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Valentina Brociner * 1909

Grindelhof 83 (Eimsbüttel, Rotherbaum)

1941 Minsk
ermordet

Weitere Stolpersteine in Grindelhof 83:
Leopold Bielefeld, Erna Brociner, Kurt Ehrenberg, Heinrich Kempler, Rosa Kempler, Herbert Lesheim, Bert(h)a Lesheim, Ruth Lesheim, Marion Lesheim, Tana Lesheim, Mary Liebreich, Hugo Moses, Bertha Nürenberg

Erna Brociner, geb. Hauptmann, geb. am 22.3.1883 in Dresden, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen
Valentina Brociner, geb. am 24.4.1909 in Dresden, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, dort umgekommen

Grindelhof 83

Erna Brociner, von Beruf Modistin, war verheiratet mit einem gelernten Hutmacher. Sie stellte Kopfbedeckungen für Frauen her, er für Männer. David Brociner, ihr Mann, stammte aus dem rumänischen Tulcea, beide hatten drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Sie lebten zunächst in Bukarest/Rumänien, wo am 30. September 1906 ihr ältester Sohn, Emanuel Mendel, zur Welt kam. Kurz danach erfolgte der Umzug nach Dresden. Dort wurden am 15. Oktober 1907 der zweite Sohn, Edward (ursprünglich Adolf), und am 24. April 1909 Valentina, die Jüngste, geboren.

1919 siedelte die Familie von Dresden nach Hamburg über, wo David Brociner als Hutmacher bei der Firma Trautwein arbeitete. Als er am 26. November 1921 seinen Arbeitsplatz verlor, machte er sich selbstständig und nahm nur noch "kommissionsmäßig Hüte zu Herrichtung" an. Der Grund für den Verlust des Arbeitsplatzes könnte ein Augenleiden gewesen sein. Sein eigenes Geschäft lief schlecht, bereits ein Jahr später war er auf öffentliche Fürsorge angewiesen. Ein Antrag auf Rente 1929 wurde abgelehnt, da er keine Anwartschaften erworben hatte. Späteren Angaben des Sohnes Emanuel zufolge, der die Shoah überlebte, wohnte die Familie bis 1934 in einer 5-Zimmer-Wohnung in der Mattentwiete 6. Wahrscheinlich kam nun Erna Brociner weitgehend für den Unterhalt der Familie auf.

1934 wurde Erna und David Brociners Ehe geschieden. 1937 tauchten im Hamburger Adressbuch unter dem Namen "Brociner" noch der Sohn Emanuel mit der Adresse "Tonndorfer Straße 10" sowie Erna mit der Adresse Hopfenmarkt 34 auf. 1939 übernahm sie die Wohnung in der Tonndorfer Straße. Emanuel hielt sich nicht mehr in Deutschland auf, er war bereits Ende November 1936 emigriert.

Die Tochter Valentina Brociner hatte in Hamburg die Israelitische Töchterschule besucht. Danach machte sie eine kaufmännische Lehre. Sie zog dann, wahrscheinlich zur Untermiete, in die Westerstraße 36, anschließend an den Hopfenmarkt 34 zu ihrer Mutter. Seit spätestens 1935 war Valentina bei der Jüdischen Gemeinde registriert, entrichtete jedoch von 1935 bis 1938 keine Beiträge. Zwar wurde auf der Karte "erwerbslos" angegeben, aber möglicherweise war sie in diesen Jahren nicht in Hamburg, sondern wohnte in Stadthagen, im heutigen Niedersachsen. Später arbeitete sie wieder in Hamburg, als Platzanweiserin im UFA-Kino, bevor sie zwangsweise in einer Jute- und einer Munitionsfabrik eingesetzt wurde. Zu der Zeit wohnte sie zusammen mit ihrer Mutter am Grindelhof 83. Ab Oktober 1939 zahlte sie wieder regelmäßig Kultussteuern in Hamburg und war bis 1941 als Zwangsarbeiterin tätig, wie aus der "Sammelbescheinigung der Versicherung" hervorgeht.

David Brociner musste im März 1935 seine Wohnung bzw. das Zimmer, in das er nach der Scheidung gezogen war, aus finanziellen Gründen aufgeben. Kurzzeitig zog er zu seiner Tochter, dann ins Daniel-Wormser-Haus. Ab dem 19. September 1941 musste er wie alle Jüdinnen und Juden den "Judenstern" tragen. Er starb am 24. März 1943. Das ärztliche Gutachten bescheinigte, er sei "an Entbehrung gestorben".

Auch Erna und Valentina Brociner trugen ab dem 19. September 1941 den "Judenstern". In ihre Wohnung am Grindelhof 83 waren 1941 noch zwangsweise Leopold Bielefeld (s. Grindelhof 83) und die Familie Ehrenberg (s. Grindelhof 64) einquartiert worden.

Am 8. November 1941 wurden Leopold Bielefeld und Kurt Ehrenberg nach Minsk deportiert und ermordet.

Zehn Tage später, am 18. November 1941, wurden auch Erna und Valentina Brociner sowie Gertrud Ehrenberg mit ihren kleinen Töchtern Inge und Lotte nach Minsk verbracht. Auch sie kamen dort alle ums Leben.

Emanuel Brociner erreichte Ende 1936 Holland, wo er von der Flüchtlingsfürsorge lebte. Über Marseille gelangte er im Januar 1939 nach Kolumbien. Die Schifffahrt wurde vom Komitee für jüdische Flüchtlinge Amsterdam organisiert und finanziert. In Kolumbien heiratete er Almira Sanodval, geboren am 20. Juli 1932. Das Ehepaar hatte drei Kinder. Seine erste Ehe in Hamburg mit einer nichtjüdischen Frau war zuvor geschieden worden. Die Scheidung war dem Ehepaar aus "rassischen" Gründen nahegelegt worden. Emanuel starb am 7. Februar 1976. Nach der Ausreise hatte er keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern und Geschwistern.

Adolf Brociner wanderte ebenfalls 1936 aus und ließ sich in New York nieder, wo er seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer verdiente. Dort änderte er wahrscheinlich auch seinen Vornamen in Edward. Er starb 1962 in New York.

Stand: Juli 2017
© Charlotte Wilken

Quellen: 1; 4; 8; 9; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung 34938.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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