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Siegmund Biedermann * 1904

Wohlwillstraße 2 (Hamburg-Mitte, St. Pauli)


HIER WOHNTE
SIEGMUND BIEDERMANN
JG. 1904
VERHAFTET 1941
KZ FUHLSBÜTTEL
DEPORTIERT 1941
DACHAU
ERMORDET 11.10.1941

Henriette Biedermann, verw. Waldapfel, geb. Weinberg (Weinberger), geb. 17.2.1857 (17.3.1857) in Wien, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 25.8.1942
Joel (Julius) Biedermann, geb. 6.1.1860 in Sulow (Pulow), deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 3.5.1944

Seilerstraße 33


Siegmund (Walter) Biedermann, geb. 20.12.1904 in Hannover, inhaftiert von Oktober 1935 bis April 1936 im Untersuchungsgefängnis Hamburg, von Juni 1940 bis Oktober 1941 im Untersuchungsgefängnis Hamburg, im Strafgefängnis Harburg, den Konzentrationslagern Fuhlsbüttel, Neuengamme und Dachau, gestorben am 11.10.1941 im Konzentrationslager Dachau

Wohlwillstraße 2 (vormals Jägerstraße 2)


Die Eltern Joel Biedermanns waren Schaje und Rytka Biedermann, geborene Rotteramann. Joel wurde Kaufmann und heiratete Else (Elschen) Rosenberg, mit der er zwei Söhne bekam: Bruno am 1. Mai 1898 und Siegmund am 20. Dezember 1904. Beide wurden in Hannover geboren.

Aus Henriette Biedermanns erster Ehe stammte die am 29. Juni 1892 in Prag geborene Tochter Elisabeth Frieda Waldapfel. Diese bekam 1921 einen Sohn und war später eine verheiratete Kaunitz. Henriettes Ehemann Waldapfel starb. 67-jährig heiratete Henriette im Jahr 1924 den drei Jahre jüngeren Joel. Das Ehepaar wohnte in der Seilerstraße 33. Anfang Januar 1938 zogen sie in den Durchschnitt 1, ein Haus des Louis-Levy-Stifts, das später zum "Judenhaus" erklärt wurde. Gemeinsam wurden sie im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Wenige Wochen nach der Ankunft starb Henriette "an Herzschwäche" – so die Eintragung in ihrer Todesfallanzeige. Joel hielt Kontakt zur Ehefrau seines Sohnes Bruno, der in die USA emigrieren konnte: "Meine Ehefrau erhielt in 1943 zwei Postkarten von meinem Vater aus dem KZ, welche die letzten Lebenszeichen waren. Danach habe ich nichts mehr von ihm gehört, konnte trotz Nachforschung auch nichts Weiteres über das Ableben meines Vaters erfahren."

Nach den Klassifizierungen der Volkszählung von 1939 war Siegmund Sohn eines jüdischen und eines nicht jüdischen Elternteils. Siegmunds Vater Joel galt in derselben Volkszählung als jüdisch: über seine Abstammung registrierten die Volkszähler, er sei Enkel vierer jüdischer Großeltern. Für Siegmunds Mutter Else Rosenberg liegt keine Information darüber vor, wie die nationalsozialistischen Volkszähler sie klassifiziert hätten. Das, was sich aus der Geschichte Siegmund Biedermanns rekonstruieren lässt, deutet darauf hin, dass er sich nicht als Jude identifizierte.

Er besuchte in Hamburg die Volksschule, absolvierte anschließend eine Kellnerlehre in Ludwigslust und arbeitete zunächst in diesem Beruf. Von 1921 bis 1924 war er Gehilfe auf einer Geflügelfarm, arbeitete dann auf Werften und im Schaustellergewerbe. Seit 1926 hatte er Stellungen als Kraftdroschkenfahrer inne, bis er im August 1938 erwerbslos wurde.

Anfang 1928 heiratete er die 1903 in Hamburg geborene Elfriede Puvogel. Sie stammte aus einer evangelischen Familie. Die gemeinsamen Töchter Gertrud und Margot kamen vor der Hochzeit 1924 und 1927 zur Welt. Der Volkszählungseintrag von 1939 verzeichnet sie als nicht jüdisch. Nach nationalsozialistischer Kategorisierung galten sie jedoch als "Mischlinge ersten Grades". So waren sie – wie sie in ihren Anträgen beim Amt für Wiedergutmachung belegten – antisemitischen Diskriminierungen ausgesetzt und wurden in ihrer beruflichen Entwicklung massiv behindert.

Biedermann wurde am 15. Oktober 1935 wegen Vergehens gegen § 5 (2) des "Gesetzes gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz von Parteiuniformen" in U-Haft genommen und am 28. April 1936 vom Hanseatischen Sondergericht verurteilt. Er soll unberechtigt ein Parteiabzeichen der NSDAP getragen haben. Mit der Untersuchungshaft galt die Strafe als verbüßt. Das Amt für Wiedergutmachung ging später zu seiner Entlastung davon aus, dass er "in seinem Beruf als Taxifahrer mit vielen Menschen zusammenkam, und das Abzeichen zur Tarnung getragen hat".

Nach seiner Entlassung 1936 mietete Siegmund eine 4-Zimmer-Wohnung in der Jägerstraße 2. Dort wohten außer den Biedermanns Elfriedes Mutter, ihr Bruder Harry und bis Mai 1940 ihre Schwester Irmgard mit Ehemann und Sohn. In der Hausmeldekartei ist der Wohnungsinhaber Walter Biedermann, lutherischen Glaubens, registriert. Die Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde verzeichnet seinen Eintritt Ende April 1936, zwei Tage nach seiner Entlassung aus der Haft.

Am 18. Juni 1940 wurde Siegmund Biedermann erneut verhaftet. Die Gestapo warf ihm vor, keine "Judenkennkarte" beantragt und den Vornamen "Israel" nicht angenommen zu haben. Am 2. August wurde er aus dem Untersuchungsgefängnis Hamburg ins Gefängnis Hamburg-Harburg verlegt. Die Verurteilung am 8. Juli sah eine Strafdauer von zweieinhalb Monaten vor. Biedermann wäre also am 6. Oktober entlassen worden. Er wurde jedoch am 6. September 1940 der Gestapo "zugeführt" und kam als "Schutzhäftling" in die Konzentrationslager Fuhlsbüttel und Neuengamme. Von dort schrieb er seiner Tochter Gertrud am 23. August 1941, "dass er vom September 1940 bis Mai 1941 im Zentrallazarett gelegen hat." Wegen TBC wurde er im Juni 1941 stationär behandelt. Am 14. September 1941 wurde Siegmund Biedermann in das Konzentrationslager Dachau überstellt, wo er kurze Zeit später starb.

© Christiane Jungblut

Quellen: 1; 2; 3; 4; 5; AB 1938, Teil 1; StaH 242-1 II, Gefängnisverwaltung II, Abl. 16, Untersuchungskartei für Männer; StaH 331-1 II, Polizeibehörde II, Abl. vom 18.09.84, Band 1; StaH 332-8 Meldewesen A51/1, K 2516; StaH 351-11 AfW, 641; StaH 351-11 AfW, 815; StaH 351-11 AfW, Abl. 2008/1, 201204 Biedermann, Siegmund; StaH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992 e 1 Band 6; KZ-Gedenkstätte Dachau.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Recherche und Quellen. Hier abweichend:
(2) Bundesarchiv Berlin, R 1509 Reichssippenamt, Ergänzungskarten der Volkszählung vom 17. Mai 1939

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