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Ilse Brager (geborene Abrahams) * 1916

Grindelhof 30 (TTS) (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Minsk
ermordet

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Weitere Stolpersteine in Grindelhof 30 (TTS):
Dr. Walter Bacher, Emil Emanuel Badrian, Asriel Brager, Sally Brager, Dr. Joseph Carlebach, Dr. Hermann Freudenberger, Josua Falk Friedlaender, Julius Hamburger, Walter Nathan Herz, Bertha Hirsch, Leopold Hirsch, Dr. Alberto Jonas, Benno Kesstecher, Heinz Leidersdorf, Richard Levi, Emil Nachum, Mathias Stein, Artur Toczek

Sally Brager, geb. am 26.1.1915 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen
Ilse Brager, geb. Abrahams, geb. am 12.4.1916 in Dornum, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen
Asriel Brager, geb. am 24.11.1940 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen

Grindelhof 30

Sally war das vierte von sechs Kindern, das aus der Ehe von Martha Brager, geborene Cohn, und Alfred Brager hervorging (zur Familie Brager s. die ausführliche Biographie in "Stolpersteine in Hamburg-Eimsbüttel und Hamburg-Hoheluft-West" und auf www.stolpersteine-hamburg.de). Das Ehepaar hatte 1909 in Lübeck geheiratet – sie stammte aus Friedland/Mecklenburg, er aus Hamburg – und war dann in Alfreds Geburtsstadt gezogen. 1911 wurde das erste Kind geboren, Siegmund. Es folgten kurz nacheinander zwei Töchter (1912, 1916) und zwei weitere Söhne (1913, 1915). Der Jüngere von beiden war Sally: Er wurde am 26. Januar 1915 im Krankenhaus Eppendorf geboren. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie im Grindelhof 89. Um 1920 zog sie in eine Wohnung in der Kielortallee 22. Alfred Brager war Tapezierer und hatte seit 1921 seine Werkstatt um die Ecke, in der Bogenstraße 4. Familie Brager lebte streng nach den Regeln des Judentums. Auch ihr Wohnort weist auf eine vom Glauben bestimmte Lebensweise hin, denn in das Doppelhaus Kielortallee 22/24, in das auf der Hofseite eine Synagoge integriert war, wurden nur streng gläubige Jüdinnen und Juden aufgenommen. So war unter anderem der Besuch des Bethauses für die Bewohnerinnen und Bewohner fester Bestandteil ihres Tagesablaufs – sie gingen zum Morgen- und Abendgottesdienst und dreimal am Sabbat.

Alfred Brager starb im Januar 1927 im Alter von 49 Jahren und hinterließ seine Frau mit sechs minderjährigen Kindern. Der als Nachzügler 1922 geborene Sohn Werner war gerade erst fünf Jahre alt.

Sally Brager besuchte seit 1923 die Talmud Tora Schule, wie auch seine älteren Brüder Siegmund und Ivan sowie später sein jüngerer Bruder Werner. Siegmund verließ das Institut im Februar 1927, um Kaufmann zu werden. Ein halbes Jahr später folgte ihm sein Bruder Ivan, um auf die Israelitische Gartenbauschule Ahlem bei Hannover zu wechseln. Vermutlich mussten die beiden älteren Brüder nach dem Tod ihres Vaters 1927 rasch einen Beruf erlernen, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Die beiden jüngeren Brüder – Sally und Werner – blieben auf der Schule. Wie lange Sally Brager sie besuchte, ist unbekannt, es ist kein Abgangszeugnis erhalten. 1930/31 war er nachweislich noch Schüler der 8. Klasse, wahrscheinlich verließ er die Schule danach.

Ab 1927/28 erscheint in den Schulakten als Adresse von Sally Brager das Waisenhaus, Papendamm 3. Vermutlich gab Martha Brager nach dem frühen Tod ihres Mannes den zwölfjährigen Sally ins Waisenhaus, da ihre Mittel für die Versorgung der drei jüngsten Kinder nicht ausreichten. Möglicherweise besuchte er als Halbwaise das Institut aber auch nur tagsüber. Der kleine Werner blieb bei seiner Mutter; Tochter Gretchen (geboren 1912), die Weißnäherin gelernt hatte, führte der Mutter bis zu ihrer Heirat im April 1938 den Haushalt.

Sally absolvierte nach der Schule eine Schlosserlehre, die er vier Jahre später als Geselle abschloss. Von 1935 arbeitete er wohl bis Januar 1940 als Schulwart in seiner ehemaligen Schule. Von seinem Lohn unterstützte er seine Mutter, daher war er von der Kultussteuer befreit.

Im September 1939 wurde die Talmud Tora Schule mit der Mädchenschule in der Karolinenstraße 35 zusammengelegt. Durch Auswanderung hatte sich zu diesem Zeitpunkt die Schülerzahl beider Schulen fast halbiert. Das Gebäude der Talmud Tora Schule wurde auf Beschluss von Reichsstatthalter Karl Kaufmann der Hansischen Hochschule für Lehrerbildung zur Verfügung gestellt. Der Verlust des Gebäudes im Grindelhof bedeutete für die Jüdische Gemeinde einen harten Schlag, denn dort fanden neben dem vormittäglichen Unterricht viele Veranstaltungen – von Sport bis zu Sprachkursen für erwachsene Auswanderer – statt, die sonst nirgendwo mehr möglich waren.

