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Bruno Berger * 1880
Jungfrauenthal 12 (Eimsbüttel, Harvestehude)
HIER WOHNTE
BRUNO BERGER
JG. 1880
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Weitere Stolpersteine in Jungfrauenthal 12:
Paula Meyer
Bruno Berger, geb. am 3.5.1880 in Ratibor/Oberschlesien, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, ermordet am 15.5.1944 in Auschwitz
Jungfrauenthal 12
Der Kaufmann Bruno Berger stammte aus Oberschlesien, genauer: aus der Stadt Ratibor (Racibórz/heute Polen), wo er am 3.5.1880 geboren worden war. Dort hatte er seine Kindheit verbracht und nach Abschluss des Gymnasiums mit der Unterprima eine kaufmännische Ausbildung erhalten.
Seine Eltern Heinrich Berger (geb. 27.11.1851 in Kieferstädtel/Sośnicowice) und Elfriede, geb. Löwy (geb. 2.12.1853 in Nikokai/Mikołów) waren wie die meisten der jüdischen Einwohner in Ratibor Geschäftsinhaber. Sie betrieben in bester Lage am Ring/Ecke Domstraße im Zentrum der Stadt eine Zigarren- und Zigarettenhandlung mit einer Filiale in der Bahnhofstraße 1 (heute Adam Mickiewicz). 1913 annoncierte Heinrich Berger im Rabitorer Reichsblatt: "Eingeführte Marken zu Fabrikpreisen. Für Gastwirte und Wiederverkäufer billigste Bezugsquelle".
Bruno Berger heiratete am 28. Dezember 1920 in Berlin-Schöneberg Johanna/Hanna Blau (geb. 7.4.1891). Zu dieser Zeit wohnte er noch bei seinen Eltern in der Domstraße 2. Seine Braut kam aus Stolp (Słupsk/Polen) in Pommern. Ihre Eltern waren Leo Blau (geb. 22.5.1854 in Stolp, gest. 7.11.1941) und Clara, geb. Jacoby (geb. 27.9.1862 in Belgard, gest. 1917). Leo Blau war Likörfabrikant und Hausbesitzer in der Langestraße 52 (heute Michała Mostnika). Der Betrieb bestand seit 1852 unter dem Namen Nathan Blau. Nach der Eheschließung wurde Bruno Berger als Mitinhaber in die Firma seines Schwiegervaters aufgenommen. Jedoch taucht er nach 1929 in den Stolper Adressbüchern nicht mehr auf.
Nach eigenen Angaben befand sich Bruno Berger seit 1931 auf Reisen (vermutlich als Vertreter) und kehrte erst im März 1933 nach Ratibor zurück. Am 26. August 1933 ließ er sich vor dem Landgericht Ratibor scheiden. Johanna Berger war "wegen Geisteskrankheit" in die Psychiatrische Nervenklinik in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern eingewiesen worden. Wann sie dort untergebracht wurde, ist nicht überliefert.
Bereits zuvor hatte Bruno Berger die Bekanntschaft des Ehepaares Behr in Hamburg gemacht. Meta Behr betrieb einen Textilgroßhandel für Bett- und Tischwäsche in der Caffamacherreihe 53, der von ihrem Ehemann Nathan Behr (geb. 22.10.1868 in Lübeck) gegründet worden war. In den Folgejahren war er jedoch schwer an Diabetes erkrankt und arbeitsunfähig geworden. Meta Behr hatte das Geschäft 1922 offiziell als Inhaberin übernommen. Nathan Behr verstarb am 4. Juni 1933 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel in Ohlsdorf beerdigt.
Meta Behr und Bruno Berger heirateten am 8. Januar 1935.
