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Hannelore Bezen, 1940
Hannelore Bezen, 1940
© Privatbesitz

Hannelore Bezen * 1931

Wexstraße 42 (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
HANNELORE BEZEN
JG. 1931
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET

(Hannelore war eine Tochter aus 1. Ehe von Frieda Prag)

Weitere Stolpersteine in Wexstraße 42:
Frieda Prag, Julius Prag

Frieda Prag, geb. Bleiweiss, geb. am 9.7.1899 in Neumünster, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk
Julius Prag, geb. am 9.2.1896 in Königsberg, deportiert am 8.11.1942 nach Minsk
Hannelore Bezen, geb. am 22.7.1931 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk

Wexstraße 42

Frieda Prag war mit sechs Geschwistern in Neumünster aufgewachsen, wo ihre Eltern Siegmund Bleiweiss (geb. 1.2.1869 in Lübeck) und Selma, geb. Löwenthal (geb. 21.9.1873 in Wöllmarshausen), ein Möbelgeschäft betrieben. Die Eltern hatten 1919 ihren Wohnsitz von Neumünster in die Hamburger Neustadt in die Elbstraße 60 (heute Neanderstraße) verlegt und dort wieder ein Möbelgeschäft eröffnet (s. Familie Bleiweiss).

Über Friedas Schulzeit ist nichts überliefert, vielleicht war sie anschließend im elterlichen Betrieb beschäftigt. Ebenso wenig wissen wir, ob sie eine Berufsausbildung erhielt. Am 5. September 1930 heiratete sie den aus Rumänien stammenden jüdischen Polsterer und Tapezierer Aron/Arno Bezen (geb. 5.4.1899 in Targoviste). Er betrieb eine Werkstatt in der Elbstraße 60, die wahrscheinlich mit dem Möbelgeschäft seiner Schwiegereltern kooperierte. Am 22. Juli 1931 wurde Tochter Hannelore geboren. Sie blieb das einzige Kind, da sich ihre Eltern bald wieder trennten. Offiziell geschieden wurde die Ehe allerdings erst im Januar 1935.

Frieda Bezen wohnte nach der Trennung allein mit ihrer Tochter Hannelore in der Wexstraße 42 und war vermutlich auf Einnahmen aus Untervermietungen in ihrer 4½-Zimmerwohnung angewiesen. Im Oktober 1935 nahm sie den Untermieter Julius Prag bei sich auf, ihren zukünftigen zweiten Ehemann.

Julius Prag war als Sohn des Ehepaares Julius Louis Prag und Johanna, geb. Levy, im ostpreußischen Königsberg zur Welt gekommen. Die Eltern hatten ein Geschäft betrieben, wohl aber eher im kleineren Rahmen, da ihr jüngerer Sohn Max Prag (geb. 4.6.1900) eine weiterführende Schulausbildung aus finanziellen Gründen aufgeben musste. Beide Brüder erlernten kaufmännische Berufe. Julius Prag kam 1927 nach Hamburg und war zunächst als Verkäufer in verschiedenen großen Kaufhäusern, wie im Konfektionsgeschäft der Gebr. Hirschfeld am Neuen Wall 19 und in der Rudolf Karstadt AG in der Mönckebergstraße, tätig. Anfänglich wohnte er in der Peterstraße 63 und zog dann zur Untermiete an den St. Anscharplatz 2. Julius Prag gab seine bisherige Tätigkeit auf und machte sich in Altona in einem städtischen Verkaufspavillon mit einem Tabakwarenhandel selbstständig. Als die Vermieterin, die Stadt Altona, dann einem Kriegsversehrten den Vorzug gab, zog Julius Prag nach Eilbeck, in den Hammersteindamm 22. Im Juni 1935 war er in der Hufnerstraße 123 in Hamburg-Barmbek als Untermieter bei Hoffmann gemeldet, obwohl er seit Juli 1934 im Hellkamp 37 in Hamburg-Eimsbüttel lebte und im Keller des Hauses eine Zigarrenhandlung betrieb. Da diese sich jedoch nicht rentierte, musste er Geschäft und Wohnung Ende August 1935 aufgeben. Julius Prag zog zur Untermiete in die Wexstraße 42 zu Frieda Bezen. Am 17. Juli 1936 heirateten sie.

Julius Prag fand eine Beschäftigung als Aushilfsverkäufer in der Firma "Teppich-Juster" an der Ellerntorsbrücke 5, dann arbeitete er als Lagerist in der Firma Wolfsohn, Hohe Bleichen 40/42, beide Firmen wurden 1938 "arisiert".

