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Bereits verlegte Stolpersteine



Frieda Warneck (geborene Jacob) * 1884

Rutschbahn 15 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
FRIEDA WARNECK
GEB. JACOB
JG. 1884
DEPORTIERT 1941
ERMORDET
RIGA

Weitere Stolpersteine in Rutschbahn 15:
Jacob Blankenstein, Sophie Blankenstein, Heinz Heymann, Elisabeth Silbiger, Hermann Silbiger, Ruth Warneck

Frieda Warneck, geb. Jacob, geb. 4.8.1884, deportiert 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof, dort ermordet
Ruth Warneck, geb. 5.10.1920, deportiert 6.12.1941 nach Riga-Jungfernhof, ermordet im KZ Stutthof

Rutschbahn 15 Eimsbüttel

"Verzeihen Sie, wenn ich Sie nochmals schriftlich belästige mit meiner notgedrungenen Bitte. Ich weiß, daß Sie sehr in Anspruch genommen sind, deswegen fällt es mir doppelt schwer mich nochmals an Sie zu wenden, sich für mich mit Ihrer Fürsprache zu verwenden. Hochachtungsvoll Frieda Warneck", schrieb selbige 1936 an das Wohlfahrtsamt Hamburg.

Wer war Frieda Warneck? Sie war als zweites von acht Kindern der jüdischen Eheleute Aron Jacob und seiner Ehefrau Hannchen, geb. Salomon, am 4.8.1884 in Hamburg geboren worden. Ihr Vater Aron war der Sohn eines Mützenmachers aus Lissa in Posen (heute Polen), der sich in Hamburg am Großneumarkt 32 in der Neustadt niedergelassen hatte. Am 16. Februar 1883 hatten der Zeitungsverleger Aron Jacob (geb. 16.2.1857) und Hannchen Salomon (geb. 26.12.1855) in Hamburg geheiratet.

Hannchen Jacob war in Schleswig geboren worden und mit ihrer verwitweten Mutter Rosa Salomon, geb. Abraham, nach Hamburg in die Peterstraße 63 gezogen. (Aron Jacob verstarb am 10. Juli 1919, Hannchen Jacob am 3. August 1940. Beide wurden auf dem jüdischen Friedhof Ohlsdorf Ilandkoppel beigesetzt.)

Wir wissen nichts über die Kindheit von Frieda Jacob. Was wir aber wissen ist, dass sie nie eine Ausbildung machte. Aus den Unterlagen geht hervor, dass sie später öfter als Stickerin arbeitete.

Am 30. Mai 1919 heirateten Frieda Jacob und der nichtjüdische Adolf Warneck im Standesamt 3 in Hamburg.

Adolf Warneck war am 14.4.1887 in Huchenfeld bei Pforzheim als Kind des Goldschmiedemeisters Wilhelm Adolf Warneck und Christine, geb. Morlock, geboren worden. Als er vier Jahre alt war, starb seine Mutter.
Dass Adolf Warneck mutterlos aufgewachsen war, führte später häufig zu Problemen in seiner Ehe mit Frieda. Frieda sprach davon, dass Adolf Bindungsprobleme habe, die der Auslöser für ihre spätere Trennung von Adolf gewesen seien.

Adolf Warneck war 1919 von Berlin nach Hamburg gezogen und hatte sich als Juwelier selbständig gemacht. Er handelte mit Gold und Edelsteinen, anfangs in der ABC-Straße 6/Neustadt, dann in der Gerhofstraße 2-4/Neustadt und später Hohe Bleichen 38. Ein geregeltes Einkommen erzielte er durch die Selbständigkeit jedoch nicht.

Am 5.10.1920 wurde das einzige Kind des Ehepaares Warneck, die Tochter Ruth, in Hamburg geboren. Von 1922 bis 1932 bewohnte die Familie eine Parterrewohnung in der Rutschbahn 26. Die 5 ½ Zimmerwohnung lag im Stadtteil Rotherbaum. Frieda Warneck sicherte sich durch Zimmervermietung einen Nebenverdienst und trug so auch zum Auskommen der Familie bei. Sie vermietete vier Räume und annoncierte diese in den Zeitungen.

Doch der Nebenverdienst fiel unregelmäßig aus, denn oftmals zahlten die Mieter nicht, wenn sie selbst mittellos waren, und wenn sie Familienmitglieder aufnahm, entrichteten diese keine reguläre Miete. So blieben ihre Einkünfte niedrig. Da die Mieter oft säumig warn, konnte Frieda Warneck wiederum ihre Miete an den Hauswart nicht zahlen und musste sich an das Wohlfahrtsamt wegen Unterstützung wenden. Von dort erhielt sie meist abschlägige Bescheide und erhob wiederholt Einspruch dagegen.

