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Emma Cohn * 1871

Isestraße 98 (Eimsbüttel, Harvestehude)


HIER WOHNTE
EMMA COHN
JG. 1871
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
16.7.1942

Weitere Stolpersteine in Isestraße 98:
Anna Friedmann, Sallo Friedmann, Amalie Hirschel, Johannes Kahn, Jenni Kahn

Emma Cohn, geboren am 1.7.1871, Flucht in den Tod am 16.7.1942

Isestraße 98 Eimsbüttel

Emma Cohn wurde am 1.7.1871 als erstes von sechs Kindern der jüdischen Eheleute Michael und Charlotte Cohn, geb. Brager, in der Mathildenstraße 9/ St. Pauli geboren. Ihre Eltern heirateten am 21. Dezember 1875 in Hamburg, als bereits drei von sechs Kindern auf die Welt gekommen waren. Der Vater arbeitete als Kaufmann und Spediteur, die Mutter als Stellenvermittlerin. Wir wissen über Emma Cohns Kindheit nur, dass sie nicht jüdisch erzogen wurde.
(Charlotte Cohn verstarb am 9. November 1902 und Michael Cohn am 25. März 1917 in Hamburg. Beide wurden auf dem jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt).

Emma Cohn wurde am 1. April 1892 in den Volksschuldienst als Junglehrerin eingestellt. Wo und wann sie ihr Lehrerinnenseminar absolviert hatte, wissen wir nicht. Sie begann ihre berufliche Tätigkeit in der Mädchenschule Paulinenplatz 6 in Altona-Altstadt.

Als Lehrerin war Emma Cohn dem Zölibat verpflichtet: Seit 1880 untersagte ein Erlass Lehrerinnen die Heirat bzw. sie verloren bei einer solchen ihre Anstellung und die Rentenansprüche.

Vier Jahre nach ihrem Berufsbeginn bezog Emma Cohn die erste Wohnung im zweiten Stock in der Straße Reeperbahn 5 in/ St. Pauli. Kurze Zeit später wechselte sie in die Neue Rosenstraße 3/ St. Pauli zur Untermiete bei Herrmann.

Emma Cohn trat der Berufsvereinigung "Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens" (spöttisch "Genitivverein" genannt) bei. Damit verbesserte sie ihre materielle Versorgung auch nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst und konnte auch an Fortbildungen teilnehmen. Am 1. April 1896 erfolgte ihre Festanstellung als Lehrerin in der Volksschule Paulinenplatz 6.

Emma Cohn wechselte häufig ihre Wohnadressen, teils bedingt durch die Arbeitsstelle, teils wohl aus anderen Gründen. Von 1897 bis 1901 wohnte sie in der Virchowstraße 8 in Altona. Im Anschluss daran zog sie in die in die Kaiser-Wilhelm-Straße 116 in der Neustadt, es folgte eine Wohnung in der Annenstraße 10, wieder auf St. Pauli.

1906 wechselte Emma Cohn in die 1884 gegründete Volksschule Schanzenstraße 105 auf der Sternschanze und mietete eine Wohnung in der nahen Schanzenstraße 110. Mit dem Schulwechsel gab sie ihre Zugehörigkeit in der Berufsvereinigung auf.

Sie wohnte von 1907 bis 1912 in der Hasselbrookstraße 22 in Eilbek. Am 1. November 1911 wurde Emma Cohn mit gerade mal 40 Jahren in den Ruhestand entlassen. Wir wissen nicht, ob freiwillig oder gezwungenermaßen und auch die Gründe sind uns nicht bekannt.

Sie wohnte von 1913 bis 1915 in der Hasselbrookstraße 17 in Eilbek. In den Adressbüchern von 1915 bis 1924 fehlen die Einträge zu einer Wohnadresse von Emma Cohn. Vielleicht wohnte sie ohne Eintragung zur Untermiete, vielleicht aber reiste sie in dieser Zeit viel, denn sie besaß für den Zeitraum von 1914 bis 1928 einen Reisepass.

Vermutlich unterstützte sie in dieser Zeit auch ihre Schwester Bertha Fischborn bei der Pflege ihres Vaters, der am 25. März 1917 nach langer Krankheit in der Wohnung Beim Schlump 2 a in Eimsbüttel verstarb.

