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Elsa Drögmöller * 1899
Hammer Straße 32 (Wandsbek, Marienthal)
HIER WOHNTE
ELSA DRÖGMÖLLER
JG.1899
EINGEWIESEN 1914
ALSTERDORFER ANSTALTEN
"VERLEGT" 16.8.1943
AM STEINHOF WIEN
ERMORDET 6.5.1944
Elsa Caroline Anna Drögmöller, geb. am 4.3.1899 in Wandsbek, aufgenommen in den damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) am 18.6.1914, verlegt nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" am 16.8.1943, dort gestorben am 6.5.1945
Hammer Straße 32 (Wandsbek)
Elsa Caroline Anna Drögmöller kam am 4.3.1899 in der damals noch selbständigen, heute zu Hamburg gehörenden Stadt Wandsbek zur Welt. Ihre Eltern waren der am 11.11.1872 ebenfalls in Wandsbek geborene Motorwagen- und spätere Straßenbahnwagenführer Hugo Friedrich Johannes Drögmöller und die Plätterin Friederike Marie Krüske, geboren am 17.1.1872 in Salzwedel. (Diese Stadt im heutigen Sachsen-Anhalt gehörte damals zur preußischen Provinz Sachsen.) Elsa Drögmöllers Eltern hatten am 4. November 1896 in Wandsbek geheiratet.
Nach Auskunft ihrer Mutter war Elsa Drögmöller das dritte von vier Kindern. Vor ihr waren Martha am 17. Juni 1893 und Gertrud Ernestine Minna am 24. Oktober 1897 geboren worden. Hugo Drögmöller erkannte die vorehelich geborene Martha im Januar 1897 gegenüber dem Standesamt als seine Tochter an. Über die jüngste Schwester, die nach den Angaben der Mutter nach Elsa Drögmöller geboren wurde, konnten Einzelheiten nicht ermittelt werden.
Elsa Drögmöllers Vater starb als Soldat am 18. Oktober 1915.
Nach einer Aktennotiz der Allgemeinen Armenanstalt Hamburg hatte die körperlich normal entwickelte Elsa Drögmöller seit dem zwölften Lebensjahr die "Hilfsschule für Zurückgebliebene" besucht, aber nie Lesen und nur wenige Buchstaben Schreiben gelernt.
Elsas Mutter berichtete, das Mädchen sei bei geringem Anlass oft wütend geworden. Am 3. Juni 1914 erklärte ein Arzt der Allgemeinen Armenanstalt Elsa Drögmöllers Aufnahme wegen "völliger Zurückgebliebenheit" in die damaligen Alsterdorfer Anstalten (heute Evangelische Stiftung Alsterdorf) für erforderlich. Sie wurde am 18. Juni aufgenommen.
Elsa Drögmöller hatte mit zwei Jahren Sprechen und Gehen gelernt. Ihre Mutter berichtete bei der Aufnahme in Alsterdorf, das Kind sei mit sechs Jahren die Bodentreppe heruntergefallen und mit dem Kopf auf Eisen aufgeschlagen. Ob dieser Sturz Elsa Drögmöllers Entwicklungsbeeinträchtigung ausgelöst hat, wurde in ihrer Patientenakte nicht problematisiert. Bei ihrer Aufnahme in den Alsterdorfer Anstalten wurde "Schwachsinn" diagnostiziert. Der heute nicht mehr verwendete Begriff "Schwachsinn" bezeichnete eine Intelligenzminderung bzw. angeborene Intelligenzschwäche.
Während der nächsten annähernd 30 Jahre lebte Elsa Drögmöller in den Alsterdorfer Anstalten. Ihre Patientenakte enthält nur wenige Eintragungen, die sich inhaltlich im Wesentlichen wiederholen. In den ersten Jahren wurde sie als "verträglich, sauber und brauchbar in der Gemüseputzstube" beschrieben. Ab 1925 wurde regelmäßig ihre "geringe Arbeitskraft" notiert. Zu Weihnachten und zum Jahreswechsel durfte Elsa Drögmöller ihre Mutter besuchen. Ab 1930 wurde sie als "in jeder Beziehung sehr unordentlich" bezeichnet.
Am 23. September 1937 entschied das damalige Erbgesundheitsgericht, dass die 38jährige Elsa Drögmöller zu sterilisieren sei. Die Grundlage für diesen Eingriff bildete das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933, mit dem die Nationalsozialisten die zwangsweise "Unfruchtbarmachung" vermeintlich "Erbkranker" und "Alkoholiker" eingeführt hatten.