Im Jahre 1929 war die Familie Warneck mit der Miete bereits mehrere Monate im Rückstand und es drohte ihr eine Räumungsklage. Gerichtskosten, Anwalt und Miete summierten sich zu Außenständen in Höhe von 750 RM. Das Wohlfahrtsamt stellte nun die Wirtschaftlichkeit der 5 ½ Zimmerwohnung in Frage und verlangte, dass Warnecks sich eine günstigere Wohnung suchen sollten.

Ein Wohnungswechsel kam für Frau Warneck allerdings nicht in Betracht. Sie wollte die Wohnung halten. Durch finanzielle Unterstützung von Seiten ihrer Familie und durch Freunde konnten sie ihre Außenstände begleichen und so den Verlust der Wohnung gerade noch einmal abwenden.

Inzwischen war jedoch die Ehe zerrüttet. Am 18. Februar 1932 ließ sich das Ehepaar Warneck scheiden. Nach der Trennung lebten Mutter und Tochter zunächst weiter in der Rutschbahn 26.

Ruth war ein zartes und kränkliches Kind mit einem Herzfehler, das unter Blutarmut litt. Sie, wie auch ihre Mutter, waren auf regelmäßige Herzmedikamente angewiesen. Im November 1931 erkrankte Ruth an Skrofulose, eine infektiöse Erkrankung der Lymphknoten. Von der Hauttuberkulose, wie sie auch genannt wurde, konnte sie nicht mehr geheilt werden. Aufgrund ihrer Erkrankungen wurde ihr im Sommer 1932 ein Kuraufenthalt in Bad Nauheim verschrieben, währenddessen sie an einer schweren Lungenentzündung erkrankte. Die Kur wurde deshalb um einen Monat verlängert.

Am 1. April 1933 zogen Mutter und Tochter in die Rutschbahn 15 um, in eine 2 ½ Zimmerwohnung. Ein Zimmer vermietete Frieda Warneck auch hier unter, um sich so wenigstens einen geringen Betrag zum Lebensunterhalt zu sichern. Sie war trotzdem immer noch auf zusätzliche Unterstützung vom Wohlfahrtsamt angewiesen.

Bis 1936 erhielt sie für Ruth noch Unterhaltszahlungen von ihrem geschiedenen Ehemann. Dann stellte er diese ein. Sein Juweliergeschäft, inzwischen in der Hohen Bleichen 38/Neustadt gelegen, hatte er aufgegeben und zog am 1. September 1938 zurück in seine alte Heimat, nach Pforzheim.

Ruth war mit acht Jahren in die Jüdische Mädchenschule eingeschult worden, die sie bis 1938 besuchte. 1936 stellte das Wohlfahrtsamt die Zahlungen für den Schulbesuch ein, weil die Schulpflicht beendet war. Die Zuständigen im Amt empfahlen Frieda Warneck, sich an die Jüdische Gemeinde zu wenden. Diese trug dann die Kosten für die letzten zwei Schuljahre.

Frieda Warneck erhielt am 4. September 1936 die Auflage, für die Zahlung des Wohlfahrtsgeldes "Pflichtarbeit" zu leisten. Sie wurde für drei Tage in der Woche in einer Nähstube eingesetzt. Wegen ihres Herz- und Augenleidens fühlte sie sich mit dieser Arbeit überfordert, selbst den Weg dorthin empfand sie als zu beschwerlich. Sie meldete sich dann oft krank und legte entsprechende Atteste vor. Das Wohlfahrtsamt verweigerte daraufhin die Unterstützung. Der Vertrauensarzt Schlüns, den sie aufsuchen musste, erklärte sie für arbeitsfähig. Frieda Warneck legte zwar Widerspruch ein, der jedoch abgewiesen wurde.

Ruth Warneck begann am 12. April 1939 eine Ausbildung als Haustochter im Mädchenwaisenhaus des Paulinenstiftes, Laufgraben 37. Sie wurde für ihre Arbeit nicht entlohnt. Das Mädchenwaisenhaus bestand darauf, dass sie ein jüdisches Bekenntnis ablegte. Da ihr Vater kein Jude war, stuften die Nationalsozialisten Ruth Warneck als "Halbjüdin" ein, die jedoch wegen ihres Besuchs einer jüdischen Schule und des Eintritts in die Jüdische Gemeinde nicht als "Mischling", sondern als "Geltungsjüdin" behandelt wurde. Das bedeutete, dass sie allen antijüdischen Maßnahmen unterlag.

Ab 8. April 1940 arbeitete Ruth Warneck als Haushaltsangestellte in einem jüdischen Wohnheim an der Hochallee 66. Geplant war, dass sie zur Erweiterung ihrer Kenntnisse nach der Ausbildung für eine Zeit nach England oder Schweden gehen sollte. Dazu kam es jedoch nicht mehr.