Nach dem Novemberpogrom 1938 begann die dritte Fluchtwelle der noch in Hamburg verbliebenen Jüdinnen und Juden. Auch für Sally Brager gaben diese dramatischen Ereignisse sicher den letzten Anstoß, einen Auswanderungsantrag zu stellen; ebenso wie für seine Schwester Gretchen und ihren Ehemann Ernst, die seit Dezember 1938 ihre Auswanderung zunächst in die USA, später dann nach England, vorantrieben. Nachdem Sally im Januar 1939 eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erhalten hatte, gab er im Fragebogen zur Auswanderung als Ziel Australien an. Dort wollte er als Schlosser arbeiten und so waren in der Bestandsliste seines Umzugsgutes neben Kleidung, "10–15 Büchern" auch "diverses Werkzeug, Zirkelkasten und Reissbrett" aufgeführt. Nach den erhaltenen Unterlagen scheint seiner Auswanderung nichts im Wege gestanden zu haben, doch dann verzögerte sich die Ausreise, weil Sally noch am 26. Februar 1939 heiratete. Denn nun, so wurde im Juni des Jahres auf seinem Antrag notiert, "müssen ganz neue Anträge gestellt werden". Als dann im September 1939 der Zweite Weltkrieg begann, war es zu spät.

Er heiratete Ilse Abraham, geboren am 12. April 1916 in Dornum/Ostfriesland. Sie war das jüngste von neun Kindern des Ehepaars Adolf Abraham (geboren 1872) und dessen Frau Rosette, geborene Rose (geboren 1875). Adolf entstammte einer Schlachterfamilie aus Rhede nahe der holländischen Grenze, und auch Rosette kam aus einer Schlachterfamilie, die schon seit Generationen in Dornum ansässig war. Adolf führte seinen Schlachtereibetrieb in der Bahnhofstraße des Ortes und gehörte außerdem dem Vorstand der örtlichen Synagoge an. Tochter Ilse besuchte die jüdische Volksschule, nach deren Schließung 1922 die staatliche Volksschule. Nach Beendigung der Schule arbeitete sie als "Haustochter" in einem Familienhaushalt. Im Juli 1933 verließ sie Dornum und ging nach Hamburg. Vermutlich folgte sie ihrem Bruder Moritz, der bereits seit 1926 in der Hansestadt wohnte und als Handelsvertreter sein Geld verdiente. Den Ausschlag für den Umzug der erst 17-jährigen Ilse nach Hamburg hatte allerdings wohl gegeben, dass sich Anfang 1933 im Dornumer Schloss eine SA-Führerschule niedergelassen hatte, deren Schüler die dortigen Jüdinnen und Juden zunehmend schikanierten.

Ihre erste Anstellung fand Ilse im Haushalt einer Familie in der Parkallee 5. 1936 wechselte sie in die Schlüterstraße 14 und schließlich arbeitete sie bis zu ihrer Hochzeit bei Fritz und Olga Meseritz (s. www.stolpersteine-hamburg.de.) im Jungfrauenthal 53. Diese Stelle übernahm sie wahrscheinlich von ihrer älteren Schwester Berta (geboren 1913), die bis zu ihrer Heirat mit Werner Beit (s. Grindelberg 90) bei dem Ehepaar Meseritz tätig gewesen war. Fritz Meseritz, ehemals erfolgreicher Mitinhaber der Firma "G. Stromeier & Co", trat bei Ilses Hochzeit neben Sallys Schwager Ernst als zweiter Trauzeuge auf. Die Hochzeit wurde bei Ilses Bruder Moritz gefeiert, der mit seiner Frau Irene (geborene Neugarten) eine Wohnung Ecke Rutschbahn/Grindelallee bewohnte. Die Trauung war eine der letzten, die der Oberrabbiner Carlebach vollzog.

Als Adresse Sally Bragers findet sich in den Adressbüchern von 1936 bis 1940 die Talmud Tora Schule, Grindelhof 30. Auf seiner Kultussteuerkarte erscheint als Wohnort auch der Grindelhof 38, ein Nebengebäude der Schule, das bis zum Frühjahr 1940 von dieser genutzt wurde. Der letzte Wohnort des Ehepaars Brager war das "Judenhaus" Rutschbahn 25; dort kam im November 1940 ihr Sohn Asriel zur Welt.

Sally Brager wurde am 8. November 1941 mit seiner Mutter Martha Brager und seinem erst 19-jährigen Bruder Werner nach Minsk deportiert. Werner hatte auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel gearbeitet und bis zur Deportation bei der Mutter in der Kielortallee 22 gewohnt.

Ilse Brager wurde zehn Tage später, am 18. November 1941, mit dem gemeinsamen Sohn Asriel, der noch kein Jahr alt war, nach Minsk deportiert. Mit dem gleichen Zug fuhren ihr Schwager Siegmund Brager, dessen Frau Liesel und die gemeinsame Tochter Bela (geboren am 23. September 1940) in den Tod.

Stand: Juli 2017
© Ute Harms

Quellen: 1; 2; StaH 314-15 Oberfinanzpräsident FVG 5692 u. 4404; StaH Bestand Talmud–Tora–Schule, S.1254, 1246, 1247; StaH 332-5 Standesämter 210 u. 11/1927; Gemeinde Dornum, Geburtsurkunde v. Ilse Abrahams; Lohmeyer: Brager, S. 112ff.; Lohmeyer: Neugarten, S. 409ff.; Lohmeyer: Beit, S. 76ff.; Randt: Die Talmud-Tora-Schule; Salomon: Eimsbüttler Facetten, S. 97f.; persönliche Auskünfte von Georg Murra-Wegner, Dornum.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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