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Salomon Franken * 1903
Breite Straße 56 (Altona, Altona-Altstadt)
HIER WOHNTE
SALOMON FRANKEN
JG. 1903
DEPORTIERT 1941
MINSK
ERMORDET
Weitere Stolpersteine in Breite Straße 56:
Berta Franken, Joachim Franken, Isidora Franken, Caecilie Meyer, Ursel Meyer, Thorwald Meyer
Thorwald Meyer, geb. am 24.10.1919 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel
Caecilie Meyer, geborene Haase, geb. 12.5.1884 in Znin (Polen), deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Ursel Meyer, geb. 24.10.1919 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Berta Franken, geb. 19.9.1936 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Joachim Franken, geb. 4.8.1932 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Isidora Franken, geb. 21.6.1910 in Hamburg, deportiert am 18.11.1941 nach Minsk
Stolperstein Hamburg-Altona-Altstadt, Breite Straße 56
Der Kaufmann Max Meyer, geboren am 7. Januar 1888 in Hamburg, Sohn eines Dekorationsmalers, und Caecilie Haase, geboren am 12. Mai 1884 in Znin bei Posen, hatten im Dezember 1906 in London geheiratet. Beide Eheleute bekannten sich zur jüdischen Religion. Caecilie Haase, verheiratete Meyer, hatte schon vor ihrer Ehe in Hamburg gelebt und hier am 30. Oktober 1903 ihren Sohn Martin geboren, dessen Vater wir nicht kennen.
Das Ehepaar Meyer ließ sich in Hamburg nieder und bekam hier seine fünf gemeinsamen Kinder: Margot, geboren am 13. August 1907, Isidora, geboren am 8. März 1910, Sophie, geboren am 13. Januar 1913, Ursel, geboren am 24. Oktober 1919, und Thorwald, geboren am 24. Oktober 1919.
Im Jahr 1917 stimmte Max Meyer zu, dass sein Stiefsohn Martin Haase künftig seinen Familiennamen tragen durfte. Diese Möglichkeit war durch § 1706 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches eröffnet worden, um "den Makel der unehelichen Geburt zu verdecken".
Die Familie Meyer konnte zunächst ein "gutes bürgerliches" Leben führen und sich Sommerreisen leisten. Max Meyer war einige Jahre als selbstständiger Reisender und Mitinhaber der Firma Bernfeld & Meyer tätig. Die Familie bewohnte eine Vier-Zimmer-Wohnung am Grindelberg 5/7, seit 1913 in der Vereinsstraße 5 im Stadtteil St. Pauli. Dies änderte sich, als die Firma im Jahre 1924 aufgelöst wurde. Danach gelang es Max Meyer trotz zahlreicher Bewerbungen nicht mehr, beruflich Fuß zu fassen. Die Familie lebte nun zunehmend von öffentlicher Fürsorge und Zuwendungen der Jüdischen Gemeinde.
Martin, der älteste Sohn, lebte in der Familie, bis er 1926 Hamburg mit unbekanntem Ziel verließ. Die anderen Kinder besuchten allgemeinbildende Schulen, von Thorwald ist bekannt, dass er eine "Hilfsschulklasse" der Talmud Tora Schule besuchte.
1930/1931 erhielt Max Meyer noch einmal kurzzeitig eine Beschäftigung als Schreiber beim Statistischen Landesamt der Stadt Hamburg. 1931 übersiedelte die Familie von der Vereinsstraße 5, in der sie 18 Jahre gewohnt hatte, in eine Vier-Zimmer-Wohnung in der Fruchtallee 121. Die Miete überstieg ihre finanziellen Möglichkeiten bei weitem, so dass der Eigentümer, Bürgermeister Carl Petersen, im März 1932 auf Zahlung des Mietrückstandes und Aufhebung des Mietverhältnisses klagte.
Max Meyer hatte weiterhin keine Beschäftigung, und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie verschlechterten sich zunehmend, sodass die Familie aus der zu teuren Wohnung in der Fruchtallee in den Eidelstedter Weg 62 umziehen musste.