Den Akten ist zu entnehmen, dass der Zusammenhalt der Familie Cohn sehr groß gewesen sein muss. Die Geschwister unterstützten sich gegenseitig in jeder Beziehung finanziell und emotional.

1925 verzeichneten die Hamburger Adressbücher Emma Cohn wieder, nun in der Parkallee 26 in Harvestehude im II Stock.

Die Schule Schanzenstraße 105 in der Sternschanze führte Emma Cohn von 1925 bis 1930 trotz ihres Ruhestandes noch als Ersatzlehrerin. D.h. sie sprang hin und wieder kurzfristig ein, wenn Kolleginnen fehlten. Leben musste sie davon nicht: Durch ihre Berufstätigkeit hatte sie sich durch einen Anspruch auf Pensionsbezüge gesichert und bestritt damit ihren Lebensunterhalt.

Sie wohnte von 1928 bis 1931 in der Grindelallee 176/ Eimsbüttel im 2. Stock und zog anschließend die Schlüterstraße 24 in Rotherbaum.

1931 zahlte sie letztmalig Kultussteuern an die Jüdische Gemeinde, dann trat sie aus derselben aus galt fortan als "glaubenslos".

Sie zog von 1932 bis 1933 in den Jakob Moresweg 2/ Barmbek, wohnte von 1934 bis 1935 in der Isestraße 98 (wo der Stolperstein für sie verlegt wurde), 1936 bis 1939 in der Lenhartzstraße 3 und 1940 in der Frickestraße 24.

1939 musste Emma Cohn wie alle "Volljuden" Mitglied der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland werden und dafür der Jüdischen Gemeinde Hamburgs, die sich nun Jüdischer Religionsverband e.V. nennen musste und Teil dieser Reichsvereinigung geworden war, beitreten und wieder regelmäßig Abgaben entrichten. (Auf ihrer Kultussteuerkartei gibt es einen Eintrag mit der Adresse Sierichstraße 68 in Winterhude mit dem Zusatz "Briefkasten". Sie hat an dieser Adresse nie gewohnt. Wofür sie diese Adresse genutzt hat, wissen wir nicht.)

Am 9. Juli 1940 musste Emma Cohn aus ihrem Einlagenkonto bei der Oldenburgischen Landesbank in Jever per Anordnung der Oberfinanzdirektion 2.672,65 RM an die Reichsvereinigung der Juden zahlen. Dieses Geld stammte aus ihrer Zeit als Lehrerin und war für ihre Altersvorsorge gedacht gewesen.

Am 26. April 1941 zog sie in das Haus Beneckestraße 6, das dem Jüdischen Religionsverband gehörte und als "Judenhaus" bzw. Altersheim genutzt wurde. (Die Straße existiert heute nicht mehr, sie führte über den jetzigen Universitätscampus). Emma Cohn lebte nun mit anderen Hausbewohnern auf engstem Raum zusammen. Von Privatsphäre gab es keine Spur mehr. Laut Vermerk in den Akten des Amtes für Wiedergutmachung standen die Hausbewohner unter besonderem Druck, denn unten in Haus soll sich ein Büro der Gestapo befunden haben.

Da Emma Cohn mittlerweile über 70 Jahre alt war, war sie wie andere über 65jährige zunächst von den Deportationen zurück gestellt worden. Am 15. und 17. Juli 1942 wurden diese nun zu den ersten großen "Alterstransporten" nach Theresienstadt aufgerufen. Emma Cohn und ihr Bruder John Kronach (früher Cohn) erhielten den Deportationsbefehl für den 15. Juli 1942.

Um der geplanten Deportation zu entgehen, unternahm Emma Cohn am 14. Juli 1942 in ihrem Zimmer mit Barbituraten einen Suizidversuch. Sie wurde gefunden, in das Jüdische Krankenhaus in der Johnsallee eingeliefert und verstarb dort zwei Tage später, am 16. Juli 1942, um 22.15 Uhr.

Ihr Bruder John Kronach beging am selben Tag in seiner Wohnung in der Hammer Landstraße 219 in Hamm Suizid, ebenfalls mit Barbituraten. Er verstarb noch am gleichen Tag. (siehe www.stolpersteine-hamburg.de).

