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Elsa Borower (geborene Buttermann) * 1900

Grindelallee 24 (Eimsbüttel, Rotherbaum)


HIER WOHNTE
ELSA BOROWER
GEB. BUTTERMANN
JG. 1900
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Grindelallee 24:
Veronika Bartels, Harald Ehrmann, Rifka Gänser, Max Gänser, Emma Stern, Franz Stern

Elsa Borower, geb. Buttermann, geb. am 20.4.1900 in Mistek/Mähren, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen

Grindelallee 24

Zwischen 1900 und 1902 zog es die bis dahin vierköpfige jüdische Familie von Dorothea und Moses (später Moritz) Buttermann aus Mistek im damaligen Mähren (heute Tschechien) nach Hamburg. Dort vervollständigte nach den zwei Kindern Leonhardt (auch Leon, Leo, s. www.stolpersteine-hamburg.de), geboren am 12. Februar 1899, und Elsa (gelegentlich auch Else), geboren am 20. April 1900, am 17. November 1902 die jüngste Tochter Dina die Familie. Moritz Buttermann baute sich in Hamburg eine bescheidene Existenz als selbstständiger Klempner und Mechaniker auf, die gelegentlich durch Fürsorgeleistungen der Stadt ergänzt werden musste. Alle drei Kinder der Buttermanns trugen zum Einkommen der Familie bei beziehungsweise bauten sich eine eigene Existenz auf. Leon wurde Heizer und Glaser, Dina arbeitete bei einem Fotografen und Elsa verdiente ihren Lebensunterhalt als Hausgehilfin.

In den 1920er-Jahren heirateten zwei der Kinder, zunächst Dina am 25. März 1925 den am 10. August 1895 in Berlin geborenen Willi Hensel, dann Leon auf den Tag genau vier Jahre später die Köchin Flora, geborene Selig, geboren am 20. April 1896 im nordfriesischen Friedrichstadt. Dina zog zu ihrem Ehemann nach Berlin, in die Heimatstadt ihrer Mutter. Dorothea Jottkowitz war dort am 2. Juli 1875 geboren worden, ihr am 18. März 1872 geborener Ehemann Moritz stammte aus Radelna in Österreich. Das Ehepaar Dina und Willi Hensel war gut situiert und konnte sich einige Auslandsreisen, beispielsweise nach Spanien und Italien, leisten. Flora und Leon Buttermann bezogen in Hamburg eine 4-1/2-Zimmerwohnung für 75 Reichsmark (RM) Miete im Monat, zwei Zimmer vermieteten sie für insgesamt 30 RM unter. Beide Ehen blieben kinderlos.

Es war Elsa und ihren zwei Geschwistern möglich, die Eltern finanziell zu unterstützen. Elsa wohnte auch bei ihnen und kümmerte sich um die kränkliche Mutter, obwohl sie selbst mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Aus der Fürsorgeakte für Moritz Buttermann geht hervor, dass sich dieser Anfang der 1930er-Jahre ein Augenleiden zugezogen hatte, während seine Frau Dorothea an einer Herzerkrankung und die Tochter Elsa an Unterleibsbeschwerden litt, derentwegen beide behandelt wurden. Elsa half ihrer Mutter im Haushalt, wo sie konnte. Zu dieser Zeit hatte der Vater Moritz kein festes Einkommen, sondern lebte von kleineren Aufträgen an seine Werkstatt. Die drei wohnten zusammen im Grindelthal 13. Grindelthal hieß damals das Stück der Grindelallee zwischen Hausnummer 14 und 16, die dort stehenden Häuser trugen die Nummern 10 bis 15.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde die für die Buttermanns ohnehin nicht leichte Lebenssituation aufgrund der antisemitischen Politik noch schwieriger. Moritz’ Werkstatt wurde kontrolliert und für "wenig lebensfähig" erklärt; auch gesundheitlich blieb vor allem die Mittfünfzigerin Dorothea angeschlagen; sie musste unter anderem wegen eines Oberarmbruchs wiederholt im Krankenhaus behandelt werden.

