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Elsa Delbanco (geborene Löwinberg) * 1879

Grasweg 38 (Hamburg-Nord, Winterhude)


HIER WOHNTE
ELSA DELBANCO
GEB. LÖWINBERG
JG. 1879
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
17.11.1941

Elsa Delbanco, geb. Loewinberg, geb. 23.10.1879 in Hamburg, gestorben 17.11.1941 in Hamburg (Suizid)

Grasweg 38

Elsa Delbanco war die Tochter von Albert Loewinberg (geb. 1845 in Ortwig/ Brandenburg) und seiner Frau Marianne, geb. Gans, verwitwete Levy (geb. 1839 in Hamburg), die 1878 in Hamburg geheiratet hatten. Albert Loewinberg, Sohn von Moses Loewinberg und Fanny geb. Ehrlich (1822–1886), betrieb seit 1877 eine Vertretung und Exportagentur für Textilien in der Hamburger Innenstadt; dabei wechselte die Geschäftsadresse häufig. Die Schwester Olga Loewinberg wurde drei Jahre nach Elsa geboren. Die Familie zog mehrfach innerhalb Hamburgs um und wohnte Colonnaden 18 (1879–1884), Alsterufer 11 (1885–1888), Grindelallee 43 (1889–1890), Klosterallee 9 (1891–1904), Dockenhuden bei Blankenese (1905–1910) und Woldsenweg 12 (u. a. 1911–1927). Die Mutter starb 1919 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt. Der Vater lebte noch einige Jahre länger und zog in die Dorotheenstraße 49 (Winterhude). Er nahm vor 1925 Otto Mende (Nienstedten) als Compagnion in die Firma auf, um so den Nachfolger gut einführen zu können.

Albert Loewinbergs Bruder oder Cousin Louis Loewinberg (geb. 19.1.1861 in Ortwig/Brandenburg) wohnte seit mindestens 1882 in Hamburg, er heiratete 1891 Mathilde Levy (geb. 1868 in St. Thomas/ West-Indien) und hatte mit ihr einen Sohn (Herbert Alexander Loewinberg). Louis Loewinberg erhielt 1911 das Hamburger Bürgerrecht. Er hatte 1882 in Hamburg unter seinem Namen eine Fondsbank mit Vertretung auswärtiger Häuser gegründet und arbeitete in der Hansestadt als Fondsmakler. Er starb 1919 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Hamburg-Ohlsdorf beigesetzt. Seine Ehefrau lebte zuletzt im Jungfrauenthal 24 bei Heinemann und emigrierte 1938 nach London.

Elsa Loewinberg besuchte in Hamburg eine Privatschule und heiratete am 3. April 1904 den Hamburger Kaufmann Walther Delbanco (geb. 13.8.1875 in Hamburg), Sohn von Kaufmann Gustav Delbanco (1832–1893) und Gitel Delbanco geb. Delbanco (1837–1904). Die frisch vermählten Eheleute zogen in die Papenhuderstraße 12 (Hohenfelde); hier wurde die gemeinsame Tochter Nora Gertrud am 12. Februar 1905 geboren. Walther Delbanco war zusammen mit Ernst Salomonsohn Inhaber der 1894 gegründeten Im- und Exportfirma J. Becker & Co. (Graskeller 1) und hatte zudem 1903 zusammen mit Ernst Salomonsohn die Außenhandelsfirma Walther Delbanco & Co., Im- und Export u. a. von Kork, Kautschuk und Futtermitteln gegründet (davor 1899–1903 Simon & Delbanco). Doch die Firma ging in Insolvenz – in dieser Situation erschoss sich Walther Delbanco im November 1907 auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Die verwitwete Elsa Delbanco zog mit ihrer Tochter von der Papenhuderstraße 12 in die Hochallee 125 (Harvestehude), wo sie von 1911 bis 1932 wohnte. Finanziell unterstützt wurde die junge Witwe von ihrem Schwager Ludwig Delbanco (1870–1935), Inhaber der Im- u. Exportfirma S.R. Levy & Co. (gegründet 1863). Danach wohnte sie in der Riststraße 3 III. Stock (1933–1938) und ab 1939 im Haus Grasweg 38 I.Stock, das ihrem Schwager Ludwig Delbanco gehörte. Gertrud Matthies (1890–1965), die Schwester des Kaufmanns Felix Matthies (siehe dessen Biografie) wohnte bei ihr zur Untermiete bis zur Emigration 1940. Nach dem Tod des Schwagers führte seine Witwe Elsa Delbanco geb. Schlenker (geb. 26.10.1876 in Hamburg) die finanzielle Unterstützung für Elsa Delbanco geb. Loewinberg bis zu ihrer Emigration 1938 nach London fort. Die Firma S. R. Levy & Co. wurde vom NS-Staat "arisiert", der sich große Geldsummen schrittweise aneignete, die die emigrierten Verwandten der Delbanco-Familie ihr hinterlassenen hatten.

