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Eugen Gowa als junger Mann (o. J.)
Eugen Gowa als junger Mann (o. J.)
© Yad Vashem

Eugen Gowa * 1904

Glockengießerwall / Ferdinandstraße (vormals Glockengießerwall 23) (Hamburg-Mitte, Hamburg-Altstadt)


HIER WOHNTE
EUGEN GOWA
JG. 1904
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Weitere Stolpersteine in Glockengießerwall / Ferdinandstraße (vormals Glockengießerwall 23):
Julia Schwarzwald

Eugen Gowa, geb. am 28.7.1904 in Hamburg, inhaftiert 1938, deportiert am 14.1.1943 nach Auschwitz

Glockengießerwall 22/Ecke Ferdinandstraße (Glockengießerwall 23)

Eugen Gowa stammte aus einer in Hamburg alteingesessenen jüdischen Familie, die seit Generationen als Kaufleute im Papierhandel tätig war. Sein Vater Siegmund Simon Gowa war Mitinhaber der Firma "E. Michaelis & Co." in der Admiralitätstraße 74, eine der ältesten Hamburger Papiergroßhandlungen. Die Firma war im Jahre 1804, genau 100 Jahre vor Eugens Geburt, von Eduard Michaelis (geb.1771, gest.1847), einem Freund Heinrich Heines, als kleines Papiergeschäft in der 1. Elbstraße 38 (heute Neanderstraße) gegründet worden. Henry Joseph Gowa (geb.17.7.1801), der Urgroßvater von Eugen Gowa, war 1834 Teilhaber der Firma geworden, nachdem er bereits als Angestellter für Eduard Michaelis tätig gewesen war. Henry Gowa wohnte mit seiner Familie noch in Straßen wie Neustädter Fuhlentwiete 27, Groß Neumarkt 40 (heute Großneumarkt), 1. Elbstraße 36 (heute Neanderstraße) und Alter Steinweg 42 (über dem Ladengeschäft von "E. Michaelis & Co"), die in der traditionellen jüdischen Wohngegend lagen. Nach der bürgerlichen Gleichstellung der Juden und ihrer damit verbundenen freien Wohnortswahl hatten sie die Neustadt verlassen und waren 1866 in die Vorstadt St.Pauli in die Eimsbüttlerstraße 43a gezogen. Henry Gowa gehörte der Jüdischen Gemeinde an und amtierte 1859 als Vorstandsmitglied bei der Einweihung der neuen Hauptsynagoge in der Straße Kohlhöfen. Als er am 6. Juli 1880 verstarb, wurde er noch auf dem alten Begräbnisplatz auf dem Jüdischen Grindelfriedhof bestattet, seine Frau Adelheid, geb. Bauer, wurde am 4. Januar 1896 neben ihm beigesetzt.

Eugens Vater Siegmund Simon Gowa, war der Sohn von Ferdinand Philipp Gowa und Rosa, geb. Lilienfeld. Er war am 16. Februar 1871 in der Annenstraße 5 zur Welt gekommen. 1872 waren Ferdinand und Rosa Gowa in die Wilhelminenstraße 42 gezogen. Im selben Jahr hatte Henry Gowa seinen Sohn Ferdinand in die Firma aufgenommen. Wirtschaftlicher Erfolg ermöglichte Ferdinand Gowa 1884 den Umzug in die Innenstadt, Colonnaden 13. Von 1888 bis 1892 lebten sie im Grindelviertel in der Grindelallee 43, dann lautete ihre Adresse bis 1896 Admiralitätstraße 74.

