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Bereits verlegte Stolpersteine



Kurt Cossmann * 1930

Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße) (Hamburg-Mitte, Neustadt)


HIER WOHNTE
KURT COSSMANN
JG. 1930
DEPORTIERT 1941
ERMORDET IN
MINSK

Weitere Stolpersteine in Großneumarkt 38 (vorm. Schlachterstraße):
Hanna Aghitstein, Julie Baruch, Ludwig Louis Baruch, Julius Blogg, Rebecca Blogg, Mathilde Cossmann, Frieda Dannenberg, Alice Graff, Leopold Graff, Flora Halberstadt, Elsa Hamburger, Herbert Hamburger, Louis Hecker, Max Hecker, Marianne Minna Hecker, Lea Heymann, Alfred Heymann, Wilma Heymann, Paul Heymann, Jettchen Kahn, Adolf Kahn, Curt Koppel, Johanna Koppel, Hannchen Liepmann, Henriette Liepmann, Bernhard Liepmann, Johanna Löwe, Martin Moses, Beate Ruben, Flora Samuel, Karl Schack, Minna Schack, Werner Sochaczewski, Margot Sochazewski, verh. Darvill, Sophie Vogel, Sara Vogel

Kurt Eduard Cossmann, geb. am 17.6.1930 in Hamburg, deportiert nach Minsk am 18.11.1941
Mathilde Cossmann, geb. am 22.6.1908 in Hamburg, deportiert nach Minsk am 18.11.1941

Großneumarkt 38 (Schlachterstraße 49)

Mathilde Cossmann war am 22. Juni 1908 in der Michaelisstraße 2 in der Hamburger Neustadt zur Welt gekommen. Ihre Eltern, der Buchbinder Eduard Cossmann (geb. 1877 in Hamburg, gest. 1925 in Hamburg) und die Erzieherin Rosalie, geb. Asser (geb. 1876 in Altona), hatten im Dezember 1906 geheiratet. Eduard hatte bereits einen Sohn, Jonny, den Sophie Gramkow (geb. 1871) im Mai 1901 zur Welt gebracht hatte. Sie war wenige Tage nach der Geburt gestorben. Eduard ließ seinen Sohn im Januar 1902 für ehelich erklären. Er trug nun den Nachnamen Cossmann.

Jonny Cossmann heiratete 1921 die nichtjüdische Charlotte Ditmar (geb. 1901 in Lüneburg). Das Paar bekam zwei Kinder. 29-jährig starb Jonny Cossmann im Januar 1930 an Lungentuberkulose.

Nachdem das erste gemeinsame Kind der Eheleute Eduard und Rosalie Cossmann, ein Mädchen, 1907 tot geboren worden war, kamen Mathilde 1908 und Frieda im November 1914 zur Welt. Über Friedas Lebensweg wissen wir nichts, bekannt ist lediglich, dass sie ab April 1934 in Berlin lebte.

Über Mathildes Schulzeit wissen wir ebenfalls nichts. Ein Eintrag auf ihrer Kultussteuerkarte der Jüdischen Gemeinde weist sie als Hausangestellte aus. Sie lebte in der Friedrichsbader Straße 34 in Altona, zusammen mit ihrem Halbbruder Jonny, seiner Familie und ihrer seit 1925 verwitweten Mutter Rosalie. Nach Jonny Cossmanns Tod löste sich die Wohngemeinschaft auf.

In dieser Zeit muss Mathilde Henry Möller, ebenfalls aus Altona, kennengelernt haben. 1929 wurde sie von ihm schwanger. Ihr Sohn Kurt Eduard kam am 17. Juni 1930 zur Welt. Der Vater bekannte sich nicht zu seinem Kind, Mutter und Sohn waren auf die Unterstützung der Familie und der Behörden angewiesen. Bereits drei Monate vor der Geburt hatte Mathilde Cossmann ihre Arbeitsstelle verloren, vermutlich wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft. Im Oktober 1930 übernahmen Fürsorgerinnen der Wohlfahrtsbehörde die Betreuung und Unterstützung. Deren akribische Berichte, regelmäßig im sogenannten Personalbuch festgehalten, gestatten Einblicke in die familiäre Situation. Die Aufzeichnungen wurden für Personen und Familien angelegt, die eine dauernde Unterstützung erhielten. Änderungen in der Familie, Erkrankungen, die Betreuung der Kinder, der Zustand der Wohnung, alles wurde hier festgehalten. Mathilde und ihr Sohn führten demnach ein entbehrungsreiches Leben. Aber die Vermerke bezeugen auch, dass Mathilde sehr an ihrem Jungen hing. In Kurt Eduards erstem Lebensjahr lebten Mutter und Kind in einem Zimmer in der Schlachterstraße 9 bei der Witwe Hansen, in der Nähe von Mathildes Mutter. Mathilde bemühte sich immer um Arbeit, verdingte sich als Reinigungskraft bei verschiedenen, teilweise mehreren Arbeitsstellen gleichzeitig. Dies war ihrer Gesundheit jedoch abträglich. In einem Bericht wurde sie als zart gebaute Frau beschrieben, die nicht sehr leistungsfähig sei. Sie erkrankte häufiger und verlor zeitweise ihre Arbeit.