Der Eingriff wurde bei Elsa Drögmöller vollzogen, nachdem sie zu diesem Zweck am 16. November 1937 in das Universitätskrankenhaus Eppendorf verlegt worden war. Anschließend kam sie zurück nach Alsterdorf.
In den Jahren 1938 bis 1942 wurde über Elsa Drögmöller festgehalten, sie sei öfter erregt, schimpfe viel, zanke dauernd, schlage andere und reiße anderen Haaren.
Während der schweren Luftangriffe auf Hamburg im Juli/August 1943 ("Operation Gomorrha") erlitten auch die Alsterdorfer Anstalten Bombenschäden. Die Anstaltsleitung nutzte die Gelegenheit, nach Rücksprache mit der Gesundheitsbehörde einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner, die als "arbeitsschwach, pflegeaufwendig oder als besonders schwierig" galten, in andere Heil- und Pflegeanstalten zu verlegen. Am 16. August 1943 ging ein Transport mit 228 Frauen und Mädchen aus Alsterdorf sowie 72 Mädchen und Frauen aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn nach Wien in die "Wagner von Jauregg-Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" ab. Unter ihnen befand sich auch Elsa Drögmöller.
Ein weiterer Abtransport hatte die "Landesheilanstalt Eichberg" in der Nähe von Wiesbaden und die "Heil- und Pflegeanstalt Kalmenhof" in Idstein im Rheingau zum Ziel. Der dritte Abtransport führte in die "Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen" in der Nähe von Passau. Eichberg, Kalmenhof, Mainkofen und die Anstalt in Wien waren während der "Aktion T4" (Tarnbezeichnung für das "Euthanasie"-Programm der Nationalsozialisten, so genannt nach dem Sitz der Berliner Euthanasiezentrale in der Tiergartenstraße 4) Zwischenanstalten für die Tötungsanstalten Hadamar bei Limburg an der Lahn und Hartheim bei Linz gewesen. Nach dem offiziellen Ende der Gasmorde in den Tötungsanstalten wurde in den bisherigen Zwischenanstalten weiter gemordet.
Elsa Drögmöller hatte schon in den Jahren in Alsterdorf an Gewicht verloren. Sie hatte während der 1930er Jahre um 55 kg gewogen. Gegen Ende 1942 wog sie bereits 9 kg weniger. In Wien wurde ihr Gewicht Ende 1944 mit 44 kg, im März 1945 mit nur noch 31 kg notiert.
Wurde noch im Januar 1944 in Elsa Drögmöllers Patientenakte dokumentiert, sie sei zeitlich und örtlich desorientiert, helfe aber bei der Heimarbeit mit und sei meist ruhig, so hieß es im April 1945, die Patientin sei in letzter Zeit sehr stark abgemagert und huste stark. Wenige Tage später, am 6. Mai 1945, starb Elsa Drögmöller, laut Akte an Lungentuberkulose.
In der "Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien" wurden Patientinnen und Patienten systematisch durch Überdosierung von Medikamenten, durch Nichtbehandlung von Krankheiten, vor allem durch Nahrungsentzug ermordet. Von den 300 Mädchen und Frauen aus Hamburg kamen bis Ende 1945 257 ums Leben, davon 196 aus Alsterdorf.
Elsa Drögmöllers Mutter erkundigte sich am 18. Februar 1946 in Wien nach dem Befinden ihrer Tochter: "Möchte die Direktion höflichst ersuchen über das Befinden meiner Tochter Elsa Drögmöller zu benachrichtigen. Frau Drögmöller bei Levy Bundesstraße 35". Die Antwort, datiert vom 10. Juli 1946, hatte folgenden Wortlaut: "Auf ihre am 2. d.M. hier eingelangte Karte vom 18. Febr. d.J. muss Ihnen leider mitgeteilt werden, dass Ihre Tochter Elsa Drögmöller am 6. Mai 1945 an Lungentuberkulose gestorben ist. Infolge der damaligen Postsperre zwischen Österreich und Deutschland konnten Sie vom Ableben nicht verständigt werden und wurde die Leiche am 17. Mai 1945 am städt. Friedhofe Wien-Baumgarten in einem gemeinsamen Grabe bestattet. Die Grabstelle ist bei der Friedhofsverwaltung (Wien 14/89) zu erfragen. Gez. Der Direktor".