Im Jahr 1937 trat Elsa zwei verschiedene Stellen als Hausgehilfin an: die eine bei einer Frau Lewin in der Isestraße für drei Vormittage pro Woche von 9 bis 13 Uhr für 4,50 RM wöchentlich inklusive eines täglichen Frühstücks; die andere bei einem G. Müller für 7 RM pro Woche. Zu der Zeit wohnten Moritz, Dorothea und Elsa Buttermann bereits in der Grindelallee 24. Von dort zogen sie ein Jahr später in die Schlachterstraße 46/47 am Großneumarkt, genauer, in das Lazarus-Gumpel-Stift, wo sie drei Zimmer für 10 RM Miete im Monat bekamen. Dieses Stift war 1838 als Marcus-Nordheim-Stift in der Schlachterstraße 40/42 gegründet worden und wurde von 1882 bis 1942 in neuen Gebäuden als Lazarus-Gumpel-Stift geführt. Da es sich um ein jüdisches Wohnstift handelte, musste es 1942 aufgrund antijüdischer Bestimmungen zwangsverkauft werden. Die Gebäude in der Schlachterstraße 46/47 wurden bei Luftangriffen 1943 völlig zerstört und nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut.

Für Elsas jüngere Schwester Dina Hensel wurde 1937 ein schicksalhaftes Jahr, denn ihr Ehemann Willi starb am 10. August in Berlin eines natürlichen Todes. Er muss ihr eine kleine Geldsumme hinterlassen haben, denn sie konnte eine Ausreise nach Australien in die Wege leiten, vermutlich zu Verwandten ihrer Mutter. Allerdings zog sich das Verfahren bis nach Beginn des Zweiten Weltkriegs hin, sodass sie Deutschland nicht mehr verlassen konnte.

Am 2. November 1939 heiratete Elsa Buttermann den jüdischen Kaufmann und Pianisten Siegbert Borower. Dieser war am 21. Juli 1891 in Kempen im Allgäu geboren worden und nach seinem Einsatz als Soldat im Ersten Weltkrieg 1918 nach Hamburg gekommen. Hier hatte er sich zunächst als Kaufmann und dann vom 1. Oktober 1927 bis 16. November 1935 als Pianist in verschiedenen Lokalen der Firma A. F. Nagel, Weingroßhandel und Spirituosenfabrik, betätigt. Damit verdiente er nach eigenen Angaben monatlich bis zu 400 RM. Aus erster Ehe mit der Hamburgerin Alwine, geborene Lolle, hatte er zwei Kinder, die den Zweiten Weltkrieg überlebten und etwa 1918 bzw. 1920 geboren wurden.

Nach ihrer Hochzeit blieb Elsa und Siegbert Borower nur eine kurze Zeit des gemeinsamen Ehelebens, das sie in einer Wohnung in der Paulinenallee 6 als Untermieter der Familie Gerson verbrachten. Am 10. Mai 1940 bestieg Siegbert im italienischen Genua ein Schiff, das ihn nach Shanghai brachte. So entkam er den immer bedrohlicheren antijüdischen Maßnahmen des NS-Staates. Shanghai war eines der letzten Ziele, das den europäischen Juden geblieben war, um noch nach Kriegsbeginn im September 1939 und vor allem ohne ein nur schwer zu erlangendes Visum dem NS-Terror und ab 1941 den drohenden Deportationen zu entkommen. Elsas Ehemann reiste auf einem Schiff namens "Conte Verde". Sein Zweite-Klasse-Billet kostete 300 US-Dollar, die Einreise nach Shanghai weitere 400 Dollar "Vorzeigegeld", die ihn als nicht völlig mittellos auswiesen. Das Geld hatte er von seiner Schwester Livia Fischbein bekommen, die in New York lebte. Die Flucht nach Shanghai über Genua gelang ihm noch gerade rechtzeitig, bevor Italien im Juni 1940 an der Seite Deutschlands in den Zweiten Weltkrieg eintrat und das Mittelmeer für die Passagierschifffahrt gesperrt wurde. Fluchtziele in Asien waren von nun an nur noch über Sibirien erreichbar.