Meta Berger, geb. Löwenthal, war am 14.2.1880 als Tochter des Meyer Löwenthal und seiner Ehefrau Rosalie, geb. Rosenberg, in Duderstadt geboren worden. (siehe Selma Bleiweiss, www.stolpersteine-hamburg.de). Obwohl ihre Eltern jüdisch waren, hatte sie zwei Jahre eine Klosterschule besucht. Ihre Schulzeit beendete sie nach der Selekta (zusätzliche Klasse für begabte Schüler nach Ende der Schulzeit) an einer höheren Töchterschule und erhielt im Anschluss eine kaufmännische Ausbildung in Hannover. Am 10. November 1919 hatte sie in Duderstadt ihren ersten Ehemann Nathan Behr geheiratet und war ihm von Kassel nach Hamburg gefolgt.
Bruno Berger stieg nach der Heirat in das Geschäft seiner zweiten Frau Meta mit ein. Ein ehemaliger Mitarbeiter, der noch 1938 in der Firma tätig war, erinnerte sich später, dass Bruno Berger die Büroarbeiten übernahm, die, da es sich um ein Abzahlungsgeschäft handelte, sehr umfangreich waren. Noch im Sommer 1935 verlegte das Ehepaar Berger die Firma mit der Privatwohnung in eine größere 5-Zimmerwohnung in die Isestraße 57.
Ab Oktober 1935 zahlte Bruno Berger als Mitglied der Hamburger Jüdische Gemeinde Kultussteuern.
Offenbar hatte das Ehepaar Berger noch keine größeren Verluste durch die Boykottaufrufe gegen jüdische Geschäftsbetriebe erlitten. Meta Berger berichtete in ihrem Antrag auf Wiedergutmachung (1957): "Mein zweiter Ehemann arbeitete in dem Versandgeschäft mit, d.h. er besorgte den Versand und die schriftlichen Arbeiten, während ich mich dem Einkauf und Verkauf widmete. Wir hatten einen treuen Kundenstamm, der uns auch nach 1933 nicht im Stich ließ. Ich habe bis kurz vor meiner Auswanderung nach Uruguay monatlich mindestens RM 1000 verdient."
Meta Berger emigrierte am 28. Juli 1938 nach Uruguay. Ihrem Mitarbeiter hatte sie zuvor erklärt, sich auf eine Erholungsreise zu begeben. Offensichtlich hatte sie Deutschland überstürzt verlassen. Bruno Berger sollte folgen, nachdem er alle Formalitäten für eine offizielle Auswanderung samt Umzugsgut erledigt hätte. Mit dem Rückkauf einer bestehenden Lebensversicherung im Wert von 9760 RM sollte die Auswanderung finanziert werden. Doch das alles zog sich hin.
Nach der vom Oberfinanzpräsidenten verlangten Vermögenerklärung lag Bruno Berger am 8. Juni 1939 unter der Bemessungsgrenze für den Erlass einer "Sicherungsanordnung". Er besaß jetzt noch 4261 RM als Kapitalvermögen. Nach Abzug von 2850 RM für den Transport des Umzugsgutes und die von ihm geschätzten 900 RM für die Schiffspassage, blieben ihm bis zu seiner Auswanderung 511 RM zum Leben. Zudem gab er an, auch noch seine "alten Eltern" finanziell zu unterstützen (nach der Volkszählung im Mai 1939 wohnten seine Eltern noch in Ratibor in der Jungfernstraße 11, heute Fryderyka Chopina, danach verliert sich ihre Spur). Am 16. Juni 1939 stellte Bruno Berger einen Antrag auf Mitnahme von Umzugsgut bei der Devisenstelle in Hamburg.
Am 5. August 1939 erhielt Bruno Berger die zur Auswanderung benötigte Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die 12 seitige Liste mit dem Umzugsgut, sowie das Reise- und Handgepäck hatte der Sachverständige der Devisenstelle geprüft. Gegenstände wie ein Sicherheitsgitter, ein großer Ausziehtisch, ein Radiotisch und zwei Brücken waren am 6. Juli 1939 nicht genehmigt worden. Eine angeordnete Dego-Abgabe in Höhe von 56.50 RM für neu Angeschafftes hatte Bruno Berger an die Deutsche Golddiskontbank überwiesen. (zur Dego-Abgabe s. Glossar).