Durch den bescheidenen Lebensstandard war auch die Entwicklung von Kurt Eduard beeinträchtigt. In seinem ersten Lebensjahr kümmerte sich die Großmutter Rosalie Cossmann intensiv um den Jungen; sie starb jedoch unerwartet am 10. Juli 1931. Mathilde war nun auf einen Krippenplatz angewiesen. Die Jüdische Gemeinde übernahm die Kosten und verschickte den körperlich zarten Kurt Eduard mehrmals zur Erholung, bevor er zu Ostern 1937 in die Talmud Tora Schule eingeschult wurde.

Mathilde und ihr Sohn lebten seit Juni 1931 in einer kleinen Wohnung, zuerst in der Schlachterstraße 50, später wechselten sie in die Schlachterstraße 49. Ab März 1939 bewohnten sie eine 1½ Zimmer-Wohnung im "Neuer Steinweg 78, Haus 4 II. Stock". Unter dieser Adresse erhielten Mathilde und ihr mittlerweile 11-jähriger Sohn Kurt Eduard Cossmann den Deportationsbefehl zum Transport ins Getto Minsk am 18. November 1941.

Mit ihnen wurden weitere 405 Hamburger Juden und Jüdinnen in den Tod geschickt. Bekannt ist, dass Hamburger und Rheinländische Juden, die das Getto bis Mai 1943 überlebten, bei einem Massaker am 8. Mai 1943 bzw. bei der Auflösung des Gettos am 14. September 1943 erschossen oder in "Gaswagen" erstickt wurden. Wie und wann Mathilde und Kurt Eduard ermordet wurden, ist nicht bekannt.

Sie waren nicht die einzigen Opfer in ihrer Familie.

Von ihren Tanten und deren Familien aus der mütterlichen Linie überlebte fast niemand:
Pauline (geb. 1873 in Altona), verwitwete Sommer, wurde am 15. Juli 1942 von Hamburg aus nach Theresienstadt deportiert und kam dort am 14. Januar 1944 um. An sie erinnert ein Stolperstein in der Eimsbütteler Chaussee 23 in Hamburg. Ihr Sohn Max und dessen Ehefrau wurden von Hamburg aus am 8. November 1941 nach Minsk deportiert und ermordet. An sie erinnern zwei Stolpersteine in der Kaiser-Wilhelm-Straße gegenüber Nr. 115 (s. Max und Edith Sommer).
Friederike (geb. 1875 in Altona), verheiratete Behr, lebte seit 1900 in Holland. Sie, ihr Ehemann Samuel, acht ihrer neun Kinder, fünf Schwiegerkinder und zwei Enkel wurden von Holland aus in den Tod nach Auschwitz, Sobibor und Groß Rosen geschickt.
Martha (geb. 1879 in Altona), verwitwete Swartberg, lebte ebenfalls in Holland. Sie wurde in Sobibor ermordet. Ihr Sohn und dessen Ehefrau fanden in Auschwitz den Tod.
Auguste (geb. 1880 in Altona), verheiratete Wolf, wurde mit ihren Ehemann Louis (geb. 1872 in Essen) am 15. Juli 1942 von Hamburg nach Theresienstadt deportiert, wo beide 1944 ermordet wurden.
Marthas Tante Frieda Cossmann (geb. 1881 in Hamburg), verwitwete Maack, starb im November 1947 an den Folgen eines Raubüberfalls.
In Hamburg erinnern Stolpersteine am Großneumarkt 38, in der Eimsbütteler Chaussee 23 und Kaiser-Wilhelm-Straße gegenüber Nr. 115, zukünftig auch in der Lorenzengasse 2 und Bornstraße 8 an die ermordeten Mitglieder der Familie.

Zusammen mit den Verwandten aus Holland wurden insgesamt sechsundzwanzig Familienmitglieder ermordet.


Stand: Juli 2018
© Christina Igla

Quellen: 1; 4; 5; 8; StaH: 241-1I Ehelichkeitserklärung_354 Eduard C.; 332-5 Standesämter¬6190/1590/1876 +_975/1265/1931 (Rosalie C.)_1911/4349/1877+_7054/647/1925 (Eduard C.), 5970/1109/1906 (Eduard u. Rosalie C.), _13560/1521/1901 (Jonny C.), _5378/108/1930 (Jonny C.), _5938/1142/1896 (Pauline Sommer), _8109/352/1931 (Isidor Sommer), _6203/2634/1878+_5963/678/1904 (Martha Asser), _6213/2779/1880 (Auguste Asser),_5965/325/1905 (Asser/Wolf), _6185/1511/1875 (Frieder, Asser), _5951/677/1900 (Asser/Behr); 332-8 Meldewesen Filme K7049, K 4342; 351-11 Amt für Wiedergutmachung _1644+2220 (Isidor Sommer) _18265, (Sommer) _32058 (Maack); 351-14 Arbeits- und Sozialfürsorge Sonderakten_1087 (Cossmann) _1840 (Sommer) _2015 (Wolf); Gottwald/Schulle: "Judendeportationen", S. 89f., 95; http://www.dutchjewry.org/genealogy/ndbeli/4100.shtml (9.8.2016).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".

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