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Siegfried Salomon * 1882
Susannenstraße 6 (Altona, Sternschanze)
HIER WOHNTE
SIEGFRIED SALOMON
JG. 1882
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
RIGA
Weitere Stolpersteine in Susannenstraße 6:
Ella Salomon
Ella (Leie) Salomon, geb. Karfiol, geb. 26.2.1883 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt
Siegfried Salomon, geb. 3.1.1882 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt
Susannenstraße 6 (Heinrich-Dreckmannstraße 6)
"Mein Vater, Siegfried Salomon, wurde am 3. Januar 1882 in Hamburg geboren. Er besuchte die Talmud Tora Schule in Hamburg. Nach Absolvierung der Schule ging er in die kaufmännische Lehre. Bis 1915 war mein Vater Vertreter für die Leipziger Spielwarenfirma Brenner. 1915 wurde mein Vater eingezogen und war bis Kriegsende als Landsturmmann an der französischen Front (Arras). Mein Vater musste dann einige Zeit im Lazarett, erst in Brüssel, dann in Hamburg verbringen, da er sich im Krieg Magengeschwüre zugezogen hatte. Nach seiner Genesung ging mein Vater in die Filmbranche, wo er erst als Filmvertreter für Norddeutschland tätig war und ein Jahreseinkommen von ca. RM 10000,– hatte. Im Jahre 1926 machte sich mein Vater selbständig als Filmverleiher unter der Firma Standard Film Verleih, Kaufmannshaus, Hamburg. Sein Jahres-Einkommen belief sich auf ca. RM 12000,– bis 14000,–. Im Jahre 1933, direkt nach der Machtübernahme Hitlers, wurde meinem Vater das Geschäft abgenommen. Da es für meinen Vater, da er Jude war, unmöglich war, eine Position zu finden, arbeitete er für einige Jahre als Volontär für die Jüdische Gemeinde. Im Jahre 1937 begann die Jüdische Gemeinde ihm ein kleines Gehalt zu zahlen. Am 4. Dezember 1941 wurden meine Eltern aus ihrer Wohnung, Bundesstrasse 43 in Hamburg deportiert."
So erinnerte sich Rita Holländer an ihren Vater Siegfried Salomon achtzehn Jahre nach seiner Deportation nach Riga. Der maschinengeschriebene "Lebenslauf meines Vaters, geschrieben 20. August 1959", ist in der Akte erhalten, die sich mit den Wiedergutmachungsanträgen der Tochter befasst. Die Tochter der Eheleute Salomon war im März 1939 nach der Heirat mit Ludwig Holländer über Kuba in die USA ausgewandert und hatte so ihr Leben retten können. Die Eltern mussten wenige Wochen nach Ritas Wegzug ihre Drei-Zimmer-Wohnung in der Susannenstraße 6 aufgeben und in das "Judenhaus" in der Bundesstraße 43 umziehen. Dabei gingen viele Möbelstücke verloren, auch die der Tochter, die ihre Möbel in der elterlichen Wohnung aufgrund ihrer Auswanderung untergestellt hatte.
Die Wiedergutmachungsakte enthält leider nur wenige Angaben über die Mutter, Ella – häufig auch Leie genannt –, die am 26. Februar 1883 als Ella Karfiol in Altona geboren wurde. Wann sie Siegfried Salomon heiratete, ist unklar. 1909 brachte sie ihr einziges Kind zur Welt. Über ihren beruflichen Werdegang ließen sich keine Hinweise in den Quellen finden, die Tochter gab als Beruf der Mutter "Sekretärin" an.
Die Berufstätigkeit und das Einkommen von Siegfried Salomon ist hingegen anhand der Kultussteuerkartei zumindest grob nachvollziehbar. Er wurde als "Vertreter" geführt – nach Angaben der Tochter arbeitete er als Filmvertreter und -verleiher. Bis 1927 müssen seine Geschäfte gut gelaufen sein, denn er zahlte regelmäßig größere Steuerbeträge. Für 1928 erfolgte dann der Eintrag: "Hat am 11. Febr. 1928 Offenbarungseid geleistet".