Eugens Eltern Siegmund Simon Gowa und Therese Polack hatten am 10. September 1899 geheiratet. Therese Polack war am 3. August 1878 als Tochter des Kaufmanns Hermann Polack und Fanny, geb. Rothgiesser, in Hamburg geboren worden. Siegmund und Therese Gowa bekamen fünf Kinder. Die älteren Söhne Ferdinand und Hermann, nach ihren Großvätern benannt, sowie Eugen und die jüngeren Töchter Ilse Johanna und Hilda wurden zwischen 1900 und 1909 geboren. Siegmund Simon Gowa erwarb 1905 die Stadtvilla in der Sophienterrasse 4, wo die Familie bereits wohnte. Als Mitinhaber der Firma "E. Michaelis & Co" verzeichnete das Adressbuch ihn seit 1908. Nach dem Ersten Weltkrieg bezog die Familie eine eigene Villa in der "Villenanlage Hochkamp" in der Kaiser-Wilhelm-Straße 6 in Blankenese-Dockenhude.

Eugen besuchte die private Knaben-Vorschule Thedsen, Jungfrauental 13, und später das renommierte Wilhelm-Gymnasium bis zur Obersekunda-Reife. Zunächst absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung im Papierhandel und studierte mehrere Semester an der Technischen Hochschule in Darmstadt das "Papieringenieurwesen". Nach Beendigung seines Studiums kehrte er in seine Heimatstadt zurück.

1931, im Alter von 29 Jahren, machte sich Eugen Gowa mit einem Papierhandel selbstständig. Sein erstes Geschäft lag in der Ferdinandstraße 29. Eugen Gowa besaß ungewöhnliche Warenkenntnisse, wie sich sein ehemaliger Buchhalter Hermann Rodecke später erinnerte. Die durch den Aufruf zum "Judenboykott" erlittenen finanziellen Verluste konnte er ausgleichen, indem er sich nach 1933 auf besonders feine Papiersorten, z.B. auf handgeschöpfte Bütten und echte Japan-Papiere spezialisierte. Unter seinen Kunden befanden sich nicht nur Buchdrucker und Buchbindereien, sondern auch weiterhin amtliche Betriebe. 1934 trat Eugen Gowa aus der Jüdischen Gemeinde in Hamburg aus. Noch im April 1937 eröffnete er eine Zweitniederlassung in Berlin in der Lützowstraße 96. Das Hauptgeschäft blieb in Hamburg am Glockengießerwall 23, wo er auch seit April 1935 nach einem Umzug aus dem Heidberg 62 in Hamburg-Winterhude wohnte. Seine Freizeit, die Wochenenden, verbrachte er in seinem Heidehaus in Seppensen bei Buchholz.

Im Frühjahr 1938 wurde Eugen Gowa wegen angeblicher "Rassenschande" verhaftet, eine häufig vorgebrachte Anschuldigung, um jüdische Unternehmer aus dem Geschäftsleben zu verdrängen. Ihm wurden außereheliche Beziehungen zu "Arierinnen" vorgeworfen, u.a. zu einer Freundin aus Kindertagen, die er 1932, also lange vor Erlass der Nürnberger Gesetze zufällig auf der Straße wiedergetroffen hatte. Nachdem das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" vom 15. September 1935 ihre Beziehung unter Strafe stellte, trennten sie sich, um sich nicht zu gefährden.

Am 26. September 1938 verurteilte die Große Strafkammer des Landgerichts in Hamburg Eugen Gowa zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe, die er in Bremen-Oslebshausen verbüßte. Seine Geschäfte in Berlin und Hamburg wurden im Juli und September 1938 liquidiert, sein Heidehaus war bereits am 15. Mai von der Gestapo beschlagnahmt worden. Noch vor Ablauf seiner Haftzeit wurde Eugen Gowa am 14. Januar 1943 im Zuge der Deportationen von jüdischen Häftlingen nach Auschwitz überstellt und dort ermordet.