Die Schwester Olga Loewinberg (geb. 25.2.1882 in Hamburg) heiratete den späteren Legationsrat Fritz Bischof, sein Titel deutet auf eine Tätigkeit im Auswärtigen Amt hin. Seit mindestens 1933 wohnten die Eheleute in Berlin-Schmargendorf in der Ennostraße 70, ab 1935 wurden sie in dem Verzeichnis mit der Adresse Berlin-Halensee (Grunewald) in der Hobrechtstraße 13/15 notiert. Letztmalig 1936 erschien der Name des Ehemanns im Berliner Adressbuch, danach stand vor dem Namen von Olga Bischof im Adressbuch der Zusatz "Ww" für Witwe. Noch im Berliner Adressbuch von 1943 war Olga Bischof unter dieser Wohnadresse notiert, wahrscheinlich hat sie zu diesem Zeitpunkt dort aber nicht mehr gewohnt. Sie emigrierte vermutlich 1941 und nahm 1948 die US-Staatsbürgerschaft an.

Der Schwager, Professor Dr. Ernst Delbanco (geb. 21.2.1869 in Hamburg), ein renommierter Dermatologe, Honorarprofessor und Leiter der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten im Krankenhaus Barmbek, nahm sich nach seiner Entlassung aus Klinik und Universität im März 1935 mit Zyankali das Leben (siehe dessen Biografie). Für ihn wurden Stolpersteine vor seinem Wohnhaus Alte Rabenstraße 12 (Rotherbaum) und vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg in der Edmund-Siemers-Allee 1 (Rotherbaum) verlegt.

Auf der Karteikarte der jüdischen Gemeinde stand bei Elsa Delbanco "konfessionslos"; nach den Rassegesetzen des Nationalsozialismus galt sie jedoch als jüdisch und gehörte deshalb ab 1939 zwangsweise dem "Jüdischen Religionsverband Hamburg" an.

Per Post wurde ihr der "Evakuierungsbefehl" zugestellt. Die für den 18. November 1941 organisierte Deportation von 400 Jüdinnen und Juden hatte das Getto Minsk im okkupierten Weißrußland zum Ziel. Diesen Weg wollte Elsa Delbanco nicht mehr gehen. Am 17. November 1941 nahm sie in ihrer Wohnung eine Überdosis Veronaltabletten. Sie starb im Israelitischen Krankenhaus in der Johnsallee 68 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Ohlsdorf im Familiengrab der Loewinbergs beigesetzt.

Zum Nachlasspfleger wurde am 22. Dezember 1941 Albert Holländer bestellt, der den Hausrat über das Auktionshaus Elsas versteigern ließ.

Elsa Delbancos Tochter Nora, die Anfang 1937 Leo Rosenberg (1893–1949) geheiratet hatte, emigrierte mit ihm im Mai 1937 nach Santiago de Chile. Die kurz darauf erlassene Einwanderungssperre für Chile verhinderte, dass die Mutter nachfolgte.

