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Bereits verlegte Stolpersteine



Rudolf Leo Boas * 1875

Rappstraße 22 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
RUDOLF LEO BOAS
JG. 1875
EINGEWIESEN 1937
HEILANSTALT LANGENHORN
"VERLEGT" 23.9.1940
BRANDENBURG
ERMORDET 23.9.1940
"AKTION T4"

Weitere Stolpersteine in Rappstraße 22:
Dr. Salomon Klein, Jenny Klein

Rudolf Leo Boas, geb. am 11.10.1875 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt in Brandenburg an der Havel

Stolperstein Hamburg-Rotherbaum, Rappstraße 22

Der aus Kurnick in Posen (heute: Kórnik, Województwo Wielkopolskie, Polen) gebürtige jüdische Kaufmann Joseph Boas, geboren am 27. Februar 1824, und seine 1843 in New York geborene, ebenfalls jüdische Ehefrau Henrietta, geborene Bandmann, wohnten zunächst in der Holstenstraße 5 (heute Stadtteil Altona-Nord). Sie wechselten 1870 in die Straße Grindelhof 56 inHamburg-Rotherbaum. Hier kam am 11. Oktober 1875 ihr Sohn Rudolf Leo zur Welt. 1877 zog die Familie dann in die Eppendorfer Chaussee 7 (heute Rothenbaumchaussee).

Joseph und Henrietta Boas hatten 1865 in San Franzisco geheiratet. Beide Eheleute besaßen die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie ließen sich wahrscheinlich schon 1867 in Hamburg nieder, denn das Hamburger Adressbuch verzeichnet Joseph Boas erstmalig im Jahre 1868 als Mitinhaber der Firma E. B. Richard & Boas in der Admiralitätsstraße 76. Zweck des Unternehmens waren Speditions- und Wechselgeschäfte. Im Jahre 1890 erhielt Joseph Boas das Hamburger Bürgerrecht. Er starb am 14. März 1906 mit 82 Jahren als Rentier in der Curschmannstraße 1 im Stadtteil Hoheluft-Ost.

Henrietta Boas wechselte nach dem Ableben ihres Mannes mehrmals ihren Wohnsitz. Sie überlebte ihren Ehemann um zehn Jahre und starb am 24. Juni 1916.

Aus all diesen Jahren ist über Rudolf Leo Boas sehr wenig überliefert. Wir wissen nur, dass er vor 1911 dreimal Patient in der "Irrenanstalt Friedrichsberg" war, dann wieder vor 1918 und noch einmal Ende 1918/Anfang 1919. Das einzige noch vorhandene Dokument aus der "Irrenanstalt Friedrichsberg", die Patienten-Karteikarte, enthält keine genaueren Angaben, lediglich die Berufsbezeichnung "Gärtner"
.
Rudolf Boas trat 1935 der Jüdischen Gemeinde in Hamburg bei. Kultussteuern wurden aber nicht erhoben, denn er war erwerbslos, 1937 zudem erwerbsunfähig. Dies deutet darauf hin, dass eine Krankheit Rudolf Boas daran hinderte, für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Seine Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde enthält für das Jahr 1937 als Adresse Rappstraße 22 bei Cohn, anscheinend arbeitete er kurzfristig als Gärtner. Im November 1937 oder Anfang 1938 wurde er in der Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn aufgenommen. Über ihn existieren keine Akten mehr. Somit bleiben die Umstände seines Aufenthalts in Langenhorn im Dunkeln.

Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in staatlichen sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die mittlerweile in "Heil- und Pflegeanstalt" umbenannte Staatskrankenanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.

Rudolf Boas gehörte zu den Patienten, die bereits länger in Langenhorn lebten. Am 23. September wurde er mit weiteren 135 Patienten aus norddeutschen Anstalten im Güterbahnhof Ochsenzoll in einen Zug verladen und nach Brandenburg an der Havel transportiert. Noch an demselben Tag tötete man die Patienten in dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).

Auf seinem Geburtsregistereintrag wurde notiert, dass Rudolf Boas am 2. Februar 1941 verstarb und das Standesamt Chelm II seinen Tod unter der Nummer 432/1941 registriert hat. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch), einer Stadt östlich von Lublin. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.


Stand: April 2019
© Ingo Wille

Quellen: 1; 4; 5; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 332-3 Zivilstandsaufsicht A Nr. 289 Geburtsregister Nr. 308/1875 Rudolph Leo Boas; 332-5 Standesämter 9663 Sterberegister Nr. 609/1906 Joseph Boas; 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; UKE/IGEM, Archiv, Patienten-Karteikarte Rudolf Leo Boas der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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