Eugens Mutter Therese Gowa wurde im Hamburger Adressbuch von 1932 als Witwe in der Ebertallee 37 verzeichnet. Offenbar verließ sie dann mit ihrer Tochter Hilda (geb.14.3.1909) Hamburg. Ihr Enkelkind René wurde am 4. Juli 1933 im südfranzösischen Cannes geboren. 1937 sollen sie in Florenz gelebt haben. Nach der Volkszählung im Mai 1939 wohnten sie in Konstanz in der Wilhelmstraße 8. Im September 1939 kehrte sie aus unbekannten Gründen nach Hamburg zurück. Therese Gowa, die bereits 1932 aus der Jüdischen Gemeinde ausgetreten war, wurde nun zwangsweise als Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes geführt. Auf ihrer neu angelegten Kultussteuerkarte war, wie auch bei ihrer Tochter Hilda, vermerkt: "Zuzug aus Konstanz" und "glaubenslos". In Konstanz lebten 1939 nur noch 194 jüdische Einwohnerinnen und Einwohner, vielleicht hofften die Gowas in der Großstadt Hamburg unauffälliger leben zu können.

Therese Gowa, ihre Tochter Hilda, mit der Berufsbezeichnung "Schneiderin" und Enkelkind René wurden am 25. Oktober 1941 aus der Eppendorfer Landstraße 36, wo sie zur Untermiete wohnten, ins Getto "Litzmannstadt" nach Lodz deportiert. Unterkunft erhielten sie in der Sulzfelder Straße 5. Therese Gowa starb am 18. Februar 1942 im "Getto-Hospital" an einem Magendurchbruch. Hilda Gowa erhielt Anfang Mai 1942 ihre "Ausreiseaufforderung". Sie bat in einem Brief an die jüdische Selbstverwaltung des Gettos "Amt für Aussiedlung" um eine Rücknahme des Ausreisebefehls, da sie katholisch sei. Ihr Gesuch wurde abgelehnt. Hilda und René Gowa wurden mit dem 6. Transport am 9. Mai 1942 zusammen mit weiteren 260 "nicht-arischen Christen" nach Chelmno/Kulmhof deportiert und wie alle anderen nach ihrer Ankunft in den mobilen Gaswagen ermordet.

Ihr ältester Bruder Ferdinand Hermann Gowa (geb. 24.6.1900) hatte in Frankfurt a. M., München, Freiburg, in Köln und Hamburg Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte und Rechts- und Staatswissenschaften studiert.

Am 5. Oktober 1926 hatte er die Münchner Künstlerin und Bühnenbildnerin Anna/Anny Wildberg (geb. 28.10.1905) geheiratet.

Er bestand sein erstes juristisches Examen am 5. Dezember 1929 und legte die zweite Prüfung am 10. Mai 1933 ab. Seine juristische Doktorwürde erwarb er am 31. Juli 1933 an der Universität Hamburg.

Anfang 1934 gründete er mit anderen die "Jüdische Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft", später umbenannt in "Jüdischer Kulturbund Hamburg e.V.", wo sich auch seine Ehefrau Anna als Bühnenbildnerin betätigte. Das Ehepaar wohnte mit den Kindern Peter (geb.1927) und Ruth (geb.1931) in der Graf-Spee-Straße 3 in Hamburg-Nienstedten.

1937 wurde Ferdinand Gowa Geschäftsführer des "Jüdischen Gemeinschaftshaus GmbH" in der Hartungstraße.

Im November 1938 wurde er von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald verbracht. Er wurde unter Druck gesetzt, die Selbstständigkeit des Kulturbunds aufzugeben. Nach seiner Entlassung emigrierte er am 21. Juli 1939 nach Schweden und von dort, im Februar 1940, weiter in die USA. Ferdinand Gowa starb 1972 in Nashville/Tennessee.

