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Bereits verlegte Stolpersteine



Rosa Stein (geborene Frank) * 1872

Beim Andreasbrunnen 8 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Lodz
ermordet am 7.6.1942

Weitere Stolpersteine in Beim Andreasbrunnen 8:
Emil Behrens, Jenny Behrens, Lucie Moses, Dr. Leonhard Stein

Dr. Leonhard Stein, geb. 8.7.1894 in Hamburg, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, dort am 29.8.42 gestorben
Rosa Stein, geb. Frank, geb. 2.12.1872 in Hamburg, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, dort am 7.6.42 gestorben

Leonhard Stein war das erste Kind des Kaufmanns Karl Stein und dessen Ehefrau Rosa, geb. Frank. Seine Schwester Margarete kam drei Jahre nach ihm, am 7. Mai 1897 zur Welt. Margarete war noch kein Jahr, ihr Bruder Leonhard keine vier Jahre alt, als der Vater am 17. Februar 1898 an Leukämie starb. Er hinterließ seiner Frau ein erhebliches Vermögen, das der jungen Witwe mit den Kindern eine gehobene Lebensführung erlaubte.

Im Ersten Weltkrieg war Leonhard Stein als Unteroffizier eingezogen und als Frontkämpfer verwundet worden. Ihm wurde das "Verwundetenabzeichen in schwarz" verliehen.

Leonhard Stein wurde nach seinem Jurastudium am 1. Februar 1922 zum Staatsanwalt ernannt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er in seiner Berufsausübung immer weiter eingeschränkt, bis zum völligen Berufsverbot mit Ablauf des 30. September 1933; er war 39 Jahre alt. Am 27. März 1933 – "noch vor dem Erlass des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 7.4.1933" – war er bis auf weiteres beurlaubt worden. Seine Versetzung in den "Ruhestand" zum 19. April 1933 wurde im "Hamburger Fremdenblatt" unter der Rubrik: "Säuberung des Hamburger Beamtentums" am 2. Juli 1933 bekannt gegeben.

Bis 1933 hatte er die Hoffnung gehabt, im Amt bleiben zu können. Trotz seiner Erfahrungen vertraute er auch noch nach seiner Deportation nach Litzmannstadt auf die "Korrektheit des deutschen Beamtentums", sodass er in einem Schreiben vom 6. Dezember 1941 um Überweisung seiner "bescheidenen Ruhestandsbezüge" nach Litzmannstadt ersuchte. Erst dadurch fiel der Justizverwaltung auf, dass die Bezüge weiterhin auf das Sperrkonto überwiesen worden waren. Daraufhin erfolgte die Anordnung, das Vermögen einzuziehen, sowie die Rückforderung der Beträge für November und Dezember.

Leonhard Stein war in Hamburg bis zu seiner Deportation Mitglied der Jüdischen Gemeinde und zahlte nachweislich Kultussteuer. Als Mitglied der jüdischen Freimaurer "Nehemia-Nobel-Loge", war er Präsident der Loge und auch in deren Satzungsausschuss tätig. Vermutlich lernte er dort seine Frau, Therese/Trude, geb. Levy, kennen, die im Vorstand und überdies Kassiererin der Schwesternvereinigung der Nehemia-Nobel-Loge war. 1933 wurde die Ehe geschieden.

Nach seiner Entlassung aus dem Staatsdienst und der Scheidung reiste Leonhard Stein im April 1934 nach Italien. Dort erlernte er die italienische Sprache und absolvierte erfolgreich ein Rechtsstudium in Rom, das er 1935 mit dem Doktorexamen abschloss. Anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.

Bis Oktober 1936 wurden Ruhestandsbezüge von 294,10 RM nach Italien überwiesen. Von November 1936 bis September 1937 wurde nur ein geringer Teilbetrag transferiert, während der Restbetrag auf ein Sonderkonto bei der Dresdner Bank übertragen wurde. Ab dem 1. Oktober 1937 wurden Überweisungen nach Italien nicht mehr genehmigt.

Nachdem auch in Italien Juden Repressalien ausgesetzt waren, kehrte Leonhard Stein im Herbst 1938 nach Hamburg zurück. Im Februar 1940 musste er eine Vermögenserklärung abgeben. Offenbar erwies sich sein Einkommen und Vermögen als so gering, dass keine "Sicherungsanordnung" auferlegt wurde.

Leonhard Stein wurde zusammen mit seiner Mutter Rosa am 25. Oktober 1941 nach Litzmannstadt deportiert, wo er zunächst zusammen mit seiner Mutter und vermutlich vielen anderen Deportierten in der Rauchgasse 25 untergebracht war.

Am 13. August wechselte er in die Rembrandtstraße 3/2, wo er am 29. August verstarb. Als Todesursache wurde "Herzschwäche" bei dem 48-Jährigen angegeben.

Leonhard Steins Schwester Margarete, verheiratete Byk, besuchte das Lyzeum von "Fräulein" Delbanco. Anschließend absolvierte sie eine Ausbildung zur Malerin und Kunstgewerblerin im Institut von Gerda Koppel am Glockengießerwall 23. Auch sie war Jüdin und durfte ab 1936 nicht mehr unterrichten. Sie emigrierte 1939.

