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Bereits verlegte Stolpersteine



Amalie Delmonte (geborene Zechlinski) * 1883

Bundesstraße 35 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
AMALIE DELMONTE
GEB. ZECHLINSKI
JG. 1883
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
20.9.1940

Weitere Stolpersteine in Bundesstraße 35:
Julius Asser, Rosa Bauer, Ernst Antonio Cassuto, Moses "Martin" Delmonte, Sara Delmonte, Hans Gerson, Margot Gerson, Uri Gerson, Frieda Sternheim

Amalie Delmonte, geb. Zechlinski/ Zichlinski, geboren am 11.7.1883, gedemütigt/entrechtet, Flucht in den Tod am 20.9.1940
Moses, genannt Martin, Delmonte, geboren am 16.9.1868, deportiert 15.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 21.9.1942 nach Treblinka und ermordet

Bundesstraße 35 Haus B, Eimsbüttel

Amalie Zechlinski/ Zichlinski war als zweites von drei Kindern der jüdischen Eheleute Louis Lewin Zichlinski und Henriette Levi Feihsel, geb. Dammann, am 11.7.1883 in Hamburg geboren worden. Für Amalies Mutter war es bereits die zweite Ehe. Sie war in erster Ehe mit dem in London verstorbenen Rudolf Duks verheiratet gewesen. Die beiden hatten eine Tochter Flora Duks (geb. 6.11.1878). Als Rudolf Duks in London verstorben war, zog Henriette Duks mit ihrer Tochter nach Hamburg. Der zweite Ehemann Louis Zichlinski adoptierte Flora Duks. (Louis Lewin Zichlinski verstarb am 2. Mai 1886, Henriette Zichlinski am 16. Januar 1920. Beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt.)

Amalie Zichlinski erlernte als junge Frau den Beruf der Schneiderin und verdiente sich damit ihren Lebensunterhalt. Sie heiratete am 18. März 1920 in Hamburg den Kaufmann Moses, genannt Martin, Delmonte. (Auf der Heiratsurkunde lautete Amalies Geburtsname Zechlinski.)

Martin Delmonte war als siebtes von neun Kindern der Eheleute Jehuda, genannt Julius, Delmonte und Betty, geb. Lövi, in Hamburg am 16.9.1868 geboren worden. Beider Eltern lebten seit den 1840er Jahren in Hamburg.

Martin Delmonte arbeitete bei seinem Vater im Zigarrengeschäft mit, das sich in der Marktstraße 21 (heute Ehrenbergstraße, die Nummer 21 gibt es nicht mehr) befand.

1920 zogen Amalie und Martin Delmonte in die Bundestraße 35 Haus B Nr. 21. Für die Stiftwohnung mit den zwei Zimmern im Parterre entrichtete das Ehepaar Delmonte eine Miete von monatlich 4 RM, die auch in den folgenden Jahren nicht erhöht wurde. Der Grund: Die Samuel-Levy-Stiftung von 1896 hielt bis 1942 47 Wohnungen für bedürftige "Israeliten", d.h. Juden, bereit. (Das Stiftungsgebäude wurde 1942 zwangsverkauft, diente als "Judenhaus" und gelangte nach 1945 wieder in den Besitz der Jüdischen Gemeinde. 1970 wurde es abgerissen.)

Wann Martin Delmonte sich als Zigarrenhändler selbständig gemacht hatte, wissen wir nicht. Aber er soll 1923 durch die Inflation sein Geschäft verloren haben. 1925 nahm er eine uns nicht bekannte Arbeit an, die es ihm ermöglichte, zum Lebensunterhalt für sich und seine Frau beizutragen und Geld in die Rentenkasse einzuzahlen. Da er vor seiner Selbständigkeit bereits in die Rentenkasse eingezahlt hatte, fehlten ihm nur noch 1 ½ Jahre, um einen Rentenanspruch zu erlangen.

1926 arbeitete Amalie Delmonte als Schneiderin bei der Firma Arendt am Neuer Wall 35 in der Neustadt und trug so ebenfalls zum Familieneinkommen bei.

Doch Ende der 1920er Jahre konnte das Ehepaar aus gesundheitlichen Gründen seinen Lebensunterhalt nicht mehr selbst bestreiten und musste Wohlfahrtsunterstützung beantragen: Martin Delmonte hatte, vermutlich wegen einer Gehörlosigkeit bis April 1928 eine Invalidenrente bezogen, die die Versicherungsanstalt dann einstellen wollte. Seine Berufung lehnte sie ab. Auch Amalie Delmonte erhielt aufgrund eines Unfalls eine Rente. Sie betrug 36 RM. Davon konnte das Ehepaar jedoch nicht leben.

Am 31. Mai 1928 fasste die Ärztin Lemke deren Situation wie folgt zusammen: "Moses Delmonte, taubstumm und am Grauen Star erkrankt, konnte durch die zunehmende Blindheit seine Arbeitstätigkeit nicht mehr ausüben. Im August 1928 erkrankte Amalie Delmonte von 45 Jahren so schwer am Gehör, das sie fortan als schwerhörig in ihrer Krankenakte geführt wurde. Die Ursache ihrer Schwerhörigkeit kennen wir nicht".