Das Umzugsgut hatte die Firma Klingenberg in Lifts (Holzcontainern) verpackt und bereits seit Dezember 1938 bei der Spedition Transport-Krump in der Blücherstraße 205, Lager II zur Versendung eingelagert. Von Seiten des Oberfinanzpräsidenten gab es devisenrechtlich keine Bedenken, alle Genehmigungen lagen vor und waren einen Monat gültig. Bruno Bergers Emigration scheiterte jedoch trotzdem: Am 1. September 1939 begann der Krieg. Knapp vier Wochen später, am 27. September, hielt ein Behördenmitarbeiter in einer Handnotiz in Bruno Bergers Auswanderungsakte fest, dass keine Möglichkeit zur Auswanderung bestünde und zur gegebenen Zeit neue Anträge gestellt werden würden.
Seit Auflösung der Wohnung in der Isestraße wohnte Bruno Berger bei der Witwe Paula Meyer (siehe www.stolpersteine-hamburg.de) im Jungfrauenthal 12, bis er zuletzt in das "Judenhaus" in die Rutschbahn 25a ziehen musste. Dort erhielt er den Deportationsbefehl für den 19. Juli 1942 in das "Altersgetto" Theresienstadt. Am 15. Mai 1944 wurde Bruno Berger von dort nach Auschwitz weiterdeportiert und ermordet.
Das im Hamburger Hafen eingelagerte Umzugsgut des Ehepaares Berger erreichte Montevideo nie. Nach Kriegsbeginn wurden die Lifts nicht mehr verschifft. Die in den Lagerhallen verbliebenen Umzugslifts aus dem Besitz jüdischer Emigranten wurden auf Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin durch die Gestapo beschlagnahmt und zu Gunsten des Deutschen Reiches versteigert. Am 8. Oktober 1942 wurden auf dem Namen Bruno Berger zwei Summen von insgesamt 2.299,24 RM an die Oberfinanzkasse überwiesen, der Name des Versteigerers war auf den Belegen nicht vermerkt. Das Lager der Firma Transport-Krump in der Blücherstraße 205 wurde im Juli 1943 bei einem Luftangriff zerstört.
Meta Berger blieb in Uruguay, wo sie sich jedoch keine ausreichende Lebensgrundlage aufbauen konnte. Sie starb 1964 im Alter von 84 Jahren im "Asyl Israelita" der Jüdischen Gemeinde in Montevideo.
Stand: Juli 2021
© Susanne Rosendahl
Quellen: 1; 3; StaH 332-5-1008 u. 176/1933; www.ancestry.de Heiratsregister Bruno Berger und Johanna Blau am 28.12.1920 in Berlin (Zugriff 4.1.2021); StaH 314-15_FVg 5926; StaH 213-13_18943; StaH 351-11_4811 (Berger, Meta);StaH213-13_21739 (Berger, Meta); https://collections.arolsen-archives.org; Bruno Berger (Zugriff 21.6.2021); https://collections.arolsen-archives.org; Leo Blau (Zugriff 21.6.2021); Reichsvereinigung der Juden (Kartei) https://digitalcollections.its-arolsen.org/01020401/name/pageview /702029/517212 (Zugriff 21.6.2021); Ratiborer Kreisblatt vom 13. März 1913 digital https://sbc.org.pl/Content/206500/iii269117-1913-11-0001.pdf (Zugriff 21.6.2021); verschiedene Adressbücher der Stadt Stolp, digital http://www.srodkowopomorskie.porcelanki.net/readarticle.php?article_id=210; https://www.mappingthelives.org; https://www.online-ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&ID=I36532&nachname=BLAU&modus=&lang=de; Heiratsurkunde des Standesamtes Belgard Leo Blau und Clara Jacoby digital http://genealogie.kaltwasser.net/Urkunde/Belgard/b/1888/13 (Zugriff 20.6.2021); Hinterpommerscher Haus- und Familien-Kalender auf das Gemeinjahr 1911 (Zugriff 20.6.2021); verschiedene Adressbücher Rabitor.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".