Am 30. April 1939 wurden etliche Gebäude im jüdischen Besitz zu "Judenhäusern" erklärt, so die Rutschbahn 15. Frieda Warneck musste ihre Wohnfläche in ihrer Wohnung auf ein Minimum reduzieren.

Wegen der beengten Wohnverhältnisse zog Ruth zu Friedas Schwester Martha und deren Ehemann Adolf Cohn in die nahe Rappstraße 24.
Sie musste nun im "Siechenheim" in der Schäferkampsallee 29 als Pflegeschwester arbeiten, dafür erhielt sie Kost und 5 RM Taschengeld.

Frieda und Ruth Warneck wurden am 6. Dezember 1941 in das Außenlager Jungfernhof des Gettos Riga deportiert. Wann und wie Frieda Warneck dort ums Leben kam, ist nicht bekannt.

Die meisten Insassen des Lagers, die Hunger und Kälte des Winters 1941/42 überstanden hatten, wurden bei einer Erschießungsaktion ("Aktion Dünamünde") im März 1942 ermordet. Ruth Warneck gehörte zu den wenigen Arbeitsfähigen, die von der Massenerschießung verschont blieben und in das Getto Riga eingewiesen wurden.
Von dort kam sie am 1. Oktober 1944 in das KZ Stutthof, wo sich ihre Spur verliert.

Zum Schicksal der Geschwister von Frieda Warneck:
John Jacob (geb. 3.8. 1885) verstarb am 6. April 1886 in Hamburg.

Seraphine Jacob (geb.18.4.1887) verstarb am 18. Juli 1887 in Hamburg.

Leopold Friedrich Jacob (geb. 18.12.1893) verstarb im 1. Weltkrieg am 9. November 1916 in Russland. An ihn erinnert eine Inschrift auf dem Ehrendenkmal der auf dem Ehrenhain beigesetzten Weltkriegsopfer.

Delfred Jacob (geb. 29.4.1883) und seine Ehefrau Jenny (geb. 3.9.1886) wurden ins Getto "Litzmannstadt"/Lodz deportiert und dort ermordet. Die Stolpersteine liegen in der Straße Pilatuspool 15. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de

Martha Jacob (geb. 3.5.1888) heiratete am 25.10.1936 Adolf Cohn. Sie beging am 15.12.1941 Suizid, und Adolf Cohn wurde am 5.5.1943 nach Auschwitz deportiert. Die Stolpersteine liegen in der Rapsstraße 24. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de

Zerline Jacob (geb. 16.8.1889), und ihr Ehemann Hermann Peritz (geb. 16.9.1882) wurden ins Getto Minsk deportiert. Die Stolpersteine liegen in der Wandsbeker Chaussee 104. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de

Anna Sekkel, geb. Jacob (geb. 10.2.1891), wurde nach Riga-Jungfernhof deportiert und dort ermordet. Der Stolperstein liegt in der Rappstraße 2. Siehe www.stolpersteine-hamburg.de

Stand: Juni 2020
© Bärbel Klein

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; StaH 213-13_13965; 213-13_14661; 213-13_25396; 214-1_203; 351-11_14363; 351-11_34951; 351-11_39751; 351-11_44595; 351-11_45670; 351-11_7643; 351-11_47894; 351-14_1041; 351-14_1321; 351-14_1807; 351-14_1959; 351-14_1974; 332-5_1012/1881; 332-5_114/1883; 332-5_2077/1883; 332-5_3664/1884; 332-5_4281/1885; 332-5_4438/1886; 332-5_2009/1887; 332-5_2255/1887; 332-5_2231/1888; 332-5_3886/1888; 332-5_754/1891; 332-5_4719/1893; 332-5_3487/1889; 332-5_3296/1890; 332-5_51/1903; 332-5_245/1913; 332-5_677/1913; 332-5_255/1916; 332-5_288/1916; 332-5_778/1916; 332-5_2136; 332-5_759/1918; 332-5_240/1919; 332-5_475/1919; 332-5_1029/1921; 332-5_576/1929; 332-5_607/1936; 332-5_213/1937; 332-5_406/1940; 332-5_445/1941; 331-5_3 Akte 1945/1941; 522-1_1066; Stadtarchiv Gudensberg Nr. 52/1886; ITS Archives Bad Arolsen Digital Archive Korrespondenzakte 1.2.4.1 / 7105 Archivnummer [12650952] Einsicht am 9.3.2017; ITS Archives Bad Arolsen Digital Archive Korrespondenzakte 1.2.4.1 / 7105 Archivnummer [99094924] Einsicht am 9.3.2017; www.Ancestry.de; www.wikipedea.de.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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