Aufgrund dieses Berichtes gewährte die Wohlfahrtsbehörde dem Ehepaar Unterstützungsleistungen. Auch die Invalidenrente wurde wieder gewährt.

Amalie Delmontes Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter: ein Gallenleiden, einhergehend mit Schwindelanfällen, Bewusstlosigkeit und Stürzen, die dann zu weiteren Verletzungen führten, machte ihr die Berufstätigkeit unmöglich.

Das Ehepaar erhielt zusammen 70 RM Invaliden und Unfallrente von der Versicherungsanstalt, was jedoch auf die Wohlfahrtsunterstützung angerechnet wurde. Trotz der niedrigen Miete reichte die Unterstützung nicht für den täglichen Lebensunterhalt und die Kosten der Medikamente.

Amalie Delmonte beantragte daher am 9. Februar 1931 erfolgreich zusätzliche Unterstützung beim Wohlfahrtsamt, so dass 8 RM monatlich hinzukamen. Als diese Summe dann wieder gemindert wurde, gewährte die Jüdische Gemeinde im August desselben Jahres Unterstützung in Form eines monatlichen Lebensmittelpakets und die Ärztin Lemke bat das Wohlfahrtsamt, dem Ehepaar Delmonte wieder die volle Unterstützung zu bewilligen, da es für beide Eheleute aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme inzwischen aussichtslos war, einen Arbeitsplatz zu finden.

Amalie Delmonte konnte inzwischen den Krankenkassenbeitrag für die AOK nicht mehr entrichten und trat Ende September 1931 aus der Krankenkasse aus. Sie fühlte sich depressiv und hinfällig. Am 17. Oktober 1931 unternahm sie einen Suizidversuch mit Morphium, der fehlschlug. Am 5. Februar 1932 wurde sie wegen eines erneuten Selbstmordversuchs im Hafenkrankenhaus aufgenommen. Ende des Jahres 1932 kam zu den Krankheiten noch ein blutendes Magengeschwür hinzu. Es folgten weitere Suizidversuche.

Martin Delmonte konnte inzwischen nur noch Milch und flüssige Nahrung zu sich nehmen. Es stellte sich heraus, dass er an einem Ulcus (Geschwür) litt.

Amalie Delmontes Gesundheitszustand verschlechterte sich stetig: Ihre Augen erkrankten, 1934 kamen Beschwerden mit den Kniegelenken hinzu, Gallenleiden und Neuralgien. Seit 1934 benötigte sie wegen ihrer Schwerhörigkeit ein Hörrohr. Durch das Gallenleiden musste sie nun eine strenge Diät einhalten.

1939 stellte die staatliche Wohlfahrtsbehörde die Unterstützung für Juden ein und bürdete diese den jüdischen Gemeinden auf. Als Amalie Delmonte im März des Jahres dringend Zahnersatz benötigte und der Zahnarzt für sie einen entsprechenden Antrag stellte, verwies die Wohlfahrtsbehörde sie an den Jüdischen Religionsverband e.V., wie sich die Jüdische Gemeinde inzwischen nennen musste.

Ab 1940 war sie dann blind und fast ganz taub. Dadurch bedingt, stürzte sie oft hin und zog sich Prellungen und Knochenbrüche zu. Martin Delmonte, selbst nicht gesund und fast blind, versorgte seine Frau, so gut es ihm möglich war.

Am 20. September 1940 unternahm Amalie Delmonte den fünften und letzten Suizidversuch. Sie wurde ins Israelitische Krankenhaus in der Johnsallee eingeliefert, doch der mit Leuchtgas begangene Selbstmord setzte ihrem Leben am 20. September 1940 ein Ende. Ihre sterblichen Überreste wurden wenige Tage später auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel im Grab P1 – 156 beigesetzt.

Am 10. März 1942 musste Martin Delmonte in das "Judenhaus" Kielortallee 22-24 in Eimsbüttel umziehen. Dort erhielt er den Deportationsbefehl für den 15. Juli 1942. Er musste sich an der Schule Altonaer Straße an der Sternschanze einfinden. Mit ihm versammelten sich auf dem Schulhof 925 Menschen. Die Schule Altonaer Straße befand sich ganz in der Nähe des Bahnhofes Sternschanze. Versteckt hinter Wohnhäusern, war sie von der Straße aus nicht einsehbar. Aufgrund dieser abgeschirmten Lage wurde der Schulhof von der Geheimen Staatspolizei im Juli 1942 zum idealen Sammelplatz für diejenigen Juden erklärt, die wegen ihres Alters (über 65 Jahre) oder Gebrechlichkeit nicht in die Osttransporte eingereiht worden waren. Martin Delmonte gehörte als Gehörloser, fast Blinder und 73jähriger Mann zu ihnen.

