volkszeitung vom 8. Dezember 1949 von Franz Burke mit der Schließkette ins Gesicht geschlagen wurde und die Misshandlung anderer Inhaftierter bezeugen konnte.

Nach Kriegsende wurde das frühere NSDAP-Mitglied Franz Burke zunächst zwei Jahre und drei Monate in einem Lager in Hamburg-Iserbrook interniert, sodann 1947 zu zehn Monaten Gefängnis wegen "Mitgliedschaft" bei der Gestapo verurteilt und aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Seit Mai 1945 erhielt er keine Gehaltszahlung und wurde aus seiner Wohnung ausgewiesen. Im Entnazifizierungsverfahren wurde er zunächst in die "Kategorie III (Minderbelastete (Bewährungsgruppe))" eingestuft. Gegen diese und weitere Sanktionen legte Franz Burke 1949 unter Verweis auf eine Anzahl Leumundszeugnisse erfolgreich Berufung ein. Er wurde nun in die Kategorie V, also als "entlastet", eingestuft und in den Ruhestand unter Anrechnung "nur" der Hälfte seiner Gestapozeit auf sein Pensionsalter versetzt.

Ende 1949 kam es dann zu einem Strafprozess gegen Franz Burke. Die Hamburger Freie Presse berichtete darüber am 8. Dezember 1949: "Das Schwurgericht verurteilte den ehemaligen Gestapo-Inspektor Franz Burke wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Tateinheit mit Körperverletzung im Amt und Aussageerpressung zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus und dreijährigem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Der Staatsanwalt hatte zehn Jahre Zuchthaus und zehn Jahre Ehrverlust beantragt."

Franz Burke trat die Strafe in seiner früheren "Wirkungsstätte" der Strafvollzugsanstalt Fuhlsbüttel an. Im August 1951 wurden ihm zehn Monate der Strafe auf Antrag der neuen Ehefrau und der beiden Töchter durch Anrechnung von 10 Monaten Internierungslager erlassen.

Stand: Juli 2020
© Ingo Wille

Quellen: StaH 221-11 Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung (1945-1957) 49352 (Franz Burke), 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 25882 (Marie Burke); Landesjustizverwaltung Hamburg, Schreiben vom 15.8.1951, Az.: Gns. 115/51 (Erlass von 10 Monaten Strafe); Gertrud Meyer, Nacht über Hamburg – Berichte und Dokumente, Frankfurt a.M. 1971, S.14 ff; Informationen des Verwandten Peter Brandhofer vom 10.7.2020; Archiwum Panstwowe w Gorzowie Wielkopolski, Findbuch zu Archivbestand Nr. 256.

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