Zu der wirtschaftlichen Misere kam eine weitere Belastung hinzu. In Max Meyers Fürsorgeakte ist vermerkt, Thorwald sei schwachsichtig und schiele, eine Augenoperation sei notwendig. Es findet sich jedoch kein Hinweis auf einen entsprechenden Eingriff. Wahrscheinlich musste Thorwald mit dieser Behinderung leben. Nun war er aber in den Blick der Gesundheitsverwaltung geraten. Der 17-Jährige, der noch bei seinen Eltern wohnte, kam am 14. Oktober 1936 in das Universitätskrankenhaus Eppendorf, wo er aufgrund des sogenannten Erbgesundheitsgesetzes unfruchtbar gemacht wurde. Die näheren Gründe und Umstände dieser Zwangsmaßnahme sind nicht überliefert. In Max Meyers Fürsorgeakte findet sich lediglich Thorwalds Aufnahmebogen des Universitätskrankenhauses Eppendorf zum Zweck der Sterilisation.
Max Meyer war ab Mitte 1937 zu sogenannten Unterstützungsarbeiten in Waltershof und an verschiedenen anderen Orten zwangsverpflichtet worden. Unterstützungs- oder Pflichtarbeit wurde erwerbslosen Männern und Frauen auferlegt, die Arbeitslosen- und Fürsorgeunterstützung erhielten. Juden wurden zu schwersten Erdarbeiten herangezogen. In Waltershof mussten die Männer auf einem Schlickfeld Sport- und Spielplätze für die dortige Kindertageskolonie und ein Kleingartengelände anlegen.
Im Februar 1939 stand ein erneuter Wohnungswechsel für die Familie Meyer an. Die neue Adresse lautete jetzt Lutterothstraße 6, zwei Monate später am 24. April 1939 erfolgte ein weiterer Umzug in die Breite Straße 56 in Altona. Max Meyer versuchte, einen Ausweg aus den Diskriminierungen sowie der wirtschaftlichen Misere zu finden und beantragte im Juni 1939 eine Ausreiseerlaubnis nach Alexandrette in Syrien. Obwohl für seine Ehefrau Caecilie und für seinen Sohn Thorwald die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des Oberfinanzpräsidenten vorlag, kam es nicht zu der Flucht. 1940 unternahm Max Meyer einen zweiten Auswanderungsversuch, nun mit dem Ziel Shanghai. Diesmal hatte er Erfolg, jedoch konnte er Deutschland nur allein verlassen und lebte dort nach seiner Ausreise im Juli 1940 unter elenden Bedingungen bis August 1945.
Zum Zeitpunkt der Ausreise seines Vaters befand sich Thorwald Meyer im Versorgungsheim Farmsen, nachdem er Mitte 1939 aus seiner Familie genommen und dort eingewiesen worden war. Über die Gründe für diese Maßnahme ist nichts bekannt.
Im Frühjahr/Sommer 1940 plante die "Euthanasie"-Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, eine Sonderaktion gegen Juden in öffentlichen und privaten Heil- und Pflegeanstalten. Sie ließ die in den Anstalten lebenden jüdischen Menschen erfassen und in sogenannten Sammelanstalten zusammenziehen. Die Heil- und Pflegeanstalt Hamburg-Langenhorn wurde zur norddeutschen Sammelanstalt bestimmt. Alle Einrichtungen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg wurden angewiesen, die in ihren Anstalten lebenden Juden bis zum 18. September 1940 dorthin zu verlegen.
Thorwald Meyer traf am 18. September 1940 in Langenhorn ein. Am 23. September 1940 wurde er mit weiteren 135 Patientinnen und Patienten aus norddeutschen Anstalten nach Brandenburg an der Havel transportiert. Der Transport erreichte die märkische Stadt noch an demselben Tag. In dem zur Gasmordanstalt umgebauten Teil des ehemaligen Zuchthauses trieb man die Patienten umgehend in die Gaskammer und ermordete sie mit Kohlenmonoxyd. Nur Ilse Herta Zachmann entkam zunächst diesem Schicksal (siehe dort).
Es ist nicht bekannt, ob und ggf. wann Angehörige Kenntnis von Thorwald Meyers Tod erhielten. In allen dokumentierten Mitteilungen wurde behauptet, dass der oder die Betroffene in Chelm (polnisch) oder Cholm (deutsch) östlich von Lublin verstorben sei. Die in Brandenburg Ermordeten waren jedoch nie in Chelm/Cholm. Die dort früher existierende polnische Heilanstalt bestand nicht mehr, nachdem SS-Einheiten am 12. Januar 1940 fast alle Patienten ermordet hatten. Auch gab es in Chelm/Cholm kein deutsches Standesamt. Dessen Erfindung und die Verwendung späterer als der tatsächlichen Sterbedaten dienten dazu, die Mordaktion zu verschleiern und zugleich entsprechend länger Verpflegungskosten einfordern zu können.