Der Zug fuhr vom Hannoverschen Bahnhof am Mittwoch, den 15. Juli 1942 morgens um 8.45 Uhr ab und gelangte einen Tag später in Theresienstadt an. Im Zug befand sich auch Martins Schwägerin Sara Delmonte. Die Fahrt endete am Bahnhof Bauschowitz. Von dort mussten die Deportierten ihr Gepäck trotz Hitze 2,5 Kilometer weit bis zum Getto tragen.

Martin Delmonte und seine Schwägerin wurden am 21. September 1942 in das Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert, wo sie ermordet wurden.

Zum Schicksal der Geschwister von Martin Delmonte:
Jakob Delmonte (geb. 5.4.1857) hatte am 7. Dezember 1887 in Hamburg Sara, geb. Delmonte (geb. 26.4.1860) geheiratet. Das Ehepaar bekam zwei Töchter: Betty Olga Delmonte (geb. 12.4.1889) und Simcha Erika Delmonte (geb. 1.8.1895). Beide wanderten in die USA aus. Jakob Delmonte verstarb am 27. April 1923 in Hamburg und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt. Sara Delmonte wurde nach Theresienstadt deportiert (siehe oben) und in Treblinka ermordet.

Flora Delmonte (geb. 24.1.1861) hatte am 10. August 1885 den Musiker Arnold Müller (geb. 14.7.1859) geheiratet. Sie hatten zwei Kinder: Otto Arthur Müller (geb. 29.7.1886) und Kätchen Sophie Müller (geb. 8.10.1889). Arnold Müller verstarb 18. November 1915 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt. Flora Müller zog 1930 von Hamburg nach Berlin, wo sich ihre Spur verliert.

Angela Delmonte (geb. 4.10.1862) wanderte am 31. Mai 1893 nach Amerika aus.

Jehudith Delmonte (geb. 11.8.1864). Über Jehudith Delmonte haben wir keine Kenntnisse.

Isaac Delmonte (geb. 21.11.1866) hatte am 11. November 1899 in Hamburg die nichtjüdische Anne Christine Marie Behrens (geb. 24.11.1873) geheiratet. Er starb am 16. Januar 1920 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Bornkamp beigesetzt.

Jette Delmonte (geb. 22.6.1872) hatte in erster Ehe Gottfried Kruse (geb. 13.8.1865) geheiratet. Die Ehe wurde 1903 geschieden. In ihrer zweiten Ehe heiratete sie am 5. April 1904 in Hamburg den nichtjüdischen Carl Ludwig Brunk (geb. 29.1.1857). Jette Brunk verstarb am 27. Januar 1919.

Zum Schicksal der Geschwister von Amalie Delmonte
Halbschwester Flora Zechlinsky/Zechlinski heiratete am 26. September 1914 den Schweizer Charles Albert Reusser (geb. 10.12.1887). Das Ehepaar bekam die Tochter Karla Reusser. Die Ehe wurde am 28. März 1941 in Hamburg geschieden. Flora nahm ihren Mädchennamen Zechlinsky wieder an und flüchtete mit Tochter Karla Reusser am 12. April 1943 von Hamburg aus in die Schweiz. Sie hatten durch Charles Albert Reusser die Staatsangehörigkeit der Schweiz.

Bruder Max Zichlinski (geb. 15.1.1882) verstarb am 4. November 1882 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ottensen beigesetzt.

Bruder Feodor Zichlinski (geb. 30.1.1886) verstarb am 20. März 1886 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ottensen beigesetzt.

Stand: August 2021
© Bärbel Klein

Quellen: 1; 4; 5; 7; 8; 9; StaH 314-15_FVg 9064; 522-1_1010 port_5621/1861; 522-1_1010 port_5624/1864; 522-1_1010 port_5627/1866; 522-1_1010 port_5628/1868; 522-1_1010 port_5633/1872; 332-5_134/1882; 332-5_3352/1883; 332-5_5743/1884; 332-5_1500/1886; 332-5_3645/1886; 332-5_1042/1887; 332-5_1527/1887; 332-5_2088/1888; 332-5_264/1889;332 5_1202/1889; 332-5_2184/1889;332-5_816//1890; 332-5_588/1891;332-5_384/1891;332-5_717/1892; 332-5_1433/1893; 332-5_1726/1894; 332-5_1393/1896; 332-5_673/1899; 332-5_312/1904; 332-5_535/1909; 332-5_879/1910; 332-5_203/1911; 332-5_297/1911; 332-5_102/1919; 332-5_142/1920; 332-5_244/1923; 332-5_431/1938; 332-5_524/1939; 332-5_610/1940; 332-5_40/1941; 351-14.1088; 332-4_2735 Isaac Delmonte; 331-5 3 Akte_1925; 741-4_K4358, ITS Archives Bad Arolsen Digital Archive Copy of 1.2.4.1 / 7105 Archivnummer [12651515] und [12410011]; Im Jüdischen Hamburg, von Michael Studemund-Halevy, Hamburg 2011, S. 135; …man muss in die Hinterhöfe, Keller und Dachwohnungen gehen, Harald Jenner, Kirche und Stadt in Altona, Hamburg 1993, S. 42f;
www.wikipedea.de; www.geni.com; www.Ancestry.de (Einsicht 26.4.2020).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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