Die Todesnachricht war an "Frau Drögmöller bei Levy, Hamburg 13, Bundesstraße 35 B/ II" adressiert. Die verwitwete Friederike Marie Drögmöller lebte schon seit Jahren mit der Familie ihrer Tochter Martha, die mit dem jüdischen Arbeiter Bernhard Levy verheiratet war, zusammen. Hier hatte sie die sich ständig zuspitzende Diskriminierung ihres jüdischen Schwiegersohnes und ihrer Tochter Martha miterleben müssen.
Martha Drögmöller hatte, nachdem sie in erster Ehe mit Carl Gustav Dubrow verheiratet gewesen und 1920 von ihm geschieden worden war, 1921 Bernhard Levy, geboren am 6. April 1893 in Hamburg, geheiratet. Wie ihrem jüdischen Ehemann war 1939 zunächst auch der nichtjüdischen Martha Levy auferlegt worden, zusätzlich einen jüdischen Vornamen zu führen. Im Februar 1941 hob das Amtsgericht Hamburg diese "irrtümliche" Verpflichtung, sich auch "Sara" nennen zu müssen, wieder auf.
Parallel zu den zwangsweisen Arbeitseinsätzen ihres Ehemannes vom April 1940 bis zum 14. Februar 1945 bei verschiedenen Arbeitgebern und seiner Verpflichtung, den "Judenstern" zu tragen, hatte Martha Levy erfahren müssen, dass Bernhard Levys Bruder Robert am 23. September 1940 aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn mit 135 weiteren Jüdinnen und Juden angeblich nach Polen abtransportiert worden war. Tatsächlich wurde Robert Levy am selben Tag in der Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel mit Kohlenmonoxid ermordet (siehe ausführlich Robert Levy).
Die Ehe mit der nichtjüdischen Martha Levy rettete ihrem Ehemann Bernhard Levy das Leben. Zunächst vor der Deportation geschützt, gehörte Bernhard Levy zu der letzten Gruppe jüdischer Menschen in noch existierenden Mischehen, die am 14. Februar 1945 in das Getto Theresienstadt deportiert wurden. Am 5. Mai 1945 übergab die SS dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz die Verantwortung für Theresienstadt. Die Rote Armee erreichte das Getto am 8. Mai 1945. Bernhard Levy gehörte zu den Überlebenden.
Aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten sind im Nationalsozialismus insgesamt 630 behinderte Kinder, Frauen und Männer in Zwischenanstalten oder direkt in Tötungsanstalten der "Euthanasie" abtransportiert worden. Von ihnen sind 511 Menschen getötet worden.
Die Inschrift des Stolpersteins zur Erinnerung an Elsa Drögmöller weist als ihr Sterbedatum den 6.5.1944 aus, richtig ist aber 6.5.1945.
Stand: Juli 2021
© Ingo Wille
Quellen: Adressbuch Hamburg; StaH 332-5 Standesämter 3851 Geburtsregister Nr. 593/1897 Gertrud Ernestine Minna Drögmöller, 13246 Geburtsregister Nr. 132/1899 Elsa Caroline Anna Drögmöller, 4075 Heiratsregister 158/1896 Hugo Friedrich Johannes Drögmöller/Friederike Marie Krüske, 6494 Heiratsregister Nr. 361/1912 Carl Gustav Dubrow/ Martha Drögmöller, 3402 Heiratsregister Nr. 1054/1924 Bernhard Levy/Martha Dubrow, 6943 Sterberegister Nr. 838/1915 Hugo Friedrich Johannes Drögmöller; Evangelische Stiftung Alsterdorf Archiv Sonderakte V 359 Elsa Drögmöller. Harald Jenner, Michael Wunder, Hamburger Gedenkbuch Euthanasie – Die Toten 1939-1945, Hamburg 2017, S. 36, 160. Peter von Rönn, Der Transport nach Wien, in: Peter von Rönn u.a., Wege in den Tod, Hamburgs Anstalt Langenhorn und die Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus, Hamburg 1993, S. 425 ff. Michael Wunder, Ingrid Genkel, Harald Jenner, Auf dieser schiefen Ebene gibt es kein Halten mehr – Die Alsterdorfer Anstalten im Nationalsozialismus, Stuttgart 2016, S. 331 ff.