Nur wenige Angehörige der Familie Meyer überlebten den Holocaust.
Thorwald Meyers Mutter Caecilie wurde zusammen mit ihren Töchtern Ursel und Isidora, verheiratete Franken, sowie deren Kindern Joachim, geboren am 4. August 1932, und Berta, geboren am 19. September 1936, am 18. November 1941 nach Minsk deportiert und ermordet. Isidora Frankens Ehemann, der Schlachter Salomon Franken, geboren am 21. Juni 1903 in Hackenbroich (heute ein Stadtteil von Dormagen), wurde bereits am 8. November 1941 nach Minsk deportiert. Die Familie Franken hatte mehrere Jahre im Scheideweg 35, Hs. 2, im Stadtteil Hoheluft-West, und in der Treskowstraße 10 in Eimsbüttel gewohnt. Sie hatte kaum eigenes Einkommen und musste in den 1930er Jahren von Wohlfahrtsunterstützung leben. Salomon Franken wurde zur Pflichtarbeit herangezogen. Ihre letzte Adresse lautete Breite Straße 56 bei Meyer in Altona-Altstadt. Hier soll ein Stolperstein auch an Salomon Franken erinnern.
Sophie Meyer, ihr Ehemann Werner Behrens und die beiden Söhne Alfred, geboren am 7. September 1935 in Hamburg, und Uri, geboren am 22. November 1938 ebenfalls in Hamburg, kamen ums Leben, nachdem sie am 25. Oktober 1941 von Hamburg nach "Litzmannstadt” (Łódź) deportiert worden waren. Für Sophie, Werner, Uri und Alfred Behrens liegen Stolpersteine in der Rappstraße 10 in Hamburg-Rotherbaum.
Margot Meyer hatte Siegbert Salomon Wehl, geboren am 24. Mai 1905 in Hamburg, geheiratet. Sie wanderten mit ihren beiden Söhnen Heinz, geboren am 29. Juli 1933, und Hans-Ulrich, geboren am 17. Februar 1938, im Januar 1939 in die Niederlande aus. Ihr weiteres Schicksal kennen wir nicht. Siegbert Salomon Wehl war der Sohn von Lina Wehl, die ebenfalls am 23. September 1940 aus Langenhorn nach Brandenburg transportiert und dort ermordet wurde (siehe dort).
Über das Schicksal von Martin Meyer, dem ältesten Sohn des Ehepaares Meyer, der Hamburg 1926 verlassen hatte, ist nichts bekannt.
Stand: November 2017
© Ingo Wille
Quellen: 1; 4; 5; 6; 9; AB; StaH 133-1 III Staatsarchiv III, 3171-2/4 U.A. 4, Liste psychisch kranker jüdischer Patientinnen und Patienten der psychiatrischen Anstalt Langenhorn, die aufgrund nationalsozialistischer "Euthanasie"-Maßnahmen ermordet wurden, zusammengestellt von Peter von Rönn, Hamburg (Projektgruppe zur Erforschung des Schicksals psychisch Kranker in Langenhorn); 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht – Strafsachen 1749-37 Salomon Franken; 332-5 Standesämter 1038 Sterberegister Nr. 221/1935 Joseph Meyer, 14010 Geburtsregister Nr. 2804/1903 Martin Meyer; 314-15 Oberfinanzpräsident FVg 8726 Max Meyer; 351-11 Amt für Wiedergutmachung 10300 Max Meyer; 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge – Sonderakten 1170 Salomon Franken, 1560 Max Meyer; 351-15 Sozialverwaltung – Personalakte 1560 Thorwald Meyer, 352-8/7 Staatskrankenanstalt Langenhorn Abl. 1/1995 Aufnahme-/Abgangsbuch Langenhorn 26.8.1939 bis 27.1.1941; 424-111 Amtsgericht Altona 64389 Todeserklärungen. Baumgarten, Steffen, Die Entstehung des Unehelichenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, Köln 2007, S. 101. Lohalm, Uwe, Fürsorge und Verfolgung. Öffentliche Wohlfahrtsverwaltung und nationalsozialistische Judenpolitik in Hamburg 1933 bis 1942, Hamburg 1998, S. 35, 52.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".