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Ewald Marcus * 1934

Königstraße rechts neben Nr. 32 (Altona, Altona-Altstadt)


HIER WOHNTE
EWALD MARCUS
JG. 1934
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Weitere Stolpersteine in Königstraße rechts neben Nr. 32:
Julius Marcus

Ewald Marcus, geb. am 5.4.1934, deportiert nach Theresienstadt am 23.6.1943, deportiert nach Auschwitz am 23.10.1944, ermordet
Julius August Marcus, geb. am 17.6.1901, inhaftiert ab 27.4.1937, gestorben im KZ Dachau am 17.10.1940

Königstraße, rechts neben Nr. 32

Am 25. Juni 1943 verzeichneten die Ankunftslisten unter der Nummer 82 einen neunjährigen jüdischen Jungen aus Altona, der allein, ohne Familienangehörige, mit dem Transport ins Getto Theresienstadt kam: Ewald Marcus. Sein Adoptivvater Julius Marcus war schon drei Jahre zuvor im KZ Dachau gestorben, seine nichtjüdische Adoptivmutter hatte den Jungen nicht länger schützen können.

Julius August Marcus kam am 17. Juni 1901 in Hannover als Sohn von Moritz und Johanna Marcus, geb. Jacob, zur Welt. Er hatte vier Geschwister. Mit 21 Jahren wurde er als Mitglied der Hamburger Jüdischen Gemeinde registriert. Julius Marcus arbeitete als Schlossergeselle bei der Vulkan-Werft im Hamburger Hafen und wohnte in St. Pauli, zunächst in der Seilerstraße 61, dann am Wilhelmsplatz 3. Am 16. Juni 1923 schloss er mit Frieda Auguste Bräutigam im Standesamt Altona den Bund der Ehe. Seine Frau, von Beruf Näherin, war nichtjüdischer Herkunft. Sie stammte aus Altona, wo sie 1899 als Tochter von Johann Bräutigam und Wilhelmine, geb. Kröhnke, geboren worden war. Ab 1932 war Julius Marcus laut Hamburger Adressbuch in Hamburg-Barmbek in der Straße Dulsberg-Nord 41 wohnhaft.

Nachdem die Ehe zehn Jahre lang kinderlos geblieben war, nahm das Ehepaar den am 5. April 1934 in Frankfurt am Main geborenen Ewald als Adoptivsohn an. Frieda Marcus berichtete 1963 in Rahmen des Wiedergutmachungsverfahrens, sie habe Ewald bereits kurz nach seiner Geburt als Säugling zu sich genommen. Der Junge war jüdischer Herkunft.

Julius Marcus war inzwischen als Schlosser bei der Reichsbahn angestellt. Offenbar konnte er wegen seiner jüdischen Herkunft seinen Berufswunsch Lokomotivführer – für diese Laufbahn war seine Schlosserlehre Vorbedingung – nicht verwirklichen. In einem Schreiben an das Amt für Wiedergutmachung vom 22. Juni 1953 berichtete seine Frau:
"Mein verstorbener Ehemann war fest bei der Reichseisenbahn angestellt. Er war vorgesehen, den großen Lokführercursus mit zu machen. Also größte Aufstiegsmöglichkeit. Als die Nazi-Säuberungsaktion begann, wurde er auf Grund seiner Rasse gestrichen und gleichzeitig aus der Schlosserwerkstatt entfernt, bis er zuletzt als Streckenarbeiter schaffen musste. Dann wurde er gänzlich von der Reichsbahn entfernt. Er arbeitete dann bis zu seiner Verhaftung bei verschiedenen Firmen, z. B. Müllabfuhr und [als] Lagerarbeiter eines Produktenlagers."

Sie selbst war als Putzfrau tätig. Als nichtjüdische Partnerin in einer sogenannten Mischehe litt sie unter Anfeindungen: "Ich wurde sowieso verachtet, da mein Mann Jude war."

Am 27. April 1937 wurde Julius Marcus in der Kellerwohnung des Hauses Alsterkamp 7 in Hamburg-Harvestehude, wo das Ehepaar Marcus seit 1936 wohnte, verhaftet. Dabei wurden das Radio und Bücher seiner Frau beschlagnahmt. Julius Marcus kam wegen des Verdachts auf "Vorbereitung zum Hochverrat" in Untersuchungshaft. Laut einem Urteil des Hamburger Oberlandesgerichts von 1937 galt zum Beispiel das Abhören des Moskauer Senders als kommunistische Propagandatätigkeit und Vorbereitung zum Hochverrat.

