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Kleinkind Peter Harms
Peter Harms
© Archiv Evangelische Stiftung Alsterdorf

Peter Harms * 1941

Eißendorfer Pferdeweg 12 (Harburg, Heimfeld)


HIER WOHNTE
PETER HARMS
JG. 1941
EINGEWIESEN 1942
ALSTERDORFER ANSTALTEN
´VERLEGT‘ 7.8.1943
´HEILANSTALT`
KALMENHOF/IDSTEIN
´KINDERFACHABTEILUNG`
ERMORDET 8.9.1943

Weitere Stolpersteine in Eißendorfer Pferdeweg 12:
Uwe Anton Hinsch, Ewald Kuhlmann, Alfred Rahnert, Walter Carl Stein, Herbert Thörl

Peter Harms, geb. am 24.6.1941 in Hamburg, eingewiesen in die Alsterdorfer Anstalten am 24.11.1942, verlegt in die "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" bei Idstein am 7.8.1943, ermordet am 8.9.1943

Eißendorfer Pferdeweg 12

Peter Harms wurde am 24. Juni 1941 in der Frauenklinik Finkenau in Hamburg-Eilbek geboren. Seine Mutter Käthe Harms war 19 Jahre alt, als sie den Jungen zur Welt brachte, und von Beruf Packerin. Mit dem fast doppelt so alten Vater ihres Sohnes, dem Arbeiter John Ehlers, war sie nicht verheiratet. Da dieser seine Vaterschaft bestritt, strengte Käthe Harms eine Alimentenklage gegen ihn an.

Unmittelbar nach der Geburt zogen Mutter und Sohn zunächst zu Peter Harms´ Großeltern mütterlicherseits. Sie wohnten in der Großen Gärtnerstraße 7. Hier konnten die beiden Mitbewohner aber aus nicht weiter bekannten Gründen nur vorübergehend bleiben. Da Käthe Harms als alleinerziehende Mutter bei der Suche nach einer passenden Wohnung offenbar keinen Erfolg hatte, musste sie ihren nicht einmal drei Monate alten Sohn im August 1941 einem Kleinkinderheim anvertrauen.

Käthe Harms fand in der Schanzenstraße 10 in Hamburg-Altona eine neue Bleibe. Warum ihr kleiner Sohn nach einigen Wochen dem Harburger Kinderheim am Eißendorfer Pferdeweg übergeben wurde, ist nicht bekannt. Als er hier im November 1941 vorübergehend erkrankte, verbrachte er zusätzlich auch noch einige Tage im Harburger Krankenhaus, das sich damals Am Irrgarten zwischen Eißendorfer Straße und Denickestraße befand. Doch auch sein Aufenthalt in Harburg war nur von kurzer Dauer. Von hier aus führte sein Weg wieder zurück über die Elbe ins Kleinkinderhaus Winterhuder Weg im Stadtteil Hamburg-Uhlenhorst. Der ständige Ortswechsel schien für den kleinen Jungen ein glückliches Ende gefunden zu haben, als er zu den Eheleuten Westphal zog, die ihn als Pflegekind aufnahmen. Doch die Pflegeeltern brachten den Jungen am 11. Juli 1942 ins Kleinkinderhaus Winterhuder Weg zurück, weil er nach Auskunft eines Arztes, den sie befragt hatten, "rachitisch und weit zurückgeblieben" war.

Dieser Diagnose schloss sich die Leitung dieses Hauses nach der Rückkehr des kleinen Jungen an. Knapp ein Jahr nach seiner Geburt wurde er als ein "körperlich wie geistig nicht altersgemäß entwickeltes Kind" beurteilt, das "in seiner geistigen Entwicklung wie auch konstitutionell etwa einem halbjährigen Kinde" glich. Die Erzieherinnen stellten fest, dass der Junge mit einem Jahr "noch nicht sitzen" konnte und immer "nur flüssige Nahrung" zu sich nahm. Er konnte sich angeblich kaum beschäftigen und verbrachte den größten Teil des Tages "still in seinem Bettchen". Spielsachen, die ihm gereicht wurden, warf er nach einiger Zeit wieder weg.

Am 25. August 1942 untersuchten die Amtsärzte Dr. Hülsemann und Dr. Gräfe das kleine Kind im Auftrag der Hamburger Jugendbehörde und stellten dabei fest, dass der Junge "auf Licht" reagierte, "aber anscheinend nicht auf Geräusche". Darüber hinaus erschien er ihnen "als still, stumpf und uninteressiert." Insgesamt hielten sie ihn für "geistig erheblich rückständig." Erbbiologisch wurde er von den beiden Ärzten der Wertigkeitsgruppe 4 der Hamburger Jugendbehörde zugeordnet, die für Menschen gedacht war, die als "geistig" und "charakterlich unterwertig" galten. Abschließend empfahlen die beiden Ärzte die Aufnahme des 15 Monate alten Kindes "in eine Anstalt für Geisteskranke, Geistesschwache und Epileptiker" auf Kosten der Hamburger Sozialverwaltung.

Am 16. November 1942 wurde Peter Harms im Alter von nicht einmal eineinhalb Jahren in die damaligen Alsterdorfer Anstalten aufgenommen. In seinem ärztlichen Gutachten nach der Eingangsuntersuchung nannte Dr. Schäfer Schwachsinn als Grund für die Einweisung des kleinen Patienten in diese Einrichtung.

Hier geschah in den folgenden Monaten offenbar nicht viel, um eine positive Entwicklung des kleinen Kindes zu fördern, wie die spärlichen Eintragungen der Ärzte und Betreuerinnen in seine Patientenakte vermuten lassen.

Neun Monate später musste der kleine Patient erneut Abschied nehmen. Am 7. August 1943 gehörte Peter Harms zu den 52 "unbrauchbaren" Jungen der damaligen Alsterdorfer Anstalten, die von Hamburg in die Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof im Taunus verlegt wurden. Einen Monat nach seiner Ankunft in Hessen war er tot.

Knapp drei Jahre später erfuhren die Hamburger Behörden auf Nachfrage, dass Peter Harms am 8. September 1943 in der Heilerziehungsanstalt Kalmenhof in Idstein im Taunus an "Imbezillität, chronischem Magen-Darmkatarrh, Kollapszuständen und Kreislaufschwäche" verstorben war. Wie bei vielen anderen, die hier in der NS-Zeit umkamen, dürfte auch bei ihm die Angabe über die wahre Ursache für seinen Tod anders lauten.

Peter Harms´ kurzes Leben endete bald nach seinem zweiten Geburtstag. Er musste sterben, weil diejenigen, die ihn töteten, ihn für "lebensunwert" erachteten. Maßstab aller Dinge war für sie einzig und allein die produktive Arbeitskraft eines Menschen. Irregeleitet von dem Wahn der Schaffung einer heilen Welt ohne Kranke, begaben sie sich an ihr menschenverachtendes Werk, die Vernichtung allen ungesunden Lebens. Statt ihre kranken Patientinnen und Patienten zu heilen, verstießen viele Ärzte in der NS-Zeit gegen dieses Gebot, indem sie die Schwachen und Hilflosen wissentlich töteten.

Seit dem 29. April 1984 erinnert ein Mahnmal auf dem Gelände der Evangelischen Stiftung Alsterdorf an das Schicksal der Kranken, die von hieraus in den Jahren 1938–1945 in den Tod geschickt wurden. Ihre Namen sind in dem Gedenkbuch verzeichnet, das im Eingangsbereich der Alsterdorfer St. Nicolauskirche ausliegt. Hier ist auch Peter Harms´ Name auf einer Seite verewigt.

Stand Dezember 2014

© Jana Schlemm/Klaus Möller

Quellen: Gedenkbuch der Evangelischen Stiftung Alsterdorf; Peter Harms´ Patientenakte, Archiv der Evangelischen Stiftung Alsterdorf (V054); Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Hamburg 1987; Ruth Baumann, Charlotte Köttgen, Inge Grolle, Dieter Kretzer, Arbeitsfähig oder unbrauchbar. Die Geschichte der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Beispiel Hamburgs, Frankfurt a. M. 1994

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