Sein jüngerer Bruder Hermann Gowa (geb. 25.5.1902), der sich später Henry nannte, hatte bereits als Gymnasiast eine Theatergruppe gegründet und begann nach seinem Studium der Philosophie, Literatur, Theater- und Kunstgeschichte in München ein Kunststudium an der Heinrich Knirr-Schule. 1924 konnte er sich als jüngster Bühnenbildner profilieren, später als Technischer Direktor und Mitarbeiter am Staatstheater München, am Frankfurter Schauspielhaus, Altes Theater Leipzig sowie in Berlin und Schwerin. 1929 heiratete er in Frankfurt a.M. Sabine Spiero; die Ehe wurde 1936 geschieden. Zuletzt war Hermann Gowa am Stadttheater Schneidemühl in Posen tätig. Am 31. März 1933 emigrierte er über Berlin und die Schweiz nach Frankreich. 1934 erfolgte ein Umzug von Paris nach Nizza. 1939 bei Kriegsbeginn wurde er dort zunächst als deutscher Emigrant interniert. Nach seiner Entlassung im Juli 1940 kehrte er nach Nizza zurück und nahm Kontakt zur Résistance auf. Im September 1940 heiratete er die französische Malerin Annie Roussel, aus dieser Ehe stammten die Kinder Patrick, Chantal und Anne Sabine. Nach dem Vormarsch deutscher Truppen in die unbesetzten Gebiete der Freien Zone flüchtete er 1943 in das kleine Bergdorf Le Broc, wo er durch den Schutz des dortigen Bürgermeisters das Kriegsende erlebte. Von 1954 bis 1964 war er als Direktor der Werkschule (heute Hochschule für Gestaltung) in Offenbach tätig. Henry Gowa, Träger des Bundesverdienstkreuzes, starb am 23. Mai 1990 im München. Sein Nachlass, der über 1200 eigene künstlerische Werke umfasst, befindet sich heute im Jüdischen Museum in Frankfurt.

Zu welchem Zeitpunkt seine Schwester Ilse, verheiratete Brignone (geb.19.8.1907), nach Frankreich emigrierte, ließ sich nicht ermitteln. 1994 hinterlegte dessen Tochter Therese Brignone Gedenkblätter in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel für ihre Familie.


Stand: September 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 2; 4; 5; 8; 9; StaH 213-1 OLG Abl. 8, 143 E, L 4a; StaH 351-11 AfW 29152 (Gowa, Eugen); StaH 351-11 AfW 34722 (Gowa, Hilda); StaH 351-11 AfW 3670 (Gowa, Therese); StaH 351-11 AfW 26186 (Gowa, Hermann Henry); StaH 351-11 AfW 23953 (Gowa, Ferdinand Hermann); StaH 314-15 OFP, R 1938/3292; StaH 314-15 OFP, F 789; StaH 332-5 Standesämter 1955 u 86/1880; StaH 332-5 Standesämter 395 u 30/1896; StaH 332-5 Standesämter 8596 u 438/1899; StaH 332-5 Standesämter 13500 u 613/1901; StaH 332-5 Standesämter 14186 u 1986/1904; StaH 332-5 Standesämter 7982 u 340/1905; StaH 232-3 Testament Henry Gowa H 7301; StaH 241-2 Justizverwaltung Personalakte A 1310; StaH 731-8, A902 Michaelis & Co.; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden 161 Hochdeutsche Israelitische Gemeinde in Altona, Mitgliederliste 1924–1926; StaH 522-1 Jüdische Gemeinde Nr. 992 e 2 Band 1; USHMM, RG 15.083, 299/752, Fritz Neubauer, Universität Bielefeld; Lodz Hospital, Der Hamburger Gesellschaft für Genealogie zur Verfügung gestellt von Peter W. Landé, 2009, USHMM, Washington, bearbeitet von Margot Löhr; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Eugen Gowa (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Therese Gowa (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer René Gowa (Gedenkblatt); Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Hilda Gowa (Gedenkblatt); Das Buch der alten Firmen der Freien und Hansestadt Hamburg, S. 22 IV; Bruhns: Kunst, Band 2, S. 161; Ritter (Hrsg.): Künstler, S. 195; Gossler: Papierverkäufer, S. 31; Morisse: Ausgrenzung, Bd. 2: Juristen, S. 119; Riedel: über Henry Gowa, www.exilarchiv.de (Zugriff 5.3.2015); http://www.alemannia-judaica.de/konstanz_synagoge_a.htm (Zugriff 26.7.2015); http://www.32postkarten.com/postkarten_D/8/postkarte8_D.html (Zugriff 26.7.2015); diverse Hamburger Adressbücher.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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