Am 3. September 1937 wurde Julius Marcus als "Schutzhäftling" der Gestapo ins KZ Fuhlsbüttel eingeliefert. Das "Kolafu" war seit September 1933 Teil der Strafanstalten Hamburg-Fuhlsbüttel, unterstand ab Dezember 1933 der Polizei und wurde 1936 in "Polizeigefängnis Fuhlsbüttel" umbenannt; üblich blieb aber die Abkürzung "Kolafu". In der Wachmannschaft waren SS- und SA-Angehörige. Terror bestimmte den Haftalltag. "Schutzhaft" bedeutete für Gegner des Regimes Schikanen und Misshandlungen. Für den Zeitraum vom 24. April bis 3. September 1937 tauchte Marcus Julius namentlich in den Abrechnungslisten der Anstalt über "Schutzhaftkosten" auf.

Das Hanseatische Oberlandesgericht erhob am 27. November 1937 unter dem Aktenzeichen OJs 264/37 Anklage gegen Julius Marcus nach §§ 80 II, 83 II und III, Ziffer 1,32 StGB. Am 16. Februar 1938 verurteilte ihn das Gericht in erster Instanz wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu drei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 9 Monaten. Er kam zunächst ins Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel, mit zwei Unterbrechungen durch Aufenthalte im Lazarett beim Untersuchungsgefängnis.

Seine Strafhaftkarte wies auf seine "mosaische" Herkunft hin. Seine jüdischen Eltern waren inzwischen verstorben. Als seine Adresse war "Catharinenstr. 23" vermerkt. Offenbar war seine Ehefrau nach seiner Verhaftung in die Erdgeschosswohnung des Hauses Katharinenstraße 21/23 in der Altonaer Altstadt umgezogen (ab 1940 Luchtweg, heute gibt es das Straßenstück zwischen Elmenhorst- und Schleestraße an der Ecke zur Königstraße nicht mehr).

Am 17. November 1939 wurde Julius Marcus in das Zuchthaus Celle überführt.

Insgesamt verbüßte er seine Strafe von April 1937 bis zum 16. Mai 1940 in Untersuchungs- und Strafhaft und hätte danach auf seine Freilassung hoffen können. Doch im ersten Kriegsjahr war eine Bestimmung erlassen worden, wonach alle nach nationalsozialistischer Rasseideologie als Juden geltende Menschen nach verbüßter Gefängnis- oder Zuchthausstrafe in ein Konzentrationslager eingewiesen werden sollten.

Am 22. Juni 1940 wurde Julius Marcus in das KZ Sachsenhausen überführt, bis er am 5. September 1940 ins KZ Dachau überstellt wurde. Am Tag darauf verzeichnete ihn das Zugangsbuch Dachau unter der Haftkategorie "Jude; Schutzhäftling". Im Lager gab es zahlreiche Fabriken, in denen die KZ-Häftlinge arbeiten mussten.

Fünf Monate später war der 38-Jährige tot. Laut Eintrag im Sterbebuch Dachau verstarb er am 17. Oktober 1940 um 9.30 Uhr in der "Straße der SS", einer Straße außerhalb des Lagergeländes, an "Herz- und Kreislaufschwäche". Das Lagergelände in Dachau bestand aus dem eigentlichen Konzentrationslager und einem SS-Übungslager mit Kasernen und Schulungsräumen. Das Personal des Konzentrationslagers bestand aus Mitgliedern der Waffen-SS. Entlang der "Straße der SS" befanden sich deren Wohnungen und Villen.

Ewald, der Adoptivsohn des Ehepaares Marcus, war offenbar zunächst unter dem Schutz seiner nichtjüdischen Adoptivmutter von den seit Herbst 1941 stattfindenden Deportationen ausgenommen. Frieda Marcus erklärte 1947 vor dem Komitee ehemaliger politischer Gefangener: "Auf die Frage Terrormaßnahmen möchte ich noch erwähnen, dass mein Pflegekind […] mir von der Gestapo am 24. Juni 1943 abgenommen wurde und nach Theresienstadt gebracht wurde. Das Kind ist trotz allen Suchen bis heute vermisst."

Ewald Marcus wurde am 23. Juni 1943 aus der Katharinenstraße 21/23 in Altona ins Getto Theresienstadt deportiert, wo er im "Jugendheim" des Gettos, das 1942 in der ehemaligen Theresienstädter Schule für zehn- bis fünfzehnjährige Jungen eingerichtet worden war, lebte. Die Jungen bekamen mehr zu essen als die Erwachsenen, sie organisierten eine Art Selbstverwaltung und gaben eine geheime Zeitschrift heraus. Ewald schickte seiner Mutter mehrere Postkarten aus dem Getto.

Das "Jugendheim" befand sich im Block Q 609, einem Eckhaus neben der Unterkunft der SS. Jeder der 15 Räume war mit einem Buchstaben als sogenanntes Heim ausgewiesen, in dem Kinder und Jugendliche, nach Geschlecht und Nationalität getrennt, untergebracht waren. Zusammen mit Gerhard Lilienfeld aus Bremerhaven und den Hamburger Jungen Arnold Löwenthal und Peter Perls sowie 12 weiteren Jugendlichen war Ewald dem "Heim F" zugeteilt worden. Die norddeutschen Jugendlichen, so berichtete Gerhard Lilienfeld, der das Getto überlebte, hielten im Heim zusammen. Er schilderte, dass die Jungen im Heim F auf engstem Raum in dreistöckigen Betten schliefen.

