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Henriette Emmy Bosch (geborene Rheine) * 1869

Kremper Straße 10 (Hamburg-Nord, Hoheluft-Ost)


HIER WOHNTE
HENRIETTE EMMY
BOSCH
GEB. RHEINE
JG. 1869
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Henriette Emmy Bosch, geb. Rheine, geb. am 27.4.1869 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, am 21.9.1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet

Kremperstraße 10

Emmy Bosch wurde am 27. April 1869 als Tochter jüdischer Eltern in der Hamburger Neustadt geboren. Ihr Vater Moses Nathan Rheine (geb. 1813, gest. 14.11.1891) betrieb in der ehemaligen 3. Elbstraße 3 (heute Neanderstraße) ein Lotteriegeschäft. 1872, als Emmy drei Jahre alt war, verstarb ihre Mutter Caroline, geb. Eisenberg. Im darauffolgenden Jahr ging der Vater eine zweite Ehe mit Jeanette Lübeck (geb. 26.8.1842 in Glückstadt, gest. 8.5.1906) ein. Drei Halbgeschwister wurden geboren; Lea am 5. November 1873, Nathan am 14. April 1878 und Sarah Clara am 13. September 1879. Sarah wurde nur neun Monate alt, sie starb am 16. Juni 1880.

Über Emmys Kindheit, Schulzeit oder eine eventuelle Ausbildung ist uns nichts bekannt. Sie heiratete im Alter von 50 Jahren, am 27. November 1919, den wesentlich jüngeren nichtjüdischen Musiker Johannes Gottlieb Bosch (geb. 5.12.1886 in Glasbach). Zum Zeitpunkt der Eheschließung wurde ihre Religionszugehörigkeit als "mosaisch", somit als jüdisch bezeichnet. Sie konvertierte dann zum evangelisch-lutherischen Glauben. Das Brautpaar wohnte Beim Schlump 24 und konnte dann eine Wohnung in der nahen gelegenen Straße Kleiner Kielort 11 beziehen. 1927 zogen sie noch einmal um, in die Kremperstraße 10, zweite Etage.

Emmy Bosch war bereits seit 1917 als Botin in der Firma Krenzin & Seiffert, Pharmazeutische Präparate, in der Glashüttenstraße tätig und trug so zum Lebensunterhalt mit bei. Während der Wirtschaftskrise, im Oktober 1923, wurde sie nach einer 15-jährigen Tätigkeit wegen "Betriebseinschränkung" entlassen.

Am 28. Dezember 1929 ereignete sich ein Unglücksfall: der "Straßenmusiker" Johannes Bosch stürzte im betrunkenem Zustand über das Geländer im Zweiten Stockwerk der Kremperstraße in den Treppenschacht. Er wurde ins Allgemeine Krankenhaus Eppendorf gebracht, wo er am nächsten Tag an den Folgen eines Schädelbruchs verstarb.

Im Januar 1933 musste Emmy Bosch Fürsorgeunterstützung beantragen. Für ihre "einfach eingerichtete 2-Zimmerwohnung" hatte sie monatlich 29,40 RM zu zahlen. Ab 1934 erhielt sie eine kleine, monatliche Invalidenrente in Höhe 39,90 RM und 2,50 RM Arbeitslosenunterstützung. 1937 wurde in ihrer Fürsorgeakte vermerkt, sie hätte eine "Reinmachstelle" in der Firma Henry Cohn "Verleihamt" in der Rappstraße 3 angenommen, sie verdiene für drei Stunden 1 RM wöchentlich.

Im Sommer 1938 meldete sich ein Herr Krilling bei der zuständigen Wohlfahrtsbehörde und erbat Hilfe für seine Nachbarin Emmy Bosch. In der Fürsorgeakte wurde das Anliegen ihres Nachbarn festgehalten: "Infolge ungenügender Ernährung ist Fr. Bosch so kraftlos, dass sie immer hinfällt. Mitleidige Hausbewohner haben ihr oft Essen gegeben, auch Herr Krilling selbst. Da die Hausbewohner selbst in einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, können diese nicht mehr helfen."

Das Wohlfahrtsamt ging der Sache nach und es erfolgte ein Hausbesuch. Da Emmy Bosch befürchtete, sich um eine billigere Unterkunft bemühen zu müssen, gab sie nach Befragung an, sie fühle sich gesund und leide auch keine Not. Mit ihrem Geld käme sie ganz gut zurecht. Emmy Bosch konnte zunächst noch in ihrer Wohnung verbleiben.

Durch den Tod ihres Mannes im Jahr 1929 hatte Emmy Bosch den teilweisen Schutz verloren, den der "arische" Ehepartner ihr in einer "privilegierten Mischehe" geboten hätte. Sie musste zuletzt in das "Judenhaus" in der Kielortallee 22 ziehen, wo sie den Deportationsbefehl für den 15. Juli 1942 in das Getto Theresienstadt erhielt. Auch ihre verwitwete Halbschwester Lea Lippmann aus der Bornstraße 22 musste mit diesem Transport Hamburg verlassen. Deren Ehemann Max Lippmann (geb. 13.2.1876) war im Jahre 1937 verstorben, ihre Tochter Alice Hanna (geb. 27.11.1905) und ihr Sohn Semmy Edmund Lippmann (geb. 26.1.1902) lebten bereits in der Emigration.

Emmy Boschs Halbbruder Nathan Rheine war mit seiner zweiten Ehefrau, der Verkäuferin Elly, geb. van der Porten (geb. 4.7.1892) bereits am 8. November 1941 aus der Bornstraße 22 nach Minsk deportiert worden. Er war als selbstständiger Textilwarenvertreter tätig gewesen und hatte zuletzt Unterstützungsarbeit als Erdarbeiter leisten müssen. Aus seiner ersten Ehe mit der nichtjüdischen Selma Maria Hahn (geb. 8.9.1886 in Creuzburg), die im August 1938 geschieden wurde, stammten vier Kinder: Else Maria, verheiratete Soltau (geb. 2.12.1907), Edith Erna (geb. 3.5.1912), Herbert Martin (geb. 13.10.1916) und Margot (geb. 18.10.1918). Sie wurden von den Nationalsozialisten als "Mischlinge ersten Grades" eingestuft und überlebten die NS-Zeit und den Krieg trotz schwierigen Bedingungen und Repressalien.

Für Emmy Bosch und Lea Lippmann war das Getto Theresienstadt nur eine Zwischenstation, sie wurden gemeinsam am 21. September 1942 ins Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert und dort ermordet.

Stand: Februar 2020
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 4; 5; 7; StaH 351-14 Arbeits- und Sozialbehörde 1016; StaH 332-5 Standesämter 1930 u 1730/1878; StaH 332-5 Standesämter 1958 u 4263/1879; StaH 332-5 Standesämter 8609 u 193/1901; StaH 332-5 Standesämter 572 u 321/1906; StaH 332-5 Standesämter 3135 u 508/1909; StaH 332-5 Standesämter 8730 u 677/1919; StaH 332-5 Standesämter 9844 u 2716/1929; StaH 332-5 Standesämter 1070 u 52/1937; StaH 332-5 Standesämter 8164 u 209/1939; StaH 351-14_1722 (Rheine, Nathan); StaH 351-11 AfW 37563 (Erdmann, Edith Jeanette); 213-13_17329 (Lippmann, geb. Rheine Lea, Erben); 351-11 AfW 26167 (Lippmann, Edmund); StaH 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge 1723 (Rheine, Edith Jeanette); www.jüdischer-friedhof-altona.de (Zugriff 14.1.2020). Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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