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Martha Markus
© Privatbesitz

Martha Markus * 1884

Eppendorfer Landstraße 46 (Hamburg-Nord, Eppendorf)

1941 Lodz
1942 in Chelmno ermordet

Weitere Stolpersteine in Eppendorfer Landstraße 46:
Alfred Aron, Bertha Engers, Bertha Margaretha Haurwitz, Dr. Rudolf Haurwitz, Henriette Hofmann, Siegfried Marcus, Elsa Meyerhof, Käte Meyerhof, Olga Reyersbach

Siegfried Marcus, geb. 28.4.1880 in Hamburg-Harburg, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, vermutlich am 15.5.1942 nach Chelmno weiterdeportiert
Martha Markus, geb. 19.12.1884 in Lüneburg, am 25.10.1941 nach Lodz deportiert, am 10.5.1942 nach Chelmno weiterdeportiert

Eppendorfer Landstraße 46

Siegfried Marcus wurde am 28. April 1880 in (Hamburg-) Harburg als Sohn von Julius Marcus und Rosa, geb. Hirsch, geboren. Er handelte vor dem Ersten Weltkrieg mit Baumaterial und arbeitete danach als Vertreter für Reklameartikel. In diesem Zusammenhang erwarb er auch eigene Patente für Wechselschilder. Sein Büro befand sich am Jungfernstieg 2, später im Herrengraben.

Bevor er mit der Familie in die Eppendorfer Landstraße 46 zog, wohnte er unter verschiedenen Hamburger Adressen, so z. B. in der Meldorferstraße 11 und in der Löwenstraße 38.

Verheiratet war Siegfried Marcus mit Friederike, die als eines von elf Kindern von Wolf und Maria-Anna Markus, geb. Salomon, am 28. Januar 1880 in Lüneburg geboren wurde. Sie arbeitete im Büro ihres Mannes. Friederike Marcus starb am 19. September 1941 – nur rund einen Monat vor der Deportation ihres Mannes und zweier ihrer Schwestern – an Krebs.

Das Ehepaar Marcus hatte zwei Kinder: Den am 5. November 1914 in Hamburg geborenen Sohn Kurt Felix und die Tochter Lieselotte, die am 27. September 1916 ebenfalls in Hamburg geboren wurde. Nach einer Warnung seiner Mutter und der Mutter seiner Freundin floh Kurt Felix 1937 ohne Visum, aber von seinem Onkel Hugo Markus mit einer Fahrkarte nach England ausgestattet, aus Deutschland. Er blieb zunächst in den Niederlanden und floh 1937 über Belgien nach Paris, von wo er mit Hilfe der amerikanischen jüdischen Hilfsorganisation Joint (American Jewish Joint Distribution Committee) über Marseille mit dem Schiff nach Schanghai reiste. Von dort gelangte er nach drei Monaten mit einem Besuchsvisum nach Japan, wo er als Manager des Kobe Jewish Social Klubs arbeitete.

Nach Kriegsende war er für die US-Armee tätig und ging 1948 in die USA. Dort heiratete er 1949 Esther Langsam. Heute lebt Kurt Felix Marcus in Israel. Auch die Schwester Lieselotte überlebte die NS-Herrschaft, weil sie rechtzeitig mit einem Kindertransport nach England geschickt wurde. Dort heiratete sie später und bekam fünf Kinder. 1968 ist sie gestorben.

Siegfried Marcus wurde am 25. Oktober 1941 gemeinsam mit seinen Schwägerinnen Martha Markus und Emma Hinrichs, geb. Markus, aus der Isestraße 86 (siehe dort) nach Lodz deportiert. Ums Leben gekommen ist er später wahrscheinlich in Chelmno, wohin er vermutlich am 15. Mai 1942 weiterdeportiert worden war.

Martha Markus war eine jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau und wurde am 19. Dezember 1884 in Lüneburg ge­boren. Sie blieb unverheiratet und arbeitete als Kontoristin in der Rathausstraße 4 bzw. als Chefsekretärin im Büro ihrer Brü­der Max und Hugo Markus im Klopstockhaus in der Poststraße 36. Zusammen mit diesen und der Mutter hatte sie bis zu deren Tod 1936 in der Kielortallee 16 gewohnt, wo sie nach der Wählerliste der Jüdischen Gemeinde auch schon 1930 lebte.

