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Erna Anders * 1923

Im Tale 4 (Hamburg-Nord, Eppendorf)


HIER WOHNTE
ERNA ANDERS
JG. 1923
EINGEWIESEN 1939
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 25.11.1941
HEILANSTALT PFAFFERODE
ERMORDET 27.11.1941

Erna Magdalena Anders, geb. 29.3.1923 in Hamburg, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 20.8.1928, mehrfach verlegt, zuletzt am 25.11.1941 in die Landesheilanstalt Pfafferode in Mühlhausen (Thüringen), dort gestorben am 27.11.1941

Im Tale 4 (Eppendorf)

Erna Magdalena Anders, geboren am 29.3.1923 in Hamburg, war die Tochter des Kaiarbeiters Willy Otto Anders, geboren 26.8.1884 in Hamburg, und seiner Ehefrau Margarethe Henriette Catharina, geb. Saupe, geschiedene Warlies, geboren am 15.8.1884 in Altona.

Eine Patientenakte, die Auskunft über Erna Anders‘ fast elf Jahre währenden Aufenthalt in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) geben könnte, existiert nicht mehr. Das Wenige, was wir wissen, ist einer Karteikarte entnommen, die für das ab 1934 zum Zwecke der "erbbiologischen Bestandaufnahme" der Bevölkerung aufgebaute Hamburger Gesundheitspassarchiv angelegt wurde. Außerdem stützen sich die folgenden Ausführungen auf die wenigen Angaben in den Krankenakten der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn sowie der Landesheilanstalt Pfafferode im thüringischen Mühlhausen.

Aus der ersten am 2. Mai 1906 in Ottensen geschlossenen Ehe von Erna Anders‘ Mutter mit dem Arbeiter Otto Warlies, geboren am 20.5.1884 in Zedmar, Kreis Darkehmen (Ostpreußen), gingen drei Kinder hervor, die alle im Kleinkindalter starben. Diese Ehe wurde am 1. Juli 1912 geschieden.

Am 15. September 1915 heiratete Margarethe Warlies den Arbeiter Willy Otto Anders. Mit ihm hatte sie nach den Eintragungen in der Erbgesundheitskarteikarte sechs Kinder, darunter Erna als das zweitjüngste. Zwei Kinder waren, als die Karteikarte etwa 1939 angelegt wurde, bereits verstorben. Laut dieser Karteikarte war Erna Anders‘ Mutter "nervenkrank", litt unter "dauernden Kopfschmerzen" und "kannte ihre Kinder nicht".

Das Schicksal von Erna Anders‘ weiteren drei Geschwistern kennen wir nicht. Erna Anders wurde am 20. August 1928 mit der Diagnose "Idiotie" in den Alsterdorfer Anstalten aufgenommen ("Idiotie" ist ein veralteter Begriff für eine schwere Form der Intelligenzminderung). Erna soll ihre Kleider zerrissen und ihren Kopf gegen Türen geschlagen haben. Am 10. Mai 1939 wurde die sechzehnjährige Erna Anders in die Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn verlegt, wo ihre geistige Entwicklung entsprechend der eines zweijährigen Kindes eingestuft wurde. Fünf Monate später, am 5. September 1939, kam Erna Anders in den Lindenhof der damaligen "Ricklinger Anstalten" (Kreis Segeberg), am 25. November 1941 wurde sie in die Landesheilanstalt Pfafferode verlegt.

Pfafferode ist ein Ortsteil von Mühlhausen in Thüringen (ehemals preußische Provinz Sachsen). Auf dem Gelände des Gutes Pfafferode entstand ab 1910 eine "Irrenanstalt", die 1929 über 1.200 Betten verfügte. Von dort wurden im Jahre 1940 Patienten in die Zwischenanstalt Altscherbitz und dann weiter in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel, später in die Tötungsanstalt Bernburg gebracht und mit Kohlenmonoxid ermordet. Nach dem offiziellen Ende der "Aktion T4" im August 1941 und damit der Krankenmorde in den Tötungsanstalten wurde in vielen psychiatrischen Anstalten wie auch in Pfafferode weiter gemordet: durch Überdosierung von Medikamenten, Vernachlässigung und systematisches Verhungernlassen. Von den aus anderen Anstalten nach Pfafferode deportierten Patienten starben in den Jahren 1941 bis 1944 jährlich bis 94 Prozent. Ende 1941 waren zusammen mit Erna Anders weitere 171 Frauen aus Rickling nach Pfafferode abtransportiert worden. Von ihnen erlebten nur zehn Frauen das Kriegsende.

Erna Anders starb nur zwei Tage nach ihrer Ankunft in Pfafferode am 27. November 1941. Ihr Vater erhielt auf seine besorgte Frage nach der Todesursache seiner Tochter unter dem 9. Dezember 1941 die Antwort: "Ihre Tochter […] ist an allgemeiner Erschöpfung verstorben. Gez. Eys".

Stand: Juli 2021
© Ingo Wille

Quellen: Adressbuch Hamburg; StaH 332-5 Standesämter 6232 Geburtsregisterauszug 2323/1884 Margareta Henriette Katharina Saupe, 2082 Geburtsregisterauszug Nr. 4032/1887 Willy Otto Anders, 5794 Heiratsregisterauszug Nr. 170/1906 Otto Warlies/Margareta Henriette Katharina Saupe, 9559 Heiratsregisterauszug Nr. 362/1915 Willy Otto Anders/ Margareta Henriette Katharina Saupe gesch. Warlies; 352-8/7 Staatskrankenanstalten Abl 1995/1 Nr. 25935 Anders Erna; Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Aufnahmebuch 1928 S. 55, Erbgesundheitskarteikarte Erna Anders; Thüringisches Staatsarchiv Gotha, 2-82-0810 (Erna Anders). Harald Jenner, Michael Wunder, Hamburger Gedenkbuch Euthanasie – Die Toten 1939-1945, Hamburg 2017, S. 70. Steffen Kubrik, Die Anfänge der Psychiatrie in Mühlhausen-Pfafferode (1912-1958), Mühlhäuser Beiträge, Sonderheft 23, Mühlhausen 2012; Heinz Faulstich, Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949 Freiburg 1998, S. 518 ff. https://landesverein.de/geschichte (Zugriff am 25.3.2021).

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