Stand April 2015

© Björn Eggert, Ulrike Sparr

Quellen: Staatsarchiv Hamburg (StaHH) 332-5 (Standesämter), 2592 u. 1537/1878 (Heiratsregister 1878, Albert Loewinberg u. Mariane Gans verw. Levy); StaHH 332-5 (Standesämter), 1959 u. 4940/1879 (Geburtsregister 1879, Elsa Loewinberg); StaHH 332-5 (Standesämter), 2026 u. 1125/1882 (Geburtsregister 1882, Olga Loewinberg); StaHH 332-5 (Standesämter), 8631 u. 188/1904 (Heiratsregister 1904, Walther Delbanco u. Elsa Loewinberg); StaHH 332-5 (Standesämter), 9676 u. 154/1907 (Sterberegister 1907, Walther Delbanco); StaHH 332-5 (Standesämter), 9772 u. 180/1919 (Sterberegister 1919, Mariane Loewinberg); StaHH 332-5 (Standesämter), 8174 u. 390/1941 (Sterberegister 1941, Elsa Delbanco); StaHH 351-11 (Amt für Wiedergutmachung), 29708 (Nora Gertrud Groedner verw. Rosenberg geb. Delbanco); StaHH 351-11 (AfW), 3413 (Elsa Delbanco geb. Schlenker); StaHH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992b (Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg), Elsa Delbanco geb. Loewinberg, Ludwig Delbanco u. Elsa Delbanco geb. Schlenker, Albert Loewinberg, Marianne Loewinberg, Gertrud Matthies; StaHH 522-1 (Jüdische Gemeinden), 992e 1 Bd. 2, 3, 4 (Deportationslisten Minsk 8.11.1941, Minsk 18.11.1941, Riga 6.12.1941); StaHH 731-8 (Zeitungsausschnittsammlung ZAS), A 754 (Delbanco, Walther), Artikel aus Hamburger Nachrichten vom 6.11.1907 zu "Walther Delbanco & Co. (vermutlich Wirtschaftsteil) ; StaHH 741-4 (Alte Einwohnermeldekartei mikroverfilmt), Elsa Loewinberg, Louis Loewinberg, Walther Delbanco; Hamburger Adressbuch 1884–1886, 1888–1892, 1895, 1900–1901, 1903–1905, 1909–1912, 1914, 1918, 1920, 1925, 1930, 1932–1939; Amtliche Fernsprechbücher Hamburg, 1898, 1904–1907, 1910, 1914, 1920, 1931; Amtliches Branchenfernsprechbuch Hamburg 1925; Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1910, S. 404 (Albert Loewinberg; Louis Loewinberg); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1926, S. 640 (Albert Loewinberg, Inhaber Albert Loewinberg u. Otto Munde); Hamburger Börsenfirmen, Hamburg 1935, S. 526 (Albert Loewinberg, Inhaber Otto Munde u. Erich Hebestreit); Staatsarchiv Hamburg, Gedenkbuch. Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg 1995, S. 79 (Elsa Delbanco geb. Loewinberg); Yad Vashem; Jüdischer Friedhof Hamburg-Ohlsdorf, Gräberkartei im Internet (Grab-Nr. B9-249 Marianne Loewinberg, Grab-Nr. C9-265 Louis Loewinberg, Grab-Nr. C9-263 Elsa Delbanco und Nora Rosenberg Delbanco); Landkreis Märkisch-Oderland, Kreisarchiv, Sterbenachweis 16/1886 (Fanny Loewinberg geb. Ehrlich); Berliner Adressbuch 1933–1939, 1942–1943; www.ancestry.de, Einbürgerungsregister der USA (19.7.1948 Olga Bishop, Berkeley/ California), Passagierliste (Schiff "SS Vila de Madrid" von Barcelona nach New York, 2.6.–13.7.1941).

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