Max und Hugo Markus emigrierten 1940 in die USA, wodurch Martha Markus wahrscheinlich ihre Stelle als Chefsekretärin verlor. Im Mai 1940 zog sie dann in die Eppendorfer Landstraße 46 zu ihrer Schwester und ihrem Schwager, Friederike und Siegfried Marcus. Ob ihr die Wohnung in der Kielortallee zwangsweise genommen wurde oder ob wirtschaftliche Gründe sie zum Umzug zwangen, ist offen. Kultussteuerbeiträge hat sie jedenfalls aus Mangel an Einkommen in den Jahren 1938 bis 1941 nicht entrichtet.

Am 25. Oktober 1941 wurde sie gemeinsam mit ihrer Schwester Emma Hinrichs und ihrem Schwager Siegfried Marcus nach Lodz deportiert; ermordet wurde sie später in Chelmno, wohin sie am 10. Mai 1942 weiterdeportiert wurde. Das gleiche Schicksal erlitten auch Emma Hinrichs und Siegfried Marcus.

Eine von Martha Markus, Emma Hinrichs und Siegfried Marcus noch am Tage der Deportation aus der Sammelstelle im Logenhaus an der Moorweide an die Schwestern Gertrud Simon und Auguste Brassart geschriebene Postkarte verdeutlicht, dass sich die unmittelbar vor der Deportation Stehenden nicht darüber im Klaren waren, was auf sie zukommen würde. Sie baten z. B. darum, für Emma einen braunen Hut aufzubewahren und sorgten sich, dass sie Betten und größere Koffer hätten mitnehmen sollen. In der Folgezeit half Gertrud Simon den Angehörigen in Lodz mit Geldüberweisungen und nutzte dabei die Einlieferungsscheine der Post für kurze Mitteilungen und aufmunternde Unterstützung. Die wohl letzte und dank funktionierender NS-Bürokratie zurückgekommene Postanweisung stammt vom 1. Juni 1942, als alle drei bereits ins Vernichtungslager Chelmno weiterdeportiert und wahrscheinlich schon ermordet worden waren.

Die in Mischehen verheirateten Schwestern Gertrud Simon, geb. Markus und Auguste Brassart, geb. Markus, blieben zunächst von einer Deportation verschont. Als auch die Mischehen kurz vor Kriegsende in die Deportationen einbezogen wurden und sie einen Befehl für den 14. Februar 1945 nach Theresienstadt erhielten, konnten sie sich bis zum Kriegsende im Mai 1945 verstecken. Die älteste Schwester Christine wurde dagegen 1944 nach dem Tod ihres nichtjüdischen Ehemanns nach Theresienstadt deportiert, überlebte und kehrte krank nach Lüneburg zurück.

Es gibt keine Hinweise, dass Siegfried, Friederike oder Martha Markus eine Emigration ge­plant oder gar vorbereitet hatten, obwohl zwei Schwestern und zwei Brüder von Friederike und Martha Deutschland wegen der NS-Herrschaft verließen. Die Schwester Grete wanderte nach Schweden aus, die Schwester Margot Hammerschlag, geb. Markus, folgte Ende 1939 mit ihrer Tochter Steffi (später verheiratete Wittenberg) ihrem Ehemann und ihrem Sohn, die bereits ein Jahr zuvor das Land verlassen hatten, nach Uruguay. Noch 1940 flohen die Brüder Max und Hugo Markus in die USA. Martha, die bei ihren Brüdern gearbeitet und mit ihnen zusammen gewohnt hatte, blieb in Hamburg. Während die in Mischehen lebenden Schwestern Gertrud, Auguste und Christine sich wahrscheinlich durch ihre nichtjüdischen Ehe­män­ner ausreichend geschützt wähnten, wissen wir nichts über die Bleibemotive von Martha, Siegfried und Friederike Marcus, deren Kinder das Land immerhin rechtzeitig verlassen hatten.

© Birgit Burgänger

Quellen: 1; 4; 5; AB 1933; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Band 1; StaH 390 Wählerliste 1930; Apel, (Hrsg.), In den Tod geschickt, 2008, S. 92f; Archiwum Panstwowe, Lodz; E-Mail Kurt Marcus an Steffi Wittenberg v. Dez. 2006/Jan. 2007; schriftl. Äußerung Steffi Wittenberg v. 8.1.2007 u. v. 29.6.2010; E-Mail Kurt Marcus an Steffi Wittenberg v. 7.3.2010; Gespräch mit Steffi Wittenberg am 12.7.2010; Fladhammer/Grünwaldt, Stolpersteine, 2010, S. 56; Postkarte u. Posteinlieferungsabschnitt aus dem Privatbesitz der Familie.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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