Am 18. Januar 1922 heiratete sie den Kaufmann Walter Byk, geb. am 20. Juni 1882. Die Familie lebte in der Schlüterstraße 3, später in der Barmbekerstraße 144; als letzte Adresse ist Barmbekerstraße 133 angegeben. Mit den beiden Töchtern, 1923 und 1924 geboren, emigrierte die Familie am 24. Juli 1934 nach Palästina.

Rosa Stein, die Mutter von Leonhard und Margarete, kam als Kind von Samuel und Caroline Frank, geborene Karpus, in Hamburg zur Welt. Sie heiratete den Kaufmann Karl Stein, der früh verstarb. Das Vermögen, das ihr Mann hinterlassen hatte, bestand im Wesentlichen aus Anteilen an zwei Hamburger Grundstücken, die gezwungenermaßen verkauft wurden. Der Erlös musste auf ein gesperrtes Treuhandkonto bei der Fa. M. M. Warburg & Co. überwiesen werden. Ihr Vermögen muss relativ hoch gewesen sein, da sie bis zu ihrer Deportation Kultussteuer entrichtete. Am 1. Juli 1940 wurde ihr Konto durch die sogenannte Sicherungsanordnung ihrer Verfügung entzogen. Ebenso wurde ihr Sparkonto mit 4000 RM gesperrt. Der beantragte Freibetrag von 260 RM monatlich wurde ohne Angabe von Gründen auf 215 RM gekürzt. Mit diesem Betrag konnte Rosa Stein ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten und musste mehrere Schmuckstücke – vermutlich weit unter Preis – verkaufen.

In der Zeit von 1940 bis Ende 1941 wurde Frau Stein genötigt, ihre Wohnung dreimal zu wechseln. Die letzte selbstgewählte Dreieinhalbzimmerwohnung lag in der Krochmannstraße 9. Vom 15. September 1940 bis zum 1. Mai 1941 lebte sie in der Haynstraße 9 bei Weber, dann zog sie in den Andreasbrunnen 3 zu Nachum. Am 17. Oktober 1941, kurz vor ihrer Deportation, zeigte sie der Devisenstelle an: "Laut behördlicher Beschlagnahme der Wohnung Beim Andreasbrunnen 3 verziehe ich heute nach Lenhartzstr. 3 III bei Mayer". Das Haus Lenhartzstraße 3 war ein "Judenhaus".

Rosa Stein wurde am 25. Oktober 1941 zusammen mit ihrem Sohn nach "Litzmannstadt" deportiert. Ihre Adresse dort lautete Rauchgasse 25.

Rosa Stein erhielt im Getto die Aufforderung zur "Aussiedelung". Dies bedeutete die Weiterdeportation ins Vernichtungslager Chelmno. Damit "gehörte Frau Stein zu den allerersten, die zur Ausreise aufgefordert wurden …, während alle anderen Ausreiseaufforderungen an die Mitglieder des Hamburger Transports Nummern mit III/ oder IX hatten", schrieb Fritz Neubauer.

Leonhard Stein, der selbst anscheinend keine Aufforderung zur Aus­reise bekommen hatte, bat in einem Schreiben "dringend, seine Mutter ... von der Ausreise freizustellen". "Eine Entscheidung der Kommission ist … nicht erkennbar, in der Meldekartei ist aber vermerkt, dass sie am 7. Juni 1942 im Getto verstorben ist …" (Neubauer).

An Leonhard Stein erinnert seit August 2006 auch ein Stolperstein vor dem Ziviljustizgebäude am Sievekingplatz.

© Ulrike Graubner

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; AfW 070597; StaH 314-15 OFP, R 1940/ 978; StaH 314-15 OFP, R 1940/313; Morisse, MHR Nr. 3/2006, S. 4; Bergmann/Ladwig-Winters, Richter, 2004; Hochmuth/de Lorent (Hrsg.), Schule unterm Hakenkreuz, 1985, S. 19; Schicksale jüdischer Juristen in Hamburg im dritten Reich, Niederschrift einer Podiumsdiskussion mit Wissenschaftlern und Zeitzeugen sowie eines Vortrages von Gert Nicolaysen über die Rechtsfakultät der Universität Hamburg 1933, Hamburg 1985, S. 10f.; Verzeichnis Der Mitglieder Der Drei Hamburger Logen U.O.B.B. Henry Jones Loge, Steinthal Loge und Nehemia Loge, 1933, S. 14, 63, 65, 79 u. 80 (1933); Feuchert/Leibfried/Riecke (Hrsg.), Chronik, 2007, Bd. 1, S. 198; Lodz Hospital. Der Hamburger Gesellschaft für Genealogie zur Verfügung gestellt von Peter W. Landé 2009, USHMM Washington, bearbeitet von Margot Löhr; USHMM, RG 15.083 301/699-700 Fritz Neubauer, Universität Bielefeld E-Mail 8.6.2010.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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