Laut Auskunft der Handelskammer war die Filmverleihfirma, bei der Siegfried Salomon Gesellschafter war, 1927 aufgelöst worden. Womit er oder auch seine Frau Ella in den folgenden Jahren ihren Lebensunterhalt bestritten, ließ sich nicht feststellen, Steuern wurden jedefalls nicht gezahlt. Im April 1933 zog Familie Salomon aus der damaligen Hamburger Straße 94 in Altona (heute Max-Brauer-Allee) nach St. Pauli in die Susannenstraße 6. Diese Straße wurde wenige Monate später in Heinrich-Dreckmann-Straße umbenannt, zu Ehren des SA-Führers Heinrich Dreckmann, der im September 1930 bei einer Straßenschlacht zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten erstochen worden war.
Auch die Jahre ab 1933 waren für Siegfried Salomon überwiegend von Erwerbslosigkeit bestimmt, sodass er zumindest vorübergehend durch die Jüdische Winterhilfe unterstützt wurde. Die Jüdische Winterhilfe war im Oktober 1935 gegründet worden, nachdem die Juden von den Zuwendungen durch das "Winterhilfswerk des Deutschen Volkes" ausgeschlossen worden waren. Die zunehmende Verarmung infolge der schwierigen Beschäftigungslage und der schrittweise Ausschluss der jüdischen Hilfsbedürftigen aus allen Bereichen der öffentlichen Fürsorge führten dazu, dass die jüdische Gemeinde eine Vielzahl an Personen unterstützen musste. Im Dezember 1936 wurden in Hamburg 761 Personen betreut. In den Wintermonaten 1936/1937 erhielten zusätzlich noch etwa 2800 Menschen Leistungen aus der jüdische Winterhilfe. Das entsprach etwa einem Viertel der jüdischen Bevölkerung.
Aus seiner Steuerkarte ist ersichtlich, dass Siegfried Salomon 1936 wieder steuerpflichtig wurde und bis Mai 1941 Kleinstbeträge zahlte, die wahrscheinlich aus seiner Tätigkeit als "Volontär für die Jüdische Gemeinde" resultierten.
Die Eheleute Salomon verbrachten ihren letzten Lebensabschnitt im Getto Riga, wohin sie am 6. Dezember 1941 deportiert wurden. Den Tag zuvor hatten sie sich – wie 751 Hamburger Juden und Jüdinnen – in der Provinzialloge Niedersachsen in der Moorweidenstraße einzufinden, ausgerüstet mit Winterbekleidung und einem Spaten. Die Gestapo hatte den Transport als Arbeitseinsatz im Osten angekündigt.
In Riga angekommen wurde der Hamburger Transport aufgrund der Überfüllung des Gettos in das sechs Kilometer entfernte, völlig desolate Gut Jungfernhof gebracht. Die katastrophale Unterbringung in den Scheunen und Viehställen des Guts und der extrem kalte Winter führten schon in den ersten Tagen zu massenhaftem Sterben. Über 1700 der ursprünglich knapp 4000 Menschen, die auf diesem Gut zusammengepfercht worden waren, wurden im März 1942 in nahegelegenen Waldgebieten im Rahmen der "Aktion Dünamünde" erschossen. Ob Siegfried Salomon zu den Ermordeten gehörte oder ob er als 60-Jähriger noch als arbeitstauglich eingestuft worden war und somit unter den härtesten Bedingungen landwirtschaftliche Arbeit im Lager leisten musste, lässt sich nicht belegen. Ebenso bleiben das weitere Schicksal und die Todesumstände seiner Ehefrau Ella im Dunkeln.
© Gunhild Ohl-Hinz
Quellen: 1; 4; 6; 8; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 041209 Hollander, Rita; Lohalm, Fürsorge, 1998.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".