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 geriet er kurzzeitig in Haft, wurde aber nicht wie so viele andere jüdische "Schutzhäftlinge" in ein Konzentrationslager gebracht. Julius Prag wurde dann zur "Pflichtarbeit" herangezogen. In Buxtehude und in Tiefstaak (heute Tiefstack) in der Kruppstraße musste er schwere Erdarbeiten verrichten, für die er einem Bericht zufolge "körperlich nicht geschaffen" war. Frieda Prag versuchte die Familie mit einer "Plätterei" (Bügeln) über Wasser zu halten, wofür sie ein Zimmer hinter der Küche einrichtete. Zudem war sie tageweise für die Wäscherei Röpper & Vogels tätig.

Im März 1938 zog das Ehepaar Prag zwei Häuser weiter in die Wexstraße 38, vermutlich in eine günstigere Wohnung. Seit August 1937 lebte Julius´ Bruder Max Prag mit seiner nichtjüdischen Ehefrau Margarethe Dora, geb. Geng (geb. 7.7.1901), bei ihnen. Das kinderlose Ehepaar hatte seine Tätigkeit als Schausteller in Ostpreußen nach "erheblichen Bedrohungen" und "hetzerischen Boykottmaßnahmen" aufgeben müssen. Ihren Hausstand in Königsberg hatten sie aufgelöst und waren nach Hamburg übergesiedelt.

Im Februar 1939 verließen sie die Wohnung in der Wexstraße. Frieda und Julius Prag zogen vorübergehend zu Friedas Familie in die Kaiser-Wilhelm-Straße 115, bis sie im März 1939 im "Lazarus-Samson-Cohen-Eheleute und Levy-Hertz-Eheleute Stift" im Hinterhof des Neuen Steinwegs 78 eine kleine Wohnung erhielten. Das alte Fachwerkhaus befand sich noch im Besitz der ehemaligen Jüdischen Gemeinde. Dort scheint Frieda Prag auch eine Beschäftigung gefunden zu haben, auf ihrer Kultussteuerkarte wurde vermerkt "Hausangestellte Nordheimstift II".

Am 8. November 1942 wurde das Ehepaar Prag mit der 10-jährigen Hannelore Bezen ins Getto Minsk deportiert. Ihre Wohnungseinrichtung, die Frieda Prag als Aussteuer von ihren Eltern zur Hochzeit erhalten hatte, wurde nach ihrer Deportation vom Hamburger Auktionator Huck öffentlich versteigert. Der Erlös von 474,48 Reichsmark fiel zugunsten des "Deutschen Reichs" an den Oberfinanzpräsidenten.

Max und Margarethe Prag fanden eine Unterkunft in der Steinwegpassage 1, später mussten sie in das "Judenhaus" Rutschbahn 25a umziehen. Max Prag wurde vom Leiter der Sonderdienststelle des Arbeitsamtes, Willibald Schallert, zu Arbeitseinsätzen in Heiligenhafen und in einem Lager in Ilienworth bei Otterndorf zu Erdarbeiten verpflichtet. In den letzten drei Jahren arbeitete er in der Hanfspinnerei Steen & Co in Hamburg-Lokstedt. Max Prag erlebte, geschützt durch seine nichtjüdische Ehefrau, das Kriegsende und war kurzzeitig wieder als Schausteller tätig. Er starb am 17. Dezember 1955 in Hamburg-Bergedorf.

Aron Bezen, Friedas geschiedener Mann, wurde mit seiner zweiten Ehefrau Erna, geb. Hecht (geb. 26.5.1905 in Herford), und den gemeinsamen Kindern Leonhard (geb. 22.7.1938) und Bilha Erna (geb. 5.12.1939) am 25. Oktober 1941 nach Lodz deportiert. Erna und die Kinder wurden am 29. September 1942 ins Vernichtungslager Chelmno/Kulmhof weiterdeportiert und in Gaswagen ermordet. Aron Bezen blieb allein im Getto Lodz zurück, sein weiteres Schicksal ist unbekannt.

Für Familie Bezen wurden Stolpersteine am Winterhuder Weg 86 verlegt. (s. Stolpersteine in Hamburg-Barmbek und Hamburg-Uhlenhorst)


Stand: August 2018
© Susanne Rosendahl

Quellen: 1; 9; StaH 351-11 AfW 21972 (Prag, Frieda); StaH 351-11 AfW 24448 (Prag, Margarethe); StaH 351-11 AfW 22285 (Bezen, Aron); 351-11 AfW 29231 (Kanter, Sella); StaH 351-11 AfW 21148 (Bleiweiss, Selig); StaH 351-11 AfW 260015 (Haendler, Caroline) StaH 351-11 AfW 2234 (Bleiweiss, Selma); StaH 314-15 Abl. 1998 P358; StaH 332-5 Standesämter 13431 u 577/1930; USHMM, RG 15.083, 301/103-105, Auskunft von Fritz Neubauer Universität Bielefeld, E-Mail vom 31.1.2010; Auskünfte von Judis Birke-Bleiweiss 2008.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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