Heimlich organisierte die jüdische Selbstverwaltung im Getto Unterricht für die Kinder und Jugendlichen auf dem Dachboden des Hauses; Professor Hahn, ehemals Lehrer an einer Kunstschule, erteilte Malunterricht und Professor Heller lehrte Rechnen.

Im Sommer 1944 fanden im Getto "Verschönerungsaktionen" statt anlässlich einer geplanten Präsentation Theresienstadts als "Mustergetto" vor einem Komitee des Internationalen Roten Kreuzes. Auf Anweisung der Lagerleitung durften die Jungen Fußballmannschaften gründen. "Da aber der Platz auf der Bastei zu klein war, bestand jede Mannschaft nur aus sieben Spielern. Es gab einen Torwart, zwei Verteidiger, einen Mittelläufer und drei Stürmer. Oh Wunder, oh Wunder, es wurden sogar Trikots vergeben!" Eine andere Beschäftigung der Jungen war das Sammeln von "Giletten", Rasierklingenhüllen.

"Besonders begehrt und als kostbar waren und galten die Sahara, die Tatra, die Jachtclub und noch andere Marken. Im Wert als geringsten galt die deutsche Rotbart."

Die Kinder und Jugendlichen aus dem Block Q 609 schrieben Texte und fertigten Zeichnungen an, die zum Geburtstag von Beppo (Jirka) Krämer, dem tschechischen Leiter des Hauses, in einem Album zusammengestellt wurden.

Die Hoffnung der Gettoinsassen auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen zerschlug sich, als im Oktober 1944 Massentransporte ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau bevorstanden. Die Namen von Arnold Löwenthal und seiner Schwester Irmgard, von Peter Perls, von Gerhard Lilienfeld und seinem jüngeren Bruder Hansjürgen, und von Ewald Marcus standen auf der Transportliste; die Brüder Lilienfeld mussten die Fahrt jedoch nicht antreten.

Am 23. Oktober 1944 wurde Ewald Marcus zusammen mit seinen Freunden nach Auschwitz deportiert. Der Transport ins Vernichtungslager umfasste insgesamt 1715 Insassen des Gettos Theresienstadt. Im Alter von zehn Jahren wurde Ewald Marcus in Auschwitz ermordet. Auch Arnold und Irmgard Löwenthal und Peter Perls mussten sterben.

Gerhard Lilienfeld verbarg die von dem ebenfalls deportierten Beppo Krämer zurückgelassenen "Bilder und Texte des Grauens", wie er sie nannte, bewahrte sie nach seiner Befreiung auf und übergab sie später dem Getto-Museum von Terezín.

Für Arnold und Irmgard Löwenthal wie für Peter Perls ließ er in Hamburg Stolpersteine setzen.

Stand September 2015

© Birgit Gewehr

Quellen: 1; 3; 4; 5; 7; 8; StaH 522-1 Jüdische Gemeinden, 992 m 1 Band 3 (Ankunftslisten der von Hamburg in das KZ Theresienstadt deportierten Juden, Ankunft 25.6.1943); StaH 213-8 (General-)Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Verwaltung, Ablieferung 2, 451a E 1, 1c (Abrechnungslisten über Schutzhaftkosten des KZ Fuhlsbüttel); StaH 242-1 II Gefängnisverwaltung II, Ablieferung 13 (Strafhaftzeiten) und Ablieferung 16 (Untersuchungshaftzeiten); StaH 213-9 (General-)Staatsanwaltschaft Oberlandesgericht – Strafsachen, Verfahrensregister OJs 1937; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 22618 (Marcus, Frieda); AB Hamburg und Altona; KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Komitee-Akte Marcus; Niedersächsisches Landesarchiv Hannover, Hann. 86a Celle Acc. 158/97 Nr. 5477, Gefangenpersonalakte Julius Marcus; Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten/Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Häftlingsdatenbank, JSU 1/84, Bl. 086, Überstellungsmeldung nach Dachau 5.9.1940; KZ-Gedenkstätte Dachau, Stiftung Bayrische Gedenkstätten, Zugangsbuch Dachau: NARA Zugangsbuch Nr. 109/018373 und Stadtarchiv Dachau, Sterbebuch Dachau, Nr. 876/1940, Sterbeurkunde Dachau 1940 876; www.ghetto-theresienstadt.info, Zugriff 23.1.2014; Auskunft von Hildegard Thevs aus ihrer Korrespondenz mit Gerhard Lilienfeld, Herbst 2008.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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