Die Gestapo strich am 15. Juli 1942 Emma Cohns Namen auf der Deportationsliste ebenso wie die SS bei der Ankunft in Theresienstadt, sie vermerkte zu ihr noch "nicht angekommen".

Die sterblichen Überreste der Geschwister wurden wenige Tage später auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf Ilandkoppel beigesetzt.

Am 4. November 1942 zog die Oberfinanzdirektion Emma Cohns restliches Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches ein.

Zum Schicksal der Geschwister von Emma Cohn:

Julius Cohn (geb. 2.7.1872) war am 18. November 1872 in Hamburg verstorben, er wurde auf dem Grindelfriedhof beigesetzt (der heute nicht mehr existiert).

Cäcilie Cohn (geb. 30.4.1877) wurde am 7. März 1930 tot in ihrer Wohnung aufgefunden.

John Kronach (ursprünglich Cohn) (geb. 5.8.1874) hatte Ella Baumann geheiratet, die am 9. Januar 1928 verstarb und dem Jüdischen Friedhof Ilandkoppel beigesetzt wurde. John – siehe oben - beging am 14. Juli 1942 Selbstmord. An ihn erinnert ein Stolperstein in der Hegestraße 41 in Eppendorf. Sein einziger Sohn Fritz Kronach (geb. 20.12.1909) konnte 1939 nach Australien flüchten.

Selma Schümann, geb. Cohn (geb. 9.5.1876) beging nur drei Tage nach ihren Geschwistern Emma und John am 17. Juli 1942 mit Morphin-Spritzen Selbstmord. Sie hatte vor der NS-Zeit den Austernkeller am Jungfernstieg betrieben. Ihr Stolperstein liegt am Jungfernstieg 34/ Neustadt. Siehe: www.stolpersteine-hamburg.de

Bertha Cohn (geb. 4.8.1881), verheiratet mit Max Fischborn, nahm sich gemeinsam mit ihrem Mann am 3. September1943 das Leben. An das Ehepaar erinnern Stolpersteine in der Rothenbaumchaussee 34 (siehe: www.stolpersteine-hamburg.de.) Die einzige Tochter Lotti Fischborn musste 1934 ihr Medizinstudium abbrechen. Sie flüchtete am 10. Dezember 1934 nach Südafrika und gelangte am 16. Januar 1935 in Kapstadt an. Dort heiratete sie später Gustav Alwin Fischer (geb. 11.12.1908), setzte ihr Studium in Johannesburg fort und bestand am 4. August 1939 ihre Abschlussprüfung. Sie arbeitete dann als praktische Ärztin in Johannesburg.

Stand: April 2021
© Bärbel Klein

Quellen: StaH; 1; 4; 5; 8; 351-11_9309; 331-5_3 Akte1167/1942; 213-13_6054 Fischer; 213-13_6055 Fischborn; 213-13_10033 Kronach; 213-13_15945 Cohn; 213-13_29186 Fischborn; 214-1_246 Fischborn; 231-5_4343; 351-11_9309 Schümann; 351-11_35162 Kronach; 351-11_37055 Fischer; 351-11_32899 Fischer; 411-2_II N 5629 Brager; 331-5_1942/1195; 331-5_1942/1159; 332-3_966/1871; 332-3_1123/1872; 332-3_1372/1874; 332-5_2290/1876; 332-5_2140/1877; 332-5_2183/1881; 332-5_1601/1902; 332-5_282/1908; 332-5_333/1908; 332-5_288/1913; 332-5_224/1917; 332-5_137/1930; 332-5_351/1942; 332-5_377/1942; 332-5_514/1942; 332-5_279/1943; 332-5_280/1943; 411-2 II N 5629; 213-13_15945; Gräber jüdischer Friedhof Ilandkoppel; Bibliothek Hamburgisches Lehrerverzeichnis A 576/0001; Irmgard Stein, Jüdische Baudenkmäler in Hamburg, Hans Christians Verlag, 1984 erschienen; www.wikipedia.de; www.ancestry.de (Einsicht 4.11.2020); https://www.statistik-des-holocaust.de/list_ger_nwd_420715.html (Einsicht 5.4.2021).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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