Elsa Borower blieb in Hamburg zurück. Von Mai 1940 bis zum 17. November 1941 musste sie Pflichtarbeit bei der Firma Essig Kühne leisten. Bereits seit dem 19. September 1941 war sie, wie alle sogenannten Volljuden, gezwungen, den "Judenstern" zu tragen, der sie in der Öffentlichkeit als Jüdin kennzeichnete und noch angreifbarer für antisemitischen Terror machte.

Am 18. November 1941 wurde sie nach Minsk deportiert, wo sie ums Leben kam.

Ihr Bruder Leon und dessen Frau Flora waren bereits mit dem ersten aus Hamburg abgehenden Transport am 8. November 1941 ins Getto Minsk deportiert worden.

Dorothea und Moritz Buttermann hatten die Deportation ihrer Kinder miterleben müssen. Sie starben wenige Monate später – Dorothea am 16. Dezember 1941, Moritz am 8. Januar 1942 – im Lazarus-Gumpel-Stift.

Elsas Schwester Dina Hensel wurde am 12. Januar 1943 von Berlin aus in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Siegbert Borower überlebte den Holocaust in Shanghai. Er kehrte Mitte der 1950er-Jahre mit seiner dritten Ehefrau Erna, geborene Herzberg, geschiedene Sander, Jahrgang 1896, aus Israel nach Hamburg zurück, wo er einen Wiedergutmachungsantrag für Elsa Borower stellte. Nach seiner Flucht hatte er sich zunächst als Musiker verdingen können. Von 1943 bis 1945 hatten ihn die japanischen Besatzer jedoch im Shanghaier Getto interniert und ihm jegliche Erwerbstätigkeit versagt. Er erfuhr noch in Shanghai von der Ermordung seiner zweiten Ehefrau Elsa, "wahrscheinlich durch Gas", wie er im Wiedergutmachungsantrag angab. 1946 heiratete er die Buchhalterin Erna Herzberg, die er in Shanghai kennengelernt hatte. Bis 1949 mussten beide auf die Ausreise nach Israel sparen, wo sie weitere dreieinhalb Jahre brauchten, bis sie sich die Rückkehr nach Deutschland leisten konnten. Siegbert Borower hatte sich in Shanghai eine Tropenkrankheit zugezogen, die er weder dort noch in Israel hatte auskurieren können, und erhoffte sich Hilfe in Deutschland. Im Februar 1953 kehrte er mit seiner Frau Erna nach Hamburg zurück, arbeitete aber nicht mehr als Musiker. Erna Borower war von 1953 bis 1955 als Sekretärin für die Jewish Trust Corporation tätig. Siegbert Borower starb am 20. Juni 1981, vermutlich in Hamburg.

Stand: Juli 2017
© Anne Lena Meyer

Quellen: 1; 4; 5; 8; 9; StaH 332-5 StAH 351-11 Standesämter 1152 u. 20/1942; Amt für Wiedergutmachung 13657 Siegbert Borower; StAH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 13658 Erna Borower; StAH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 18934 Flora Buttermann (darin: Fürsorgeakte für Leo Buttermann); StAH 351-14 Arbeits– und Sozialfürsorge – Sonderakten 1025 Moses Buttermann; Berna: Politische Aspekte; Necker: Orte; Meyer: Die Deportation; "Siegbert Borrower" in: Lexikin verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit, online: www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00003269;jsessionid=EE2937F6961D47FBB78F2B02CFFFCBA2?wcmsID=0003&XSL.lexmlayout.SESSION=lexmperson_all (Zugriff 25.12.2016); Hildegard Thevs, Leon und Flora Buttermann, online: http://www.stolpersteine-ham burg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=43 (Zugriff 25.12.2016)
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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