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Adolf Hornung * 1932
Telemannstraße 52 (Eimsbüttel, Eimsbüttel)
HIER WOHNTE
ADOLF HORNUNG
JG. 1932
EINGEWIESEN 1940
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 10.8.1943
HEILANSTALT MAINKOFEN
ERMORDET 20.11.1943
Adolf Hermann Martin Hornung, geb. 3.10.1932 in Hamburg, aufgenommen in den Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 25.9.1940, "verlegt" in die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen am 10.8.1943, dort gestorben am 20.11.1943
Telemannstraße 52 (Eimsbüttel)
Adolf Hermann Martin Hornung war der Sohn des am 26. November 1908 geborenen Schmieds Adolf Carl Heinrich Hornung und Emma Helene Luise, geborene Dressel, geboren am 7. Mai 1907. Beide Eltern waren in Hamburg zur Welt gekommen.
Der Vater von Adolf Hornung hatte die Volksschule besucht und war aus der 1. Klasse entlassen worden. (Die 1. Klasse war damals die höchste Klassenstufe) Er arbeitete auf der Werft von Blohm & Voss und soll dem Alkohol stark zugesprochen haben. Adolfs Mutter wurde aus der 2. Klasse der Volksschule entlassen. Ihre geistigen Fähigkeiten wurden als sehr begrenzt beschrieben.
Ein jüngerer Bruder von Adolf war nach den Angaben der Mutter im Alter von zwei Jahren an Keuchhusten und Lungenentzündung gestorben.
Adolf Hornung war vorgeburtlich geschädigt, lt. Alsterdorfer Patientenakte durch eine übertragbare Krankheit der Mutter und eine belastende Lebensweise des Vaters. Er wurde am 1. Juli 1940 stationär in der Orthopädischen Klinik "Alten Eichen" – Heil- und Bildungsanstalt in Stellingen, Wördemannsweg 19-29, aufgenommen. (Stellingen war damals ein Teil der selbstständigen preußischen Stadt Altona, die am 1. April 1938 nach Hamburg eingemeindet wurde.)
Grund für die Aufnahme in "Alten Eichen" war eine "spastische Gangstörung", die auf eine von der Mutter ererbte Krankheit zurückgeführt wurde. Adolfs körperliche Einschränkungen und seine - vereinfacht formuliert - partiellen Lähmungsanfälle (genauer: Jacksonsche Anfälle) waren bis 1938 zeitweise in der Universitätsklinik Eppendorf behandelt worden. Adolf konnte 1940 noch nicht gehen, war von der Mutter immer getragen worden und hatte keine Schulbildung erhalten. Nach operativen Eingriffen an den Kniegelenken konnte er mit Stützverbänden sowie nach Steh- und Gehübungen mit Hilfe eines Gehbocks eigenständig gehen. Die Fortschritte wurden als sehr gut bezeichnet. Am 25. September 1940 wurde die Behandlung in "Alten Eichen" abgeschlossen.
Die Klinik "Alten Eichen" empfahl, Adolf Hornung wegen "hochgradigen Schwachsinns" und zerebraler Kinderlähmung in den Alsterdorfer Anstalten aufzunehmen. Der Junge sei "geistig völlig zurück", eine Einschulung komme nicht in Betracht. Für eine Rückkehr in die elterliche Wohnung seien die häuslichen Verhältnisse völlig ungeeignet. Die Mutter sei nicht fähig, dem Jungen die nötige Betreuung und Pflege zukommen zu lassen. Es bestünde die Gefahr, dass der Junge das Gehen wieder verlerne.
(Der heute nicht mehr verwendete Begriff "Schwachsinn" bezeichnete eine Intelligenzminderung bzw. angeborene Intelligenzschwäche. Zerebrale Kinderlähmung ist ein Sammelbegriff für chronische Bewegungsstörungen der Extremitäten. Ursache kann eine Gehirnschädigung sein, die entweder angeboren ist oder im frühen Kindesalter - bis 5 Jahre - erfolgt.)
Adolf Hornung wurde am 25. September 1940 zunächst in die Psychiatrische und Nervenklinik der Hansischen Universität nördlich des Eilbektals und anschließend sogleich durch die Sozialverwaltung Hamburg in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) überwiesen. Bei seiner Aufnahme in den Alsterdorfer Anstalten soll er sehr ängstlich gewesen sein und nur auf sehr einfache Fragen habe antworten können. Im Juni 1941 scheinen die in der Klinik "Alten Eichen" erarbeiteten Fähigkeiten wieder verloren gewesen zu sein. In seiner Krankenakte wurde notiert, Adolf Hornung sei vollständig auf Hilfe anderer angewiesen. Seine Beine seien völlig gelähmt, er könne sich auch nicht mehr mit Unterstützung des Gehbocks bewegen und müsse ständig unter Aufsicht sein. Durch plötzliche Zuckungen im Körper falle er oft vom Stuhl oder schlage mit dem Gesicht so auf den Tisch, dass ihm häufig Nase und Zähne bluteten. Auch seine Hände seien ziemlich gelähmt, doch wolle er allein essen.
Erst 1943, unter dem Datum 22. April, findet sich in Adolf Hornungs Krankenakte wieder ein Bericht über den Jungen. Seine Beine seien fast immer blau-rot, weil sie unbeweglich hängen würden, während er im Korbstuhl sitze. Er spreche unverständlich, könne zwar alleine essen, erbreche aber meistens danach. Er leide zeitweise an schnell vorübergehenden Schwindelanfällen, bei denen der Kopf nach vorn schlage und der Körper in sich zusammensinke.
Am 11. August 1943 wurde abschließende vermerkt: "Wegen schwerer Beschädigung der Anstalten, durch Fliegerangriff verlegt nach Mainkofen. gez. Dr. Kreyenberg".
Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 ("Operation Gomorrha") erlitten auch die Alsterdorfer Anstalten Bombenschäden. Die Anstaltsleitung unter SA-Mitglied Pastor Lensch nutzte die Gelegenheit, nach Rücksprache mit der Gesundheitsbehörde einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner, die als "arbeitsschwach, pflegeaufwendig oder als besonders schwierig" galten, in andere Heil- und Pflegeanstalten zu verlegen.
Mit vier Transporten zwischen dem 7. und dem 16. August 1943 wurden insgesamt 468 Mädchen und Frauen, Jungen und Männer in die "Landesheilanstalt Eichberg" in der Nähe von Wiesbaden, in die "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" bei Idstein im Rheingau, in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Passau sowie nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" (bekannt auch als "Am Steinhof") verlegt.
Adolf Hornung gehörte zu den 112 männlichen Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern, die am 10. bzw. 11. August 1943 in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" bei Passau in Niederbayern gebracht wurden. Dort wurde während seines Aufenthalts nur ein kurzer Vermerk in seine Patientenakte eingetragen: "17.11.43 Pat.[ient] war an Durchfall und […] erkrankt, ist körperlich stark verfallen. Schreit oft gellend auch bei Nacht. Keine sonstige Reaktion."
Telegraphisch wurde Luise Hornung am 19. November 1943 benachrichtigt, dass ihr Sohn Adolf lebensgefährlich erkrankt sei. Einen Tag später am 20. November 1943 folgte der Sterbeeintrag: "Exitus letalis 20 h, Schwachsinn mit spastischer Diplegie […], Magen- und Darmkatarrh."
(Bei einer Diplegie handelt es sich um eine doppelseitige Lähmung des unteren oder des oberen Körperabschnitts.)
Adolf Hornung wurde am 23. November 1943 in Anwesenheit seiner Mutter in Mainkofen beigesetzt.
Die Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen, in der vornationalsozialistischen Zeit ein psychiatrisches Krankenhaus, wurde systematisch zu einer Sterbeanstalt entwickelt. Von dort wurden während der ersten Phase der "Euthanasie"-Morde bis August 1941 Menschen in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim in der Nähe von Linz verschleppt und mit Gas ermordet. 604 von ihnen sind namentlich bekannt. Nach August 1941 wurde der Tod der Patientinnen und Patienten in Mainkofen selbst vorsätzlich herbeigeführt, und zwar durch Nahrungsentzug im Rahmen des "Bayrischen Hungererlasses" (Hungerkost, fleisch- und fettlose Ernährung, in Mainkofen als "3-b Kost" bezeichnet), durch pflegerische Vernachlässigung oder durch überdosierte Medikamentengaben. In Mainkofen starben 762 Patientinnen und Patienten in den sogenannten Hungerhäusern. Als Todesursache wurde insbesondere Darmkatarrh, Tuberkulose, Lungenentzündung bzw. Lungentuberkulose angegeben. Es muss davon ausgegangen werden, dass Adolf Hornung keines natürlichen Todes starb.
Stand: Mai 2023
© Ingo Wille
Quellen: Evangelische Stiftung Alsterdorf, Archiv, Akte V 401 (Adolf Hornung); Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr. Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, 3. Aufl., Stuttgart 2016, S. 283 